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"Da geht es nicht darum, Berichterstattung zu kaufen, das geht ja gar nicht": Klubchef Robert Lugar (li.) mit Parteichef Stronach,

Foto: APA/GEORGES SCHNEID

Wien - Der Frank schaut ihm ständig über die Schulter. Das dunkle Wahlplakat füllt die Stirnwand des niedrigen Sitzungssaals des Team Stronach, Robert Lugar nimmt hemdsärmelig davor Platz.

Beim Interview steht Monika Lindner noch nicht auf Stronachs Kandidatenliste. Bei der Autorisierung seiner Antworten ergänzt Lugar auf Anfrage die Erwartungen an Lindner. Wie in seiner Pressekonferenz: Die ehemalige ORF-Generalin solle Insiderwissen über die "Problembereiche" ORF, Raiffeisen sowie ÖVP und Landeshauptmann Erwin Pröll liefern, um das "System" zu verändern. Lugars öffentliche Erläuterung ließ Lindner gleich wieder auf ihr Mandat verzichten. Nun möchte sich Lugar nicht mehr zum Thema äußern.

STANDARD: "Die Medien müssen frei berichten können", besagt Seite 62 Ihres Grundsatzprogramms. Haben Sie den Eindruck, dass das derzeit nicht der Fall ist?

Lugar: Ja, in Niederösterreich zum Beispiel. Das haben wir ganz intensiv im Landtagswahlkampf erlebt. Medien haben uns gesagt, sie könnten nicht über uns berichten, weil Landeshauptmann Erwin Pröll das  nicht gerne sehe und es Abhängigkeiten gebe. Nach meinen Infos sollen wir dort auch jetzt totgeschwiegen werden. Wir werden sehen, ob wir das aufbrechen können.

STANDARD: Wieviel haben Sie denn bis jetzt, sechs Wochen vor der Nationalratswahl, schon für Wahlwerbung ausgegeben, die das Gesetz ja mit sieben  Millionen limitieren will?

Lugar: Wir werden uns an die gesetzlichen Vorgaben halten – und Strafzahlungen für Überschreitungen akzeptieren. Ich finde die Regelung ja gut, würde nur Parteien wie unsere ausnehmen. Wir zahlen die Wahlwerbung ja nicht aus Steuergeld, bei uns zahlt das ja Frank Stronach selbst mit seinem eigenen Geld. Und: Neue Parteien brauchen einen viel größeren Aufwand, um sich bekannt zu machen.

STANDARD: Über mangelnde Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, in den Medien kann sich gerade Ihr Gründer und Ihre Partei nicht beschweren. Deutsche Kollegen wundern sich, warum Frank Stronach in Österreich so viel Sendezeit bekommt. Ein italienisches Medium hat Stronach ja damit zitiert, er müsse sich Medien kaufen, um vorzukommen.

Lugar: Er denkt teilweise in englischer Sprache und da kann es zu Missverständnissen kommen. Wenn er sagt, er müsse sich Aufmerksamkeit erkaufen, um seine Botschaften zu transportieren, meint er Werbung, Inserate. Da geht es nicht darum, Berichterstattung zu kaufen – das geht ja gar nicht. Ich glaube nicht, dass es in Österreich ein Medium gibt, wo man die Berichterstattung kaufen kann. 

STANDARD: Es gibt aber Medien, die erwecken diesen Eindruck.

Lugar: Wirklich? Das geht? In welcher Zeitung? (lacht)

STANDARD: Manche Gratiszeitungen erwecken schon den Eindruck, dass Insertion und Größe von Berichterstattung, vielleicht auch ihre Tendenz, sagen wir: harmonieren.

Lugar: Aber die Berichterstattung in "Heute" und "Österreich" ist nicht immer so freundlich – das würde dem widersprechen. Wir inserieren generell sehr viel. Zum Beispiel im "Kurier". Der berichtet öfters über uns in einer Weise, wo wir und gerade auch Frank uns fragen: Was ist da los?

STANDARD: Stronachs Pressemann hat doch einmal per internem Mail die Parole ausgegeben, nur in freundlich gesinnten Medien zu inserieren.

Lugar: Wir sind noch immer guter Hoffnung. Wenn wir ein Inserat schalten und davor oder danach ein Artikel steht, der etwas ganz anderes über uns aussagt, dann können wir's gleich lassen. Wir erwarten uns – ob mit oder ohne Inserat – nur, dass man halbwegs fair berichtet. Wenn eine Zeitung immer wieder negativ über uns berichtet und dies nach unserem Gefühl zu unrecht, dann werden wir wohl nicht mehr inserieren. Das ist keine Bestrafung, sondern reine Logik. Wenn Sie Aufträge zum Beispiel an Handwerker vergeben, werden Sie auch nicht den nehmen, der dauernd blöd über Sie redet.

