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Immer wieder werden Badegäste zu Zeugen und Helfern von Flüchtlingen, die mit alten Booten den Süden Europas erreichen wollen und dabei in Not geraten.

Foto: APA/epa/Cilmi

Der Kaufmann Salvo Stivala aus Catania kam am Ferragosto-Feiertag schon früh an den Strand von Morghella an der Südspitze Siziliens. Seine Familie breitete ihre Handtücher aus und legte sich geruhsam in die Sonne. "Da lief plötzlich 40 Meter von uns entfernt dieses Schiff auf Grund. Es herrschte große Aufregung", schildert Stivala die Situation.

Die Badegäste bildeten eine Menschenkette, schleppten Schlauchboote heran, stützten erschöpfte syrische Frauen, nahmen weinende Kinder in die Arme, versorgten die Ankömmlinge mit Wasser und Obst. "Bilder, die unserem Land Ehre machen", lobte Staatspräsident Giorgio Napolitano. Der Bürgermeister von Portopalo di Capo Passero kann mit diesem Lob wenig anfangen. Er weiß nicht, wo er die 163 aus Syrien und Ägypten stammenden Migranten unterbringen soll: "Wir verfügen über acht chemische Toiletten und sonst nichts." Das Aufnahmelager in Syrakus ist restlos überfüllt."

26.000 seit Jahresbeginn

Die Küsten Süditaliens sind in diesen Wochen Ziel einer beispiellosen Flüchtlingswelle: 10.000 Migranten allein in den vergangenen sechs Wochen, 26.000 seit Jahresbeginn. Die EU-Organisation Frontex zählte in sieben Monaten 12.500 Flüchtlinge in Süditalien - das Doppelte des Vorjahres. Dagegen ist der Flüchtlingsstrom von der Türkei nach Griechenland auf ein Drittel gesunken.

Geändert hat sich auch die Strategie der Schleuserorganisationen. Sie laden ihre menschliche Fracht auf "Mutterschiffe", die alte Boote im Schlepptau führen. Vor Erreichen der Küste werden sie darin ausgesetzt. Die Schleuser, die pro Person 5000 US-Dollar kassiert haben, setzen sich rasch ab. Auch das am Strand von Morghella gestrandete Schiff wurde von Wind und Strömung dorthin getrieben. Unter den Flüchtlingen steigt die Zahl der Syrer - die Schleuser wissen, dass Italien sie nicht ins Kriegsgebiet zurückschicken kann.

Zudem will ein Großteil der Migranten nach Frankreich, Deutschland und Schweden. Premier Enrico Letta nimmt jetzt die EU ins Gebet: "Der Flüchtlingsstrom ist kein italienisches, sondern ein europäisches Problem."

Protestaktionen und Hungerstreik

In Modena, Görz, Cotone und Catania kam es zu Protestaktionen und Hungerstreiks der Insassen. Die Polizeigewerkschaft klagt über die "unhaltbare Situation" und appelliert an die Regierung, die "absurde Aufenthaltsdauer" zu reduzieren. Bisher können Flüchtlinge bis zu 18 Monaten in den Lagern festgehalten werden.

In Catania, wohin sich bisher noch kein Flüchtlingsboot verirrt hatte, kamen vor wenigen Tagen sechs Männer ums Leben. Sie gehörten zu erschöpften Flüchtlingen, deren Schiff vor dem beliebten Badestrand auf Grund gelaufen war. Die aus Ägypten und Syrien stammenden Migranten ertranken in dem nur drei Meter tiefen Wasser vor dem Lido Verde.

Während die Leichen mit Plastikplanen bedeckt wurden, gingen nur wenige hundert Meter entfernt die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen zu einem Bummel von Bord. Einer der Toten war ein 27-jähriger Ägypter, der bereits vier Mal in sein Land abgeschoben worden war. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, 20.8.2013)