
So soll Ubuntu Edge aussehen - derzeit ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass das Gerät auch tatsächlich produziert wird.
Es ist eines der derzeit ambitioniertesten Unterfangen in der Mobilfunkbranche: Mit Ubuntu Edge will der Softwarehersteller Canonical sein eigenes Smartphone produzieren. Zur Finanzierung hofft man auf die Kraft der Community und setzt sich ein äußerst ambitioniertes Ziel: 32 Millionen US-Dollar sollen per Crowdfunding zusammengetragen werden.
Hoffnungen
Mit diesem Geld will man die erste Auflage eines Smartphones produzieren, das die Konvergenz zwischen Mobiltelefon und Desktop einläuten soll. Einmal an einen externen Monitor angehängt, soll sich Ubuntu Edge in einen vollständigen Desktop-Rechner verwandeln. Als Betriebssystem setzt man dabei auf zwei Wege, neben dem eigenen "Ubuntu Phone" soll auch Android angeboten werden.
Realitätscheck
Einen Tag vor dem Auslaufen der Kampagne ist man zwar weit vom Crowdfunding-Ziel entfernt. Mit dem aktuellen Finanzierungsstand von mehr als zwölf Millionen US-Dollar stellt man trotzdem neue Rekorde in diesem Bereich auf und demonstriert so, dass es sehr wohl noch signifikantes Interesse an neuen mobilen Betriebssystemen gibt.
Positive Sicht
Kein Wunder also, dass Jono Bacon, Community Manager von Ubuntu, die Kampagne auch im Fall eines Scheiterns als Erfolg sieht. Im Interview mit dem WebStandard betont er denn auch, dass mit einem Scheitern von Ubuntu Edge keineswegs das Ende von Ubuntu Phone einhergeht. Die Kampagne hat das Interesse an einer solchen Lösung eindrücklich vermittelt - und nicht zuletzt viel Aufmerksamkeit auf Ubuntu Phone gelenkt.
derStandard.at: In den Erläuterungen zu Ubuntu Edge heißt es, dass Canonical im Falle eines Scheiterns der Crowdfunding-Kampagne seine Anstrengungen in Richtung Bereitstellung von Ubuntu Phone für "kommerziell erhältliche Smartphones" verschieben will. Angesichts dessen, dass - zumindest derzeit - nur ein sehr kleiner Teil der Konsumenten ein eigenes Betriebssystem auf einem Smartphone installiert, scheint das finanziell keine sonderlich tragbare Strategie zu sein. Ist die Ubuntu-Edge-Kampagne insofern der entscheidende Moment für Ubuntu Phone?
Bacon: Nein, das ist sie nicht. Uns waren von Anfang an einige wichtige Faktoren in der Mobiltelefonindustrie klar. Zunächst: Aus einer Hardwareperspektive ist das eine sehr langsame Industrie. Ein Gerät braucht vom Entwurf bis zur Verfügbarkeit im Geschäft sehr lange. Zudem verfügen wir noch über eine ziemlich bahnbrechende Technologie, mit der wir einen vollen Desktop auf einem Telefon starten können. Das setzt natürlich eine gewisse Hardware voraus. Und uns war natürlich klar, dass nicht viele Hersteller bereits die nötige Weitsicht haben, um ein solches Gerät zu bauen. Also wollten wir einen Weg finden, um die Innovation voranzutreiben und zu zeigen, was sich alles mit so einer Kombination aus Desktop und Smartphone machen lässt.
Crowdfunding war dafür der richtige Weg. Nicht nur, dass daraus potenziell ein konkretes Gerät resultieren könnte, ermöglicht es auch, die Branche über aktuelle Innovationen und Ubuntu zu informieren. Insofern: Falls die Kampagne scheitert, wird es zwar kein Ubuntu Edge geben, aber die restlichen Aktivitäten rund um Ubuntu Phone, die Zusammenarbeit mit den Herstellern und Netzbetreibern, gehen natürlich weiter. Ubuntu Edge war nur ein Pfeil in unserem Köcher.
derStandard.at: Vor der Ubuntu-Edge-Kampagne wollten Sie zunächst die Hardwarehersteller davon zu überzeugen, selbst Geräte mit Ubuntu Phone zu produzieren. Warum hat das nicht funktioniert, und planen Sie diese Bemühungen wieder aufzunehmen?
Bacon: Die Gespräche mit den Hardwareherstellern sind weiterhin am Laufen. Diese unterliegen aber Geheimhaltungsabkommen, insofern kann ich dazu derzeit nichts sagen.
derStandard.at: Die Crowdfunding-Kampagne soll 32 Millionen US-Dollar zusammentragen. Wäre das überhaupt ausreichend, um sämtliche Herstellungskosten für Ubuntu Edge abzudecken, oder muss Canonical da noch eigenes Geld investieren?
