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Das "Große Experiment": Nach der Gründung der Fed im Dezember 1913 wachte das "Federal Reserve Board" rund um den ersten Chef Charles S. Hamlin (links, sitzend) über die US-Geldpolitik.

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Washington/Wien - Es hat alles mit einem "Großen Experiment" angefangen. Vor einem Jahrhundert wurde die US-Notenbank Fed gegründet, und sie lenkt seitdem die Geldpolitik der größten Volkswirtschaft der Welt. Doch groß war nicht nur das Experiment ihrer Gründung, sagte der amtierende Chef und langjährige Student der Fed, Ben Bernanke, im Juli bei einer Konferenz zum 100-jährigen Bestehen der Notenbank.

Es gebe mehrere Episoden, die das Adjektiv "groß" verdienen: die Große Depression der 1930er-Jahre, die Große Inflation der 1970er-Jahre, die Große Moderation, als die Inflation mit hohen Zinsen gedrückt wurde und die Globalisierung das Wachstum weltweit stabilisierte, und die Große Rezession infolge der Finanzkrise 2008.

Doch groß sind auch die aktuellen Herausforderungen der US-Notenbank. Als Bernanke am 1. Februar 2006 die Fed übernahm, hatte die Notenbank 831 Milliarden Dollar (623 Mrd. Euro) an Wertpapieren in der Bilanz stehen. Per 15. August sind es über 3646,3 Mrd. Dollar, mehr als vier Mal so viel und 22 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. Seit vier Jahren liegen die Zinsen an der Nulllinie, doch die US-Wirtschaft ist seit Bernankes Amtseintritt kaum gewachsen. In den sieben Jahren seit 2006 steht ein Plus von gerade einmal 7,6 Prozent zu Buche, so wenig wie nie in der Nachkriegszeit - den Billionen Dollar an Anleihenkäufen zum Trotz.

Fed-Vogelkunde

Angesichts der schwachen Wirtschaftsentwicklung ist der Streit um die Nachfolge Bernankes (Bericht unten) auch ein Kampf um die künftige Strategie der Fed. Jahrzehntelang entschied sich die Machtfrage in der US-Notenbank zwischen den "Tauben" und den "Falken". Die Raubvögel unter den Notenbankern wollen der Inflation den Garaus machen, selbst wenn das kurzfristig höhere Arbeitslosigkeit bedeuten sollte. Die Tauben sorgen sich hingegen stärker um Jobs und wollen die Zinsen lieber niedrig halten.

Doch seit 2009 liegen die Zinsen bei null. Die Machtfrage entscheidet sich nun zwischen "Truthähnen" und "Kolibris". Denn Ökonomen streiten darüber, ob die Geldpolitik überhaupt in der Wirtschaft ankommt, wenn die Zinsen erst bei null liegen. Die Volkswirte im Camp der Kolibris, wie etwa Scott Sumner von der Bentley University, halten die Geldpolitiker für Superhelden, die wie die Kolibris außergewöhnliche Flugfähigkeiten haben. Sie fordern, dass die Notenbank noch mehr unternimmt, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Michael Woodford etwa will, dass die Fed ein festes Wachstums-Versprechen abgeben soll.

Die Kolibris verspüren gerade Aufwind. Christina und David Romer, zwei renommierte Volkswirte an der University Berkeley, haben eine Untersuchung mit dem abschreckenden Titel "Die gefährlichste Idee in der Geschichte der Federal Reserve" veröffentlicht. Gefahr drohe von der demütigen Haltung, dass Geldpolitik keine Bedeutung habe. "Bescheidenheit kann große Schäden verursachen", warnen die Romers.

Keine Bescheidenheit

Doch von Bescheidenheit kann in der aktuellen Geldpolitik keine Rede sein. Alan Greenspan galt als "Maestro" an der Spitze der Fed. Denn in der Phase der "Großen Moderation" hat der Zentralbanker jedes Aufflammen einer Krise mit einer Öffnung der Geldschleusen gelöscht. Sein Nachfolger Ben Bernanke wurde im Rezessionsjahr 2009 vom Magazin Time zum Mann des Jahres gekürt. "Ohne ihn wäre alles viel schlimmer gekommen", begründeten die Autoren ihre Entscheidung. In der Krise hat die Fed Abermilliarden Dollar an Steuermitteln aufgewendet, um Investmentbanken vor dem Untergang zu retten.

Bernanke aber hat die Fed zumindest transparenter gemacht. Er führte Pressekonferenzen ein, veröffentlicht regelmäßig die Prognosen der Geldpolitiker zu wichtigen Kennzahlen der Wirtschaft. Er hat lockere Geldpolitik versprochen, solange die Arbeitslosigkeit bei über 6,5 Prozent liegt. Noch zu Zeiten von Alan Greenspan wussten Medien und Märkte nicht einmal, ob die US-Notenbank irgendetwas an ihrer Politik geändert hatte, geschweige denn, was sie bei künftigen Treffen machen würde.  (Lukas Sustala, DER STANDARD, 17.8.2013)