STANDARD:  Die Frank-Stronach-Dokumentation auf Puls 4 vor einigen Wochen erweckte den Eindruck, dafür würde sich Stronach finanziell erkenntlich zeigen. Ich habe nun von 300.000 Euro als Gegenleistung gehört. Was ist da dran?

Lugar: Ich kann definitiv ausschließen, dass da etwas bezahlt wurde.

STANDARD: Keine Produktionskostenzuschüsse, zum Beispiel?

Lugar: Soweit ich weiß, nein. Da ist nichts bezahlt worden.

STANDARD: Das Team Stronach versuchte, Sender von einer Politikercastingshow zu überzeugen, dieses Format "The Candidate" haben Sie wieder aufgegeben?

Lugar: Da ging es darum, Leute mit einem breit angelegten Fernsehformat für die Politik zu gewinnen und der Politikverdrossenheit entgegenzuarbeiten. Und wir haben nie gesagt, dass es da nur unsere Kandidaten geben soll. Aber wir haben schon etwas viel Besseres.

STANDARD: Ein Fernsehformat?

Lugar: Nein. Aber eine super Geschichte.

STANDARD: Dass die ehemalige ORF-Generaldirektorin Monika Lindner als Kandidatin für Stronach antritt?

Lugar: Nein, das ist es nicht.

STANDARD: Ihr Parteigründer Frank Stronach geht mit Medien etwas irritierend um – er beantwortet etwa Fragen nicht, will minutenlange Statements verlesen.  Welche Funktion haben Medien für Stronach?

Lugar: Ich glaube, das muss man historisch betrachten. Bei seinem börsenotierten Konzern musste er sehr distanziert mit Medien umgehen, jede Aussage kann den Kurs in alle Richtungen manipulieren. Daher auch die strengen Richtlinien. Von daher kommt er. Politik funktioniert anders – da kann man viel reden und womöglich interessiert es niemand. Sein Umgang mit Medien ist lockerer geworden, aber noch immer geprägt von den Jahrzehnten vorher.

STANDARD: Fragen scheint er des öfteren als Frechheit zu empfinden.

Lugar: Er ist mehr der Visionär. Er will den besten Autospiegel bauen, errichtet eine Riesenfabrik dafür – und dann kommt ein Journalist daher und fragt ihn, ob nicht sechs statt sieben Millimeter Glasstärke bei einem Crash problematisch sind. Das empfindet Frank als Beleidigung – gescheiter zu sein als seine Vision und seine Experten. So sieht er das auch in der Politik auch. Solche Fragen sieht er als Infragestellen des Gesamtkonstrukts – und findet: Wir wissen schon, was wir tun.

STANDARD: Unternehmer, die in anderen Feldern erfolgreich waren oder sind, kaufen sich Medien: Amazon-Chef Jeff Bezos übernimmt etwa die "Washington Post". Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz betreibt Medien wie Servus TV. Bei Magna gab es vor ein paar Jahren Überlegungen, ein Magazin zu gründen. Gibt es in Ihrer Partei, bei Ihrem Gründer noch den Plan, ein Medium selbst zu betreiben?

Lugar: Ist im Moment überhaupt nicht angedacht. Normale Werbung ist schwierig, vielleicht tut man sich in manchen Bereichen leichter, wenn man gleich ein ganzes Medium hat.  Aber wir wollen Berlusconi keine Konkurrenz machen. Und der Bürger wird immer kritischer und merkt die Absicht. Ich glaube also nicht, dass es für Parteien Sinn macht, ein Medium zu kaufen, das ist dann abgestempelt. Außer, man würde die gesamte Medienlandschaft beherrschen. Aber das würde einer Diktatur gleichkommen – das ist auch nicht optimal. Wir haben gute Argumente, die werden sich schon durchsetzen.

STANDARD: Medien müssen frei berichten können": Wie verträgt sich das eigentlich mit den jedenfalls eine Zeitlang gestellten Bedingungen Ihres Parteigründers für Interviews – Titel, Einleitung zu autorisieren, bei Nicht-Autorisierung das Interview ganz zu verschweigen?

Lugar: Die Medien sollen frei berichten können, aber nicht unabhängig von der Wahrheit. Die Presse hat getitelt: Lugar will, dass alle ins Gymnasium gehen. Das habe ich aber nie gesagt. Deshalb haben wir gesagt, wir wollen auch Titel oder Bildtexte sehen. Sonst stehen bei einem Interview unter einem Bild von Frank und Kathrin Nachbaur womöglich Dinge, die gar nicht stimmen.

