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Gratis-HPV-Injektionen sind kein Allheilmittel: Die Krebsprävention muss viel umfassender erfolgen.

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Zechmeister-Koss: Diskussion ist viel zu unsachlich. 

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Jetzt haben wir sie endlich auch in Österreich - die Gratis-HPV-Impfung. Und alle - inklusive der anfänglich Zögernden - sind glücklich; nicht nur der Gesundheitsminister, sogar der Exverteidigungsminister und diverse Frauenorganisationen der Parteien sind stolz darauf, etwas für die Frauen getan zu haben; denn nicht nur wird Österreich - so der Tenor der Medienbeiträge - in naher Zukunft frei von Gebärmutterhalskrebs und all seinen Vorstufen sein, nein, es wird auch kaum mehr Kopf-Hals-Tumoren geben, und das Übel der lästigen Genitalwarzen ist ebenfalls endlich beseitigt. Und davon profitieren auch die Männer.

Dass der Qualitätsjournalismus in diesen Jubel unkritisch einsteigt, Daten und Fakten sinnverfälscht präsentiert, ist weniger erfreulich. Ja, die HPV-Impfung reduziert hochwirksam jene HPV-Infektionen, die durch vier von mehr als hundert Human-Papilloma-Virustypen hervorgerufen werden. Die Folgen einer solchen Infektion, die jedoch keineswegs immer auftreten (Genitalwarzen, Krebsvorstufen, Gebärmutterhalskrebs und einige weitere Krebsarten), werden dadurch auch seltener auftreten; aber bis wir wirklich 70 Prozent (von derzeit 380 Neuerkrankungen jährlich) weniger Gebärmutterhalskrebsfälle in Österreich erwarten können, werden etwa hundert Jahre vergehen, und auch dann wird der Erfolg nur eintreten, wenn wir eine hohe Durchimpfungsrate erreichen und keine ungeimpften Menschen nach Österreich zuziehen.

Angstschürende Zahlen

Bis dahin sterben weiterhin Frauen unnötig an Gebärmutterhalskrebs, weil vor lauter Begeisterung über die Impfung die Qualitätsverbesserungspotenziale bei der Krebsfrüherkennung ignoriert werden. Woher die im STANDARD vom 14. August zitierten jährlich 700 durch Impfung vermeidbaren Fälle stammen, ist hingegen unbekannt und bei derzeit nur 380 neuen Krebsfällen pro Jahr völlig unsinnig.

Um der anderswo beobachteten Impfmüdigkeit bei der HPV-Impfung gleich vorzubeugen, ist jedes Mittel recht. Auch Halbwahrheiten sind erlaubt. So wurde in einem "ZiB 2"-Beitrag die geringe Inanspruchnahme der Masernimpfung betont und von einer 30-prozentigen Sterblichkeit bei Masern-Enzephalitis berichtet. Wie häufig eine Enzephalitis bei Masern überhaupt vorkommt, war nicht Gegenstand des Beitrags. Und so häufen sich die angstschürenden Zahlen, mit denen Menschen von der Impfung überzeugt werden sollen, während ausgewogene Beiträge kaum zu finden sind.

Frage nach der Gesamtpräventionsstrategie

Dass die Kosten für die Impfung nun wesentlich geringer als die nach dem ursprünglichen Preis erforderlichen 24 Millionen Euro jährlich sein werden, ist zumindest erfreulich. Ob mit diesem Geld anderswo mehr für Frauen getan werden könnte, sei es bei der Verbesserung der Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses, die einen wesentlich schnelleren gesundheitlichen Nutzen für die Frauen hätte, bei der Bekämpfung erheblich häufigerer Krebsarten oder in ganz anderen Bereichen - etwa bei der professionellen Entlastung gratis pflegender Frauen -, wurde weder politisch noch in den Medien diskutiert.

Fest steht, dass die Einführung der HPV-Impfung erst der Beginn einer bisher völlig fehlenden Diskussion sein kann: nämlich jener, wie unter den neuen Bedingungen eine adäquate Gesamtpräventionsstrategie zum Gebärmutterhalskrebs aussehen soll. Nur die Impfung einzuführen und das Screening unverändert zu belassen ist nicht nur unverantwortlich für die betroffenen Frauen, sondern auch aus ökonomischen Gründen nicht akzeptabel. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Thema auch nach der Wahl - und dann hoffentlich sachlicher - weiterbehandelt wird. (Ingrid Zechmeister-Koss, DER STANDARD, 21.8.2013)