Wien - Ein unglücklich verliebter Bäckerlehrling stürzt sich in den Ziehbrunnen, fällt auf einen Haufen ekeligen Gewürms, hackt dem dort ebenfalls knotzenden Basilisken den Kopf ab und kehrt mit der Trophäe siegreich auf die Erdoberfläche zurück. Für diese Art Geschichten braucht es die Mittel des Films - oder des Figurentheaters.
Richard Teschner (1879- 1948), Künstler aus Prag und ab seinem dreißigsten Lebensjahr in Wien tätig, hatte eine Vorliebe für Fantasy-Geschichten mit erotischer Schlagseite. Dafür entwickelte er ein ungewöhnliches, technisch höchst raffiniertes Puppenspiel, das ihn Anfang des 20. Jahrhunderts neben Paul Brann und Ivo Puhonný zu einem Erneuerer des Figurentheaters machte.
Teschners Interesse am Figurentheater war bildnerisch motiviert. So war sich der gut vernetzte Künstler, der als Grafiker und Designer auch bei den Wiener Werkstätten tätig war, schon früh darüber im Klaren, dass es verkehrt sei, mit den Mitteln des Figurentheaters das Schauspielertheater nachahmen zu wollen. Wenig Realismus, viel Magie war seine Devise. Teschner hat dafür den sogenannten Figurenspiegel erfunden, eine Technik, bei der Stabpuppen in einem Hohlspiegel mit Lichteffekten agieren und so ein intimes, von minimalistischen Klängen begleitetes, entschieden wortloses Spiel ergeben. Die menschliche Stimme erschien Teschner für diese Form "bewegter Malerei" unpassend.
Geruch von Schwefel
Für diese trickreichen Bühnenbilder hat Teschner wie in einem Labor experimentiert. Einen Einblick in dieses Schaffen gibt derzeit die Ausstellung Mit diesen meinen zwei Händen. Die Bühnen des Richard Teschner im Österreichischen Theatermuseum, kuratiert von Kurt Ifkovits und Ivan Ristic, gestaltet von Gerhard Veigel. Teschner ließ etwa die sichtbaren Effekte chemischer Reaktionen live projizieren, um geheimnisvoll wabernde Hintergrundbilder zu erhalten. So wie heute im DJ-Club.
"Harnstoff", so führt der Wiener Puppenspieler Klaus Behrend im Video aus, "kristallisiert so schön wie Eiskristalle". Und so überzieht beispielsweise ein aus Kristallmuster wachsendes Bild düstere Szenen. Die Geruchsbelästigung hält sich in Grenzen, höchstens hinter der Bühne wird man hie und da Schwefel gewahr, so Behrend.
Von dieser geheimnisvollen Bildgebung lebt beispielsweise das schwülstige Stück Traum im Karneval (1930, auch als Film): Ein Galan und seine Angebetete werden von drei Männern beim Turteln gestört, woraufhin die Dame nächtens im Traum einer Verfolgungsfantasie erliegt. Mit polarisiertem Licht hat Teschner hier schummrige Traumbilder erzeugt.
Anfangs hat Richard Teschner nur javanische Stabpuppen verwendet (viele der Motive gehen auch auf javanische Sagen zurück), später auch andere, jede Einzelne höchst edel gebaut und bekleidet. Zwischen 1912 und 1948 hat der Puppenbauer 140 Figuren entworfen, die derzeit nach und nach restauriert werden (mit Patenschaften versucht das Theatermuseum die Kosten dafür zu decken).
Teschner konnte dank seiner Gattin Emma Bacher, einer Fabrikantenwitwe, ein finanziell unabhängiges Leben führen, und kam durch sie auch mit Gustav Klimt in Kontakt (von dem er sich dann die Künstlerkittel-Mode abgeschaut hat).
Dass es ihm an politischer Sensibilität mangelte, er mit Leni Riefenstahl Filmpläne wälzte und gar einen "Ehrenabend für die NSDAP" veranstaltete, dämmte in späteren Jahren seine Wirkmacht ein. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 20.8.2013)