STANDARD: Das klingt aber doch nach Zensur.

Lugar: Überhaupt nicht. Bei einem Interview, geht der Leser oder die Leserin davon aus, dass das Gewicht hat.

STANDARD: Mir haben Sie aber kein Formular mit solchen Bedingungen vorgelegt.

Lugar: Das mache ich nicht. Ich hab ein großes Grundvertrauen.

STANDARD: Ihr Grundsatzprogramm plädiert für "strengere Strafen" für Medien. Reichen Ihnen bis 100.000 Entschädigung und womöglich weit höhere Beträge etwa für Kreditschädigung nicht? Meinen Sie Freiheitsstrafen?

Lugar: Nein, es geht um Geldstrafen und um einen abschreckenden Effekt. Beim Boulevard ist die Recherche oft schwach. Wenn es strengere Strafen gibt, müssen Medien da mehr investieren und genauer schauen.

STANDARD:Ihr Parteigründer hatte eine Kolumne in der "Krone", die auch einige Sympathie für das Team Stronach zeigt. Zählen Sie die nicht zum Boulevard?

Lugar: Nein, da sehe ich sie überhaupt nicht. Da gibt's andere Zeitungen. Die "Kronen Zeitung" ist super!

STANDARD: Was schätzen Sie denn an ihr?

Lugar: Wahnsinnig gut gefällt mir an der "Kronen Zeitung": Einen Tag bringt sie etwas ganz klar in eine Richtung, geradezu tendenziös. Und am nächsten Tag sowas von tendenziös in die andere Richtung. Damit schafft sie einen Ausgleich, das gefällt mir.

STANDARD: Das heißt: Die "Kronen Zeitung" ist ein plurales Medium.

Lugar: Genau. Die gehen in alle Richtungen. Dieser Zickzack-Kurs, den sie auch politisch fahren, ist sozusagen die wahre Unabhängigkeit. Sie legen sich mit jedem an – und dann schmeicheln sie denselben wieder. Letztlich entsteht daraus die Mitte.

STANDARD: Gehen wir Ihr Grundsatzprogramm zu Medien weiter durch: Staatliche Medienförderung sei intransparent, steht da, in der Hand weniger Menschen. Braucht es Medienförderung?

Lugar: In einem kleinen Land mit einer solchen Vielfalt an Medien braucht es eine Förderung. Das Problem ist, wie bei den Staatskünstlern: Wenn der Staat Geld gibt, erwartet er womöglich auch Gegenleistungen, und seien es nur gefällige Reportagen. So lange es keine klaren Regeln, keine klaren Kriterien gibt ...

STANDARD: Klare Kriterien wie Verkaufsauflagen, Abozahlen, Marktbeherrschung, Werbeanteile, angestellte Auslandskorrespondenten, Ausbildung gibt es bei der Presseförderung – man kann diese Kriterien natürlich gut oder schlecht finden, aber es gibt sie.

Lugar: Mir hat ein Österreich-Redakteur geklagt, dass über die_Presseförderung Einfluss genommen werde und die Kriterien nicht nachvollziehbar wären.

STANDARD: Auch da sind die Kriterien relativ klar – ob gut oder schlecht: Wer mehr gratis abgibt als verkauft, bekommt keine Presseförderung. Sind Sie für Presseförderung auch für Gratiszeitungen?

Lugar: Auf jeden Fall. Ich bin auch für die Förderung von Onlinemedien. Es geht um die Nachrichten und Botschaften, unabhängig vom Medium. Grundsätzlich bin ich gegen Förderungen, auch im Bereich Kunst und Kultur. Aber es gibt Bereiche, in denen man wie gesagt fördern muss – zum Beispiel Nebenbahnen oder flächendeckende Postzustellung bis ins hinterste Tal oder eben auch Vielfalt von Medien.

STANDARD: Frank Stronach, der Ihnen via Plakat auch hier über die Schulter schaut, soll aber bei Magna auch schon einige Förderungen angenommen haben.

Lugar: Aber das war im Verhältnis zu den Investitionen minimal. Und wenn er schon gegen jede wirtschaftliche Vernunft in Österreich investiert, kann er seinen Aktionären schwer erklären, dass er vorhandene Förderungen nicht annimmt.

STANDARD: Österreichs Zeitungsverband fordert statt knapp elf 50 Millionen Euro Presseförderung.

