In Odessa muss Markus Berger fleißig die Hanteln schupfen.

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Seinerzeit bei Coimbra: Auch ein Herr Falcao hat sich schon am Salzburger die Zähne ausgebissen.

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Früher, als die Haare noch wilder wuchsen.

 

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Seine eigenen Grenzen kennt Markus Berger mittlerweile bestimmt, der Mann ist ja kein Kind mehr. Die Grenzen Europas kennt er aber auch. Vielleicht wird er einmal ein Buch darüber schreiben. Vier Jahre kickte der Salzburger bei Academica Coimbra in Portugal, weiter an den Rand Europas geht es westwärts fast nicht mehr. Nach 71 Spielen und fünf Toren wechselte Berger 2011 in völlig entgegensetzter Himmelsrichtung nach Odessa. Die Hafenstadt in der Ukraine ist nur mehr unweit weg von dort, wo Asien anfängt.

Der schwärmende Berger

Odessa. Ein Wort und viele Gedanken an Meer, an die große Treppe und Spuren von Prunk. Markus Berger war freilich schon an der Freitreppe, dort wo "Panzerkreuzer Potemkin" gedreht wurde. Jener legendäre Stummfilm von Sergei M. Eisenstein, der an ein Blutbad gemahnt, das zaristische Truppen bei der Niederschlagung der russischen Revolution von 1905 anrichteten. "Die Stadt ist geprägt vom Krieg. Überall gibt es Denkmäler von Kriegshelden, in den Parks stehen Kanonen, Panzer. Das prägt Odessa." Berger gerät ins Schwärmen über die Altstadt, die Fassaden der Herrenhäuser, den Strand. "Der Sommer ist super hier, wir haben seit zwei Monaten angenehme 28 Grad."

Markus Berger ist freilich hauptsächlich zum Kicken hier, mit Tschornomorez Odessa kämpft der Innenverteidiger aktuell um den Einzug in die Europa-League-Gruppenphase. Gegen den albanischen Meister KF Skënderbeu Korça wurde das Hinspiel 1:0 daheim gewonnen. Odessa will die Hürde packen, ist gespickt mit Legionären wie die gesamte ukrainische Liga. Dabei wuselt es nur so von Brasilianern.

Kein Vergleich

Im Europacup zerlegen ukrainische Vereine österreichische in jüngster Vergangenheit regelmäßig. "Es reicht ein Blick auf die Marktwerte der Spieler. Schachtar Donezk holt einen Bernard um 25 Millionen Euro. Da kann kein österreichischer Verein mithalten", sagt Berger. Die "Premjer Liha" ist etatmäßig unter der den Top 10 der Welt. "Es wird viel Geld investiert, dabei kommt aber auch etwas heraus. Den Leuten taugt es, wenn sie einen richtigen Superstar in ihrem Team haben. Aber es müssen auch vier Ukrainer in der Startformation stehen."

Dass es auch anders geht, hat Obolon Kiew gezeigt. Mit dem geringsten Budget und einer Mannschaft, die ausschließlich aus jungen ukrainischen Spielern bestand, hielt man sich drei Jahre in der höchsten Liga. Berger: "Wir haben gegen Obolon locker gewonnen. Die haben super gekämpft, waren aber chancenlos. Selbst in Österreich spielt niemand mehr nur mit Eigenbauspielern.“

Nicht in Kollers Blickpunkt

Berger steht an den Rändern Europas nicht im Blickpunkt von ÖFB-Teamchef Marcel Koller, ist mit 34 Einsätzen aber immerhin Rekordspieler im U21-Nationalteam. In der Jugend kickte er bei Stuttgart und Frankfurt, mit Ried stieg er 2005 in die Bundesliga auf. Seiner letzten Einladung vom ÖFB folgte er zum damaligen Future-Team von Trainer Hans Krankl, das ist fast zehn Jahre her. "Meinen Traum vom Nationalteam habe ich aber noch lange nicht aufgegeben, ich will mich jetzt mit Leistungen gegen Topteams in der Europa League empfehlen. Mit 28 macht man keine sinnlosen Fehler mehr, weiß, was man kann und was man nicht kann. Ich hoffe, dass mir Herr Koller einmal eine Chance gibt, bei einem Lehrgang dabei zu sein, damit er sich persönlich ein Bild von mir machen kann."

Was er kann, hat er auch von seinem damaligen Trainer André Villas-Boas gelernt, bei Coimbra war Berger sogar manchmal Kapitän. Villas-Boas ist mittlerweile ein Star seiner Zunft, arbeitete bereits bei Chelsea und aktuell bei Tottenham. "Ihn kann man mit niemandem vergleichen. Das sag ich nicht nur wegen seiner späteren Karriere. Der hat eine Qualität als Trainer, da stimmt einfach alles. Ob Spieleröffnung, Pressing-Situationen am Flügel oder Stürmerverhalten, es wird jede Situation genau analysiert." Der portugiesische Spielstil ähnelt dem ukrainischen durchaus. Es werden kaum lange Bälle gedroschen, fast immer geht es um die spielerische Lösung einer Situation. Die ersten sechs Teams in der 16er-Liga spielen technisch höchst gepflegten Fußball, die letzten drei fallen total ab.

Hart, härter, Ukraine

Die meiste Zeit verbringt Berger im Trainingszentrum von Tschornomorez. "Hier herrscht eine andere Auffassung von Profialltag als in Portugal, ich bin topfit. Teilweise geht es um 9 Uhr in der Früh los und um 21 Uhr komme ich heim." Zwischen zwei Trainingseinheiten pro Tag glüht oft der DVD-Player, es wird videoanalysiert bis ins letzte Detail.

Auch der Alltag geht nicht an Berger vorbei: "Natürlich ist das verrückt, wenn man mit Einheimischen hier redet. Es gibt viel mehr Reiche als in Österreich und dann siehst du aber Leute, die im Müll stierln". Mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn wohnt der Salzburger in der Nähe von Arcadia. Das Strandviertel von Odessa war einmal weniger schick, inzwischen kostet der Quadratmeter dort 2.000 bis 3.000 Euro. Für Berger begleicht das freilich der Verein.

Bis in die Stadt unterhalb der Stadt hat er es noch nicht geschafft. Das Katakomben-Labyrinth aus Kalkstein, in dem sich sowjetische Partisanen im Zweiten Weltkrieg vor den Nazis versteckten, sind legendenbehaftet. Berger: "Odessa ist wie eine große Filmkulisse." (Florian Vetter, derStandard.at, 26.8.2013)