Wien - Im letzten Stock der neuen OMV-Zentrale in der Wiener Krieau wurde es öffentlichkeitswirksam bekanntgegeben. Der heimische Öl- und Gaskonzern erwirbt Nordsee-Beteiligungen um 2,65 Milliarden Dollar (1,99 Milliarden Euro). Verkäufer des Pakets ist der norwegische Ölkonzern Statoil, der aber auf Eigentümerseite zu weiten Teilen weiter das Heft in der Hand hält. Den Kaufpreis will die OMV aus Barmitteln stemmen, weder Kredite noch eine Kapitalerhöhung seien von Nöten. Schon 2014 sollen so "500 Millionen Dollar" mehr Ergebnisbeitrag herausschauen und ab 2017, wenn wieder Barmittel frei sind, sollen die Nordsee-Profite die Expansion am Schwarzen Meer vorantreiben, sagte OMV-Chef Gerhard Roiss vor Journalisten. Dort hat man einen großen Gasfund gemeldet und bereits für 2014 Bohrungen geplant.
Die OMV rechnet dabei mit einem Ölpreis von 100 Dollar pro Barrel. 2012 hat der Konzern täglich 300.000 Barrel gefördert, bis 2021 sollen es durch die Zukäufe und organisches Wachstum 450.000 Barrel werden.
Beobachterrolle
Roiss ist davon überzeugt, dass man mit der Ausbeutung von Öl- und Gasfeldern viel mehr Geld machen könne als mit der Produktion nachgelagerter Aktivitäten wie eben dem Tankstellen- oder zum Teil auch dem Raffineriegeschäft: "Im Retail verdienen sie fast Null."
Dass er in der Nordsee nur Juniorpartner von Statoil, Shell oder Chevron ist, stört ihn nicht. Die OMV gefalle sich in der Beobachterrolle, nur so könne man das Know-how der Statoil in Sachen Öl- und Gasgewinnung auf hoher See anzapfen, sagte Roiss. In die Partnerschaft bringt man wiederum die Erfahrung, aus Lagerstätten das Optimum herauszuholen, ein. Das habe man im Weinviertel gezeigt.
Sichere Karte
Die laut OMV größte Industrieinvestition Österreichs wurde an der Börse verhalten aufgenommen (siehe Marktberichte). Positiv wird der Kauf von der Raiffeisen Centrobank (RCB) gesehen. Das Projekt folge der Konzernstrategie, auch von Finanzierungsseite her sei der Zukauf machbar, meint Analyst Oleg Galbur.
Einen Zusammenhang zwischen dem Nordsee-Deal und dem gescheiterten Nabucco-Projekt sieht er nicht. Als Vorteil wertet Galbur auch die politische Stabilität in Europa. Diese sei etwa in "anderen Regionen, in denen die OMV fördert" nicht gegeben. Er dürfte dabei an Libyen, Tunesien oder den Jemen denken, wo die OMV gerade für ein Ölfeld bietet. OMV-Chef Roiss bestätigt das. Der Nahe Osten sei nicht stabil. Das heiße aber nicht, dass man dort, etwa im Jemen oder im Nordirak, das Engagement zurückfährt, aber der Fokus liege ganz klar auf der Nordsee und am Schwarzen Meer.
Versorgung gesichert
Konkret erwirbt die OMV 19 Prozent am produzierenden Öl- und Gasfeld Gullfaks und 24 Prozent am Öl- und Gasentwicklungsprojekt Gudrun auf der norwegischen Kontinentalplatte sowie 30 Prozent an der Ölfeldentwicklung Rosebank und rund 5,88 Prozent am Ölfeld-Neuentwicklungsprojekt Schiehallion in Großbritannien (westlich der Shetlandinseln).
Die Vorräte teilen sich in 70 Prozent Öl und 30 Prozent Gas. Konzernchef Roiss freut sich auch auf den hohen Gasanteil. Damit entspreche man dem Ziel, europäisches Gas in Europa und daher auch in Österreich zu verkaufen. Damit dürfte er auch dem Wunsch der OMV-Eigner, darunter befindet sich die Republik, entsprechen und die Abhängigkeit von russischem Gas reduzieren.
Zum Kaufpreis kommt noch eine Zahlung in Höhe von 500 Millionen Dollar für die Betriebskosten des bereits laufenden Projekts Gullfaks hinzu. Das Ölfeld wird rückwirkend per Anfang 2013 übernommen. Alle anderen Ölfelder befinden sich knapp vor dem Start (Gudrun) oder im Entwicklungsstadium (Rosebank, Schiehallion).
Mit dem Zukauf setzt die OMV einen wichtigen Schritt, bis 2016 die geplante Fördermenge von 350.000 Barrel pro Tag zu erreichen. Das norwegische Energieministerium und das norwegische Finanzministerium müssen der Vereinbarung noch zustimmen.
Strategische Partnerschaft
Finanzieren wollen die Wiener den Zukauf aus dem laufenden Geschäft und durch Verkaufserlöse aus dem Raffinerie- und Tankstellengeschäft. Das Unternehmen hat sich von Tankstellen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina getrennt und plant einen Verkauf seiner Beteiligung an einer Raffinerie in Süddeutschland. Die Barmittel lagen im ersten Halbjahr 2013 bei 1,6 Milliarden Euro.
Die Erträge aus dem laufenden Nordsee-Geschäft sollen plangemäß die Expansion in der Schwarzmeer-Region ab 2017 antreiben. Die OMV ist ja nicht nur an den "vier Riesenteilen" beteiligt, wie Produktionsvorstand Jaap Huijskes die Zukäufe benennt. Sie ist auch bei den weiteren, teils mit pompösen Titeln bezeichneten Offshore-Lagerstätten Edvard und Grieg (geplanter Produktionsstart 2016), Aasta und Hansteen (ab 2017), Zidane und Jackdaw (ab 2018) sowie Cambo und Tornado (ab 2020) beteiligt. Spätestens 2021 sollen so 150.000 Fass Öl zusätzlich für die OMV herausschauen.
Darüber hinaus haben sich OMV und Statoil auf eine optionale Beteiligung an elf von Statoils Explorations-Lizenzen auf den Färöer Inseln, westlich der Shetlandinseln und in der norwegischen Nordsee geeinigt. OMV ist seit 2006 in Norwegen aktiv. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 19.8.2013)