Lugar: Wir sind grundsätzlich für eine Erhöhung, wenn auch Onlinemedien gefördert werden. Wir sollten nicht wie bei den Greißlern erst draufkommen, dass Nahversorgung nicht so schlecht ist, wenn der letzte zugesperrt hat.

STANDARD: Viel höhere öffentliche Subventionen erhält der ORF. Ihr Programm lehnt "Zwangsgebühren" ab, also wohl auch die geplante TV-Abgabe für alle Haushalte unabhängig vom Empfang.

Lugar: Absolut.

STANDARD: Was dann tun mit dem heute überwiegend gebührenfinanzierten ORF?

Lugar: Den öffentlich-rechtlichen Auftrag könnte die Republik alle paar Jahre ausschreiben.

STANDARD: Wer entscheidet, wer den Auftrag bekommt?

Lugar: Rein wirtschaftlich nach klaren Kriterien – wie wenn man eine Brücke baut. Ausschreibung ist die eine Möglichkeit. Man könnte aber auch dem ORF Werbung verbieten. Das würde ihn wohl auch davon abbringen, mit kommerziellen Kaufprogrammen wie US-Spielfilmen möglichst viel Quote zu machen. Man könnte auch den ORF auf das beschränken, was er sein soll: Das wäre ORF 3. Das hat genau den Auftrag, den wir wollen: Viel Hintergrund, Politik, Bildung. Man könnte ORF 3 ausbauen und den Rest fallen lassen. Aber wir sehen das nicht dogmatisch. Wir sehen nur nicht ein, dass die Österreicher hunderte Millionen zahlen und eine Mischung bekommen aus privat und staatlich. Das ist nicht Fisch nicht Fleisch. Das schwächt die Privaten, und der öffentliche Auftrag ist zuwenig gewahrt.

STANDARD: Das heißt: Fokussieren auf den Kernauftrag?

Lugar: Man kann natürlich auch die Gebühren streichen und dann muss er selbst schauen, wo er bleibt, wie ein Privatsender. Aber das wäre mit den heutigen ORF-Strukturen das Todesurteil.

STANDARD: Was wäre aus Ihrer Sicht die vernünftigste Lösung?

Lugar: Die Zwangsgebühren wegzubringen. Dann kann man überlgen, ob man einen öffentlich-rechtlichen Auftrag über Steuern finanziert ausschreibt oder den ORF ganz privat auslegt.

STANDARD: Der ORF würde dagegen halten: Mittel aus dem Budget erhöhen die politische Abhängigkeit.

Lugar: Abhängig nur vom öffentlich-rechtlichen Auftrag. Das ist ja gut so, der Staat ist ja der Auftraggeber. Wenn ich einem Handwerker sage, er soll mir die Einfahrt pflastern, wird sich der auch nicht beschweren, dass er von mir abhängig ist. Dann sag ich: natürlich, aber das ist ja meine Einfahrt.  Der öffentliche Auftrag ist der Auftrag des Staates, der Regierung: Das will ich haben. Nicht im inhaltlichen Sinne, sondern im Sinne von Breite, Information. Der Auftrag wird nicht lauten: Eine Sendung, in der der Kanzler 500mal genannt wird. Sondern: Eine Sendung, in der die Politik breit vorkommt, damit der Bürger sich ein Bild machen kann.

STANDARD: Bei der Presseförderung stört Sie eine von Ihnen vermutete Abhängigkeit – und beim ORF konstruieren Sie etwas Ähnliches.

Lugar: Wenn es klare Kriterien bei der Presseförderung gibt, würde sie mich nicht stören. Ich bin mir nur nicht sicher,  ob diese Kriterien ausreichen. Beim ORF wäre es genauso. Damit ist der Einfluss weg.

STANDARD: Die Kriterien für die Presseförderung sind eher formale – also etwa die Abos, die verkaufte Auflage, die Zahl der Auslandskorrespondenten. Beim ORF ist der Auftrag ein inhaltlicher – dann brauchen Sie auch eine inhaltliche Entscheidung und eine inhaltliche Bewertung. Da brauchen Sie quasi eine Jury.

Lugar: Ich verstehe den öffentlich-rechtlichen Auftrag als Auftrag zu einer gewissen Breite für bestimmte Themenfelder. Also Informationssendungen, um das Wissen der Bevölkerung zu maximieren. Politische Information, möglichst ausgewogen, vielleicht nach der Stärke im Parlament. Natürlich kann man keinen Einfluss darauf nehmen, ob der Redakteur jetzt zu Werner Faymann netter ist als zu Josef Bucher.

