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2002 landete Pederzolli in der Halfpipe auf dem siebenten Olympiaplatz.

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"Der war schon okay", sagt sie heute.

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Innsbruck - "Ich habe es geliebt, das Leben damals", sagt Nici Pederzolli-Rottmann, "und ich liebe das Leben jetzt." Das Leben jetzt ist insofern ein wenig beschwerlich, als der Bauch nicht kleiner wird. In vier Wochen soll das dritte Kind zur Welt kommen, Nici (39) und ihr Mann Alex Rottmann lassen bewusst auf sich zukommen, ob es eine Tochter oder ein Sohn wird. Sie oder er wird jedenfalls einen älteren Bruder, Fabio (7), und eine ältere Schwester, Coco (2), haben. Ein italienischer Vorname könnte sich ausgehen und würde passen, schließlich stammt ein Pederzolli-Großvater aus dem Trentino.

Das Leben damals war weitgehend unbeschwert. Mit 15 hat sich Nici zum ersten Mal auf ein Snowboard gestellt, bald ist sie ordentlich gefahren und vor allem gesprungen, die Halfpipe wurde ihr zweites Zuhause. Noch während sie zur Schule ging, bekam Pederzolli die ersten Sponsoren, eine Profikarriere war naheliegend. Die Innsbruckerin wurde in einer Zeit groß, da die Snowboarder um ihre Eigenständigkeit kämpften. Die Skiverbände sowohl auf österreichischer (ÖSV) wie auf internationaler Ebene (FIS) hatten den Trend unterschätzt und die Entwicklung verschlafen. Die Snowboarder organisierten sich selbst in der Austrian Snowboard Association (ASA) und der International Snowboard Federation (ISF), Pederzolli war da wie dort Vorreiterin und Aushängeschild.

Verbandsquerelen

Das Ende dieser Geschichte ist bekannt. Das IOC sprach Snowboarden dem Skisport zu. FIS und ÖSV lieferten die Struktur für die neuen olympischen Disziplinen, damit war die Qualifikation für die Spiele nur über Rennen der Skiverbände möglich. Finanzielle Turbulenzen in den Snowboardverbänden kamen noch dazu. Viele Snowboarder fühlten sich hin-und hergerissen. "Wir waren eine Zeitlang sehr rebellisch", sagt Pederzolli-Rottmann heute. "Wir hatten ja das Gefühl, man nimmt uns unsere Sportart weg. Es war richtig und gut, sich auf die Beine zu stellen und sich zu wehren."

Im Lauf der Zeit hat sich einiges relativiert. Pederzolli-Rottmann ist seit vier Jahren im Ausbildungsreferat Snowboard tätig, das dem ÖSV untersteht - Büroarbeit, die sich von daheim erledigen lässt. Daheim, das ist eine Wohnung am Innsbrucker Stadtrand. Nici hat es nicht weit zu ihrem Lieblingsspot, der Seegrube. Dort wie in anderen Wintersportgebieten ist längst festzustellen, dass das von der FIS focierte Alpinboarden eher keine Zukunft haben wird, die Junghüpferinnen und Junghüpfer stehen weder auf harte Schuhe, noch wollen sie durch Tore fahren.

Spezialistin mit Klasse

Pederzolli war zwei Jahre lang Allrounderin (Alpin, Boardercross und Freestyle), konzentrierte sich nach ihrem vierten Platz bei der WM 1994 in Ischgl lieber auf die Halfpipe, wurde Weltklasse. Allein bei Olympia wollte es nicht ganz klappen. Bei der Premiere 1998 (Nagano) verfehlte sie als Neunte ganz knapp das Finale der besten acht, 2002 (Salt Lake City) wurde sie Siebente. Nicht wenige hatten ihr, die in dieser Saison viermal im Weltcup siegte und die Gesamtwertung gewann, eine Medaille zugetraut. "Doch der siebente Platz war keine Niederlage, der war schon okay", sagt sie. "Es war eine ganz schwierige Zeit für mich, mein Papa lag im Sterben."

