Obst auf Ziege, das ist immer eine delikate Angelegenheit - also nicht nur wenn vom feinen Käse der Goaß die Rede ist, sondern ganz besonders wenn die stolze Antwort auf das Kompliment "So eine hübsche Ziege!" lautet: "Danke. Ein echter Picasso." Sollten Kostverächter das auserlesene Stück allerdings in den Geschirrspüler räumen, ist das ein ziemlicher fetter Käse. In der Galerie Welz in Salzburg bekäme man aktuell zumindest Ersatz für die Ziege mit Profil: 23.000 Euro kostet das edle Tier (Auflage: 100).
Es liegt jedoch in der Natur der Keramik, dass sie immer auch auf ihre Funktion verweist; ihre Schönheit liegt irgendwie auch im Reiz des Benutzens. Jammerschade, wenn die schmucken Schüsseln und Teller in Vitrinen versauern. Aber selbst Sammler kostbarer, weil jahrhundertealter asiatischer Teeschalen nehmen diese ab und an in Gebrauch, weil sich erst so - im Taktilen - der Reiz des rohen und rustikalen Materials (im Vergleich zur Reinheit und Glätte des Porzellans) erschließt.
Auch Picasso schwebte ein täglicher Gebrauch seiner irdenen Werke vor: "Ich habe Teller gemacht, von denen man essen kann." Aber er wollte ja auch, dass sich jeder mit dem Kleingeld in der Hosentasche einen solchen Keramik-Picasso kaufen könnte. Die Realität sieht inzwischen anders aus. Bei den Preisen für Arbeiten des heißblütigen Spaniers ist man vielleicht doch besser beraten, einen kühlen Kopf zu bewahren und süße Früchtchen sowie insbesondere Blumen anderweitig zu wässern. Denn es sind Picassos in den 1950er-Jahren in Vallauris getöpferten Vasen und seine zarten Kleinplastiken (siehe Tabelle), die teure Scherben machen. Bei 960.630 Euro donnerte das Hämmerchen für Grand vase aux femmes voilées (1950) im Juni zum neuen Rekordwert auf das Pult von Christie's London. Die nur knapp 35 Zentimeter große Graue Eule (Le hibou gris, 1953) konnte ein Bieter 2008 bei Sotheby's New York für 667.930 Euro - vorsichtig! - nach Hause tragen.
"Eine aufregende und überraschend erschwingliche Möglichkeit, einen ganz eigenen Picasso zu besitzen", bietet sich laut Ruth Graham von Bonhams im Herbst in London. Im Rahmen der Impressionist and Modern Art Sales am 23. Oktober bietet man Keramikeditionen (Replika, "empreinte originale" aus Formpressen oder "poinçon originale", Prägungen von Original-Linolschnitten) zu Schätzwerten von 500 bis 800 und 4600 bis 7000 Euro an, allesamt jedoch mit den typischen, aus dem malerischen OEuvre bekannten und verspielten Picasso-Sujets: Tiere (Tauben, Eulen, Fische, zudem Faune), Stierkampfszenen, Mythologisches sowie Gesichter.
Schon bevor Picasso sich 1948 in Vallauris unweit der Côte d'Azur niederließ, wo wegen reicher Tonvorkommen seit der Antike Keramik produziert wird, hatte er - 1946 bei einem Ausflug in die Töpferei Madoura - für die keramische Technik (und auch für Jacqueline Rocque, seine letzte Ehefrau) Feuer gefangen. Flexibilität des Tons und die Kombinationsmöglichkeit skulpturaler und bildlicher Mittel faszinierten ihn.
Die nächsten Jahre waren fast ausschließlich der Töpferkunst gewidmet; mehr als 3500 gebrannte Tonobjekte fertigt Picasso; er drehte, knetete und durchlöcherte das Material auf seine ganz eigene Art, presste das, was ihm gerade in die Hände fiel - stumpfe Bleistiftenden oder Maschendraht - in den weichen Ton.
Mann im Mond
Davon, wie unkonventionell Picasso gestaltete, zeugen in der Festspielausstellung bei Welz (bis 1. 9.) zwei Teller mit Gesichtern ( Visage, 1956, Auflage 100, 9800 Euro): Rudimentär in die monochrome Fläche gedrückte Vertiefungen und aufgequetschte Erhebungen lassen an die Kraterlandschaft des Mondes denken. Leuchtet dieser als vollrunde Scheibe hinab zur Erde, wähnt man auch auf ihr ein Gesicht zu erkennen.
Die preislich exklusiveren Delikatessen sind bei Welz jedoch die Druckgrafiken - Radierungen, Kupferstiche, Lithografien und auch Linolschnitte aus den Jahren von 1927 bis 1971. Nicht alle davon sind auch signiert, streng genommen also vom Künstler nicht autorisierte Blätter. Dass sogar diese wie etwa zwei Litho-Probedrucke zu Femme au Fauteuil (1948) mit 128.000 Euro preislich herausstechen, liegt laut Hubert Lendl an ihrer Rarität. Besonders lebendig sind späte (1968/69) zarte Radierungen aus der Welt der Gaukler und des Zirkus (ab 24.000 Euro).
An die Triumphe, die mit Picassos Grafiken bei Auktionen erzielt werden, reichen sie allerdings nicht heran: La femme qui pleure (1938) ist mit 3,18 Millionen Euro der Spitzenreiter (Christie's New York 2011), die anderen Rekorde (1,91 Mio. 2012 in Bern; 2,69 Mio. Euro heuer bei Sotheby's London) streicht das 100 Blätter umfassende Portfolio La Suite Vollard, das in den 1930er-Jahren entstandene Herzstück in Picassos grafischem Schaffen, ein, allesamt Werke, die zur Datierungszeit gedruckt und vom Meister signiert wurden. (Anne Katrin Feßler, Album, DER STANDARD, 24./25.8.2013)