STANDARD: Laut Grundsatzprogramm ist Ihnen der Stiftungsrat des ORF zu groß und der Sachverstand dort zu klein. Wenn sie das Gremium verkleinern, wird sich die Opposition wohl dort nicht mehr vertreten sehen.

Lugar: Es geht darum, den politischen Einfluss auf den ORF wegzubringen. Der Stiftungsrat ist nicht die Hauptstoßrichtung, es geht um die oberste Führung. Sie soll unabhängig besetzt werden, mit einer Ausschreibung und einem öffentlichen Hearing.

STANDARD: Die Funktionen des ORF-Generals und der Direktoren wird öffentlich ausgeschrieben, wenn auch ohne öffentliches Hearing.

Lugar: Aber die Ausschreibungen schränken den Kreis möglicher Bewerber stark ein. Da brauchen wir eine Objektivierung und eine fachliche Besetzung. Ich weiß, dass das schwierig ist.

STANDARD: Haben Sie derzeit den Eindruck, dass die heutige Besetzung nicht fachlich ist?

Lugar: Über weite Strecken funktioniert das ganz gut. Aber es gibt immer wieder Ausreißer wie Niko Pelinka ...

STANDARD: der SP-Fraktionschef im ORF-Stiftungsrat sollte Büroleiter von ORF-General Alexander Wrabetz werden. Protest insbesondere der ORF-Journalisten hat Wrabetz und Pelinka schließlich von dem Plan abrücken lassen.

Lugar: Das war ein Lehrstück der Emanzipierung. Das ist ein guter Weg.

STANDARD: Ihr Programm findet Monopole und Kartelle schlecht. Was wollen Sie dagegen tun?

Lugar: Kartelle sind überall verboten, außer im großen Stil wie bei der Opec. Das muss man auch im großen abzulehnen, ebenso Monopole.

STANDARD: Auf den Medienbereich bezogen: Ist die heutige Situation in Österreich mit einer Mediaprint, einer Verlagsgruppe News oder müsste man da etwas unternehmen? Beim ORF, der wohl auch unter dieses Kapitel fällt, haben Sie ja Maßnahmen genannt.

Lugar: Ich könnte jetzt natürlich auf Raiffeisen hinhauen. Aber das mach ich jetzt nicht. Natürlich gibt es marktbeherrschende Gruppierungen.

STANDARD: Als Politiker würde ich jetzt sagen: Muss man sich ansehen.

Lugar: Ich neige auch zu dieser Aussage, wollte ihr aber doch mehr Substanz geben. Ich kämpfe noch mit mir. Das ist eine zweischneidige Sache. Der Trend – etwa auch im Autobau – geht zu Fusionierung und möglichst großen Einheiten. VW ist erfolgreich, weil sie alles unter einem Dach haben. Andererseits ist das für den Konsumenten mitunter schlecht, weil er keine Auswahl mehr hat. Die Gratwanderung ist schwierig.

STANDARD: Und einen kleinen Unterschied zwischen Autos und Medien gibt's ja doch noch.

Lugar: Ich bin mir da gar nicht so sicher: Die Autos versuchen auch, möglichst viele Modelle auf ein und derselben Plattform zu bauen. Und die Journalisten schreiben ja auch von einander in einem Ausmaß ab, dass die Tür nicht zugeht. Einer schreibt Blödsinn, und alle schreiben den Blödsinn ab.

STANDARD: Ich meinte: Medien tragen zur Demokratie wohl ein bisschen mehr bei als Autos.

Lugar: Wenn sie nicht von einander abschreiben: Ja. Sonst ist das wie im Parlament: Wir brauchen keine 183 Abgeordnete, weil die das machen, was der Klubobmann oder die Parteizentrale sagt.

STANDARD: Aber sechs oder fünf Abgeordnete, einer pro Fraktion, wären schon zuwenig, oder?

Lugar: Bei Abstimmungen würde theoretisch einer pro Fraktion ausreichen, so selten, wie es Stimmen abweichen. Bei Medien ist das genauso: Wenn man schon fördert, um diese Breite zu erhalten, dann sollten alle ihr Hirn einschalten, bei allem Zeitdruck in den Redaktionen.

STANDARD: Gesetzt den Fall, das Team Stronach kommt in die nächste Bundesregierung: Welche Ihrer medienpolitischen Vorstellungen sind Koalitionsbedingungen?

Lugar: Die Schule und künftige Schuldenfreiheit sind Koalitionsbedingungen, aus dem Medienbereich gibt es keine.  Da gibt es wichtigere Dinge. (Harald Fidler, DER STANDARD, 17./18.8.2013/Langfassung)