In einer Wiener Buchhandlung entdeckte ich vor dreieinhalb Wochen eine Postkarte mit folgender Aufschrift: "Mein Lieblingstier heißt Schnitzel. Es lebt in Wien. Das ist in Österreich."

Nun kommen Schnitzel auch woanders vor. Falsch ist es auch, Schnitzel als Tiere zu bezeichnen. Sie sind vielmehr Teile eines Tierkadavers. Richtig ist jedoch die Andeutung, heutige Menschen würden Kälbern und Schweinen fast nie im Freien begegnen, sondern nur auf dem Teller.

Die sogenannten "Nutztiere" leben heute fast immer in Tierfabriken. Dort aber ist der Platz eng, der Boden hart, die Lebensfreude gering und der baldige Tod im Schlachthof sicher. Wer Fleisch isst, setzt sich bewusst über Schmerz und Leid anderer fühlender Lebewesen hinweg, um kulturellen Gewohnheiten und individuellen Essleidenschaften zu frönen. Nach dem britischen Philosophen Stephen Clark stellt das Essen von Tieren deshalb überall dort, wo man sich vegetarisch und vegan ernähren könnte, nichts anderes dar als "gedankenlose Völlerei". Es sei ebenso wenig zu rechtfertigen wie Tierhetzen und Stierkämpfe.

Irritierende Fürze

Wem die Qualen von Tieren egal sind, weil er sein Schnitzel in Ruhe genießen will, den sollten zumindest die Fürze von Rindern und anderen Wiederkäuern irritieren und das nicht bloß olfaktorisch. Das dabei entweichende Methangas trägt nämlich deutlich mehr zur Erderwärmung bei als Kohlendioxid. Nach der von der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno, durchgeführten umfangreichen Studie "Livestock's Long Shadow" ("Der lange Schatten der Viehzucht", 2006) verursacht die weltweite Viehzucht insgesamt mehr Treibhausgase als der weltweite Verkehr mit Flugzeugen, Schiffen, Autos und Eisenbahnen zusammen. Sie vernichtet riesige Regenwaldgebiete, die abgeholzt werden, um Weideflächen für Rinder oder Anbauflächen für Futtermittel zu gewinnen, die in die sogenannte Erste Welt exportiert werden. Viehzucht reduziert Biodiversität und zerstört Ökosysteme.

Nach der FAO-Studie geht es um universale, ökologische und generationenübergreifende Gerechtigkeit. Deshalb sollten die exorbitanten externen Kosten der Viehzucht nicht länger von der Allgemeinheit, der Umwelt und den Nachgeborenen getragen werden. Subventionen für die industrielle Viehzucht sollten gestrichen werden, die Preise für Land und Wasser, Futtermittel und Fleisch sollten der Kostenwahrheit entsprechen.

Ist das kürzlich in London vorgestellte In-vitro-Fleisch ein möglicher Ausweg? Nicht wirklich, vor allem, weil man auf dessen kommerzielle Produktion noch viele Jahre lang warten wird müssen. Sinnvoller wäre es, auf die jetzt schon vorhandenen pflanzlichen Fleischalternativen wie Tofu, Seitan und Tempeh zurückzugreifen. Oder Quorn, eine Art fermentierter Schimmelpilz, der von der Konsistenz und vom Geschmack dem Tierfleisch sehr ähnlich ist. In Großbritannien ist Quorn in jedem Supermarkt erhältlich, in vielen anderen Ländern wird es ebenfalls angeboten.

In Österreich nicht. Das Lieblingstier der Österreicher heißt weiterhin Schnitzel. (Kurt Remele, DER STANDARD, 23.8.2013)