Im September 2002 und in Chile riskierte sie wieder einen Abstecher zum Boardercross, die Folge war ein Kreuzbandriss im Knie. Pederzolli hatte schon einen Operationstermin, beschloss aber, den Eingriff zu verschieben. "Knorpel und Meniskus waren heil, ich hab eine Chance gesehen, es zur WM zu schaffen." Die WM stieg im Jänner 2003 und daheim, auf dem Kreischberg in Murau. Und Pederzolli schaffte es nicht nur dabei zu sein, sondern schaffte Silber. Nur die Französin Dorianne Vidal war nicht zu schlagen. Nach der WM ließ sich Pederzolli operieren, nach der Operation hängte sie noch eine Saison an. 2004 war, was die Wettbewerbe angeht, endgültig Schluss.

Seitdem ist nicht übermäßig viel Zeit vergangen, und doch hat sich viel getan. Die jungen Jumperinnen zeigen heute Tricks, von denen Pederzolli nur träumen konnte. Ihr seinerzeitiger Lieblingssprung in der Halfpipe, der McTwist, ein Vorwärtssalto mit Schraube, ist heute Standard. Pederzolli schaffte Rotationen bis maximal 540 Grad, drehte sich also eineinhalbmal um die Körperachse. "Einige Mädels jetzt haben schon 1080er drauf. Der Unterschied ist, dass die als Dreijährige schon auf dem Brett gestanden sind und nicht erst mit 15 begonnen haben."

Snowboardern wurde und wird eine gewisse Party-Lastigkeit nachgesagt. Der Tiroler Martin Freinademetz, der 1998 seine Olympia-Akkreditierung verlor, weil er sich ein bisserl aufgeführt hatte, und der Kanadier Ross Rebagliati, der 1998 vorübergehend seinen Olympiatitel verlor, weil er sich eingeraucht hatte, transportierten dieses Image. Rebagliati hat die Goldene übrigens zurückerhalten, weil Marihuana doch nicht auf der Dopingliste stand, und Pederzolli geht davon aus, "dass in jeder Sportart manchmal g'scheit gefeiert wird, wenn der Zeitpunkt passt".

Nicht rasten, nicht rosten

Nach ihrem Rücktritt hat Nici, die eigentlich Nicola heißt, ihr Studium der Sportwissenschaften abgeschlossen, die Prüfung zur staatlichen Snowboardlehrerin bestanden, Snowboardcamps für Kinder organisiert und gemeinsam mit ihrem Mann ein Buch geschrieben, Snowboard Freestyle Trick-Manual. Alex Rottmann, mit dem einstigen Biathleten nicht verwandt, war selbst Boarder, vor allem aber Trainer, in Österreich und in Deutschland. 2010 gründete das Paar seine eigene Event-Agentur P+R Event Consult. 2006 haben Nici und Alex geheiratet, tags darauf wurde Fabio getauft.

"Wir sind immer noch viel unterwegs", sagt Nici Pederzolli-Rottmann. Und zwar nicht selten mit einem Campingbus. Trotz der Kinder, mit den Kindern. So reist die Family sommers zum Windsurfen bis nach Griechenland und in die Türkei, aber auch winters zum Snowboarden. "Die Reiselust und das Fernweh bleiben einem immer", sagt Pederzolli-Rottmann. Klarerweise wachsen die Kinder in diesem Umfeld sportlich auf, Fabio steht schon ausgezeichnet auf dem Snowboard, Coco wird wohl diesen Winter zum ersten Mal draufgestellt.

Nici und Alex wechseln sich ab. Wenn sie surfen geht, bleibt er mit den Kindern am Strand. Und umgekehrt. Wenn er mit Fabio boarden geht, gehen die anderen mit der Rodel spazieren. Und umgekehrt. Manches ändert sich, manches nicht. Wegen Fabio ist Nici kurz auf Ski umgestiegen, weil sich Skifahrer am Schlepplift mit einem Kleinkind leichter tun. "Aber prinzipiell gilt, was immer gegolten hat", sagt Nici Pederzolli-Rottmann. "Ich bin durch und durch Snowboarderin." (Fritz Neumann, DER STANDARD, 19.8.2013)