Bacon: Dieser Betrag deckt die Herstellungskosten für die Geräte, aber nicht für die Softwareentwicklung. Das würde Canonical beitragen, um die Kosten möglichst niedrig zu halten.
derStandard.at: Als wie erfolgreiche würden Sie die Kampagne aus einer Marketing-Perspektive bewerten?
Bacon: Ich bin sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist. Es wurde sehr viel berichtet, auch in Bereichen, wo wir sonst weniger vorkommen, etwa bei CNN. Ich denke, der Grund dafür war weniger unser cleveres Marketing, sondern einfach das große Interesse an der Geschichte an sich. Es gibt einen gewissen "Appetit" nach solch einem Gerät, und ich habe auch das Gefühl, dass es der Presse gefallen hat, dass ein Start-up wie Canonical versucht, die Mobilbranche aufzumischen.
derStandard.at: Gab es bereits konkrete Gespräche mit Hardwareherstellern und -zulieferern für Ubuntu Edge oder sind die angegeben Spezifikationen eine reine Wunschliste?
Bacon: Wir haben bereits mit Lieferanten über die konkreten Preise für die aufgelisteten Spezifikationen gesprochen.
derStandard.at: Sie bewerben Ubuntu Phone als ein vollständig offenes mobiles Betriebssystem, das insofern "perfekt zum Basteln" sei. Kann man dieses Versprechen wirklich halten angesichts dessen, dass beispielsweise Grafiktreiber bei mobilen Geräten eigentlich immer proprietär sind? Endet man damit nicht erst recht wieder bei jenen Problemen, die Google mit seinen Nexus-Geräten hat, wo unlängst die schleppende Veröffentlichung der Binärtreiber zu einigem Ärger führte?
Bacon: Kommt darauf an, wie man "Basteln" definiert. Hier gibt es viele Ebenen, manche innerhalb und manche außerhalb unserer Kontrolle.
Mit Ubuntu bieten wir ein vollständig konvergierendes Betriebssystem, eine Entwicklungsplattform, ein SDK. Dadurch wird es möglich, Ubuntu auf so ziemlich jedem Gerät zu installieren und damit zu spielen. Ein Beispiel: Wir haben ein fantastisches Verhältnis zur XDA-Community, die Ubuntu bereits auf 45 unterschiedliche Smartphones portiert hat. 30 weitere befinden sich derzeit in der Entwicklung, von 21 verschiedenen Herstellern. Wir haben sehr gezielt mit XDA zusammengearbeitet und etwa deren erste Konferenz mitfinanziert, um bei der Portierung zu helfen, und dabei auch eigene Tools angepasst.
Es wird natürlich immer proprietäre Bestandteile und Firmware geben. Aber ich denke auch, dass die wenigsten am Basteln auf dieser Ebene interessiert sind. Sie interessieren sich dafür, das Betriebssystem anzupassen, eigenen Code zu schreiben und interessante Dinge auszuprobieren.
Ubuntu bietet dafür nicht nur die Plattform, sondern auch eine Community, die mitarbeiten will. Ein Beispiel: Unsere zwölf Kern-Apps, die mit Ubuntu Phone ausgeliefert werden, sind alle von der Community entwickelt. Mein Team macht zwar einen Teil des Projektmanagements und der Planung, aber die Community schreibt den Code. Wir glauben, dass unsere Community einer der wichtigsten Gründe ist, warum Dritthersteller und Netzbetreiber mit uns zusammenarbeiten wollen. Bei anderen Communitys ist es oft ziemlich schwer, den eigenen Code in den Hauptcode-Zweig einzubringen, diesen Fehler wollen wir bei Ubuntu nicht machen.
derStandard.at: Angesichts dessen, dass Ubuntu Edge als Dual-Boot-Smartphone mit Android vorgesehen ist: Warum sollte jemand Ubuntu Phone verwenden, wenn es unter Android doch so viel mehr Apps gibt?
Bacon: Ich würde allen dazu raten, sich selbst ein Bild zu machen. Ich denke, es gibt viele Gründe, warum Ubuntu Phone besser ist. Es hat die bessere Usability, ein hochqualitatives Interface und bessere Integration von Inhalten. Web- und native Apps sehen nicht nur gleich aus, sondern funktionieren auch so. Es gibt eine sichere "Sandbox" sowie hohe Performance.
derStandard.at: Sollen die zwei System vollständig separat laufen oder interagieren? Werden etwa Einstellungen oder Daten geteilt, oder müssen die NutzerInnen das alles zweimal vornehmen?
Bacon: Android und der Ubuntu-Desktop sollen interagieren. Als Beispiel: Der Ubuntu-Desktop soll Android-Apps starten können, die Android-Kontakte werden in die Desktop-Suche integriert, Dateien werden geteilt.
derStandard.at: Wird der Ubuntu-Desktop-Modus nur von der Ubuntu-Phone-Seite aus erreichbar sein, oder auch, wenn man gerade im Android-System ist?
Bacon: Er wird von Android-Seite aus nutzbar sein. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 21.8.2013)