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Die Agenda Austria will neue Ideen nach Österreich bringen.

Foto: dpa/Lübke

"Vor der Wahl wird es noch eine größere Überraschung geben", kündigte Franz Schellhorn am Freitag vor Journalisten an. Der ehemalige Vize-Chefredakteur und Wirtschaftschef der "Presse" hat genug vom Zeitungmachen. Geht es nach ihm, stellt er jetzt Ideen her. Die Produktion soll in der neu gegründeten Agenda Austria stattfinden.

Dort will er gemeinsam mit einem jungen Team Ideen liefern, "um Unternehmen auch 'unternehmen' zu lassen", wie das Institut sich auf die Fahnen schreibt. Laut Schellhorn ist es das "erste von Staat, Parteien und Interessen unabhängige Institut Österreichs". Darauf ist er stolz. Es gibt keine Förderungen vom Staat, das Geld kommt von Unternehmern, Privatpersonen und Stiftungen. "Eine Million Euro pro Jahr ist unser Ziel. Wir nehmen aber auch gerne mehr", sagt er.

Markt versus Staat

Schellhorn (44) ist in den vergangenen Jahren vor allem mit seiner wöchentlichen "Presse"-Kolumne "Supermarkt" aufgefallen. Wer sie kennt, weiß auch in etwa, in welche Richtung es bei der Agenda Austria geht. Schellhorn gilt als Kritiker der "Staatsgläubigkeit" der Österreicher, in vielem sieht er private Initiative, also den Markt, als überlegene Lösung. Mit Studien und Publikationen will sein Institut jetzt die öffentliche Meinung beeinflussen. Die Schwerpunkte: der Staat und die Wettbewerbspolitik, aber auch Themen wie Bildung und Migration.

"Wir haben einen marktwirtschaftliche Zugang", sagt Philipp Geymüller, einer der Ökonomen an Bord. Mit seinen 34 Jahren ist er auch der Älteste im Team. Zwei wissenschaftliche Mitarbeiter gibt es noch, sie sind 26 beziehungsweise 29 und haben ihrem Alter entsprechend kaum Erfahrung mit wissenschaftlicher Arbeit. In Summe sollen aber inklusive Verwaltung bald acht Leute angestellt sein.

Schellhorn gibt Ton vor

"Die Grundausrichtung kommt von Schellhorn", erzählt Geymüller, der in den vergangenen Jahren bei einem Unternehmensberater tätig war. "Wir arbeiten hauptsächlich wissenschaftlich", sagt Leiter Franz Schellhorn. Geymüller, der an der WU promoviert hat, meint: "Es ist keine reine Wissenschaft. Wir arbeiten für ein breiteres Publikum." An der ersten Studie werde schon gearbeitet. Sie soll vor der Wahl noch einmal für Aufmerksamkeit für das Institut sorgen. Das Thema will man aber noch nicht verraten.

Zu seiner beruflichen Veränderung vom Journalisten zum Institutsleiter sagt Schellhorn, die Zeitung sei ihm "nicht zu fad geworden". Jetzt habe er aber viel mehr Zeit, sich Themen ausführlich zu widmen. Ob er Sonntagskolumne weiterführt, steht noch nicht fest. "Die 'Presse' will es. Ich weiß nicht, ob das mit meiner jetzigen Arbeit zusammenpasst." Auf die Frage, ob er denn jetzt zumindest besser verdienen würde, antwortet er schmunzelnd: "Ich wäre ein schlechter Ökonom, wenn ich mich schlechterstellen würde."

Österreich ist anders

In den USA ist es längst Usus, dass private Thinktanks "Denkarbeit" leisten. Besonders einflussreich sind die liberale Brookings Institution und die konservative Heritage Foundation. "Österreich hat hingegen eine lange Tradition, dass das halböffentliche Institutionen machen", sagt der Politologe Peter Filzmaier.

Ob das Geld vom Staat oder von reichen Menschen komme, sei relativ egal, so Filzmaier. "Beides hat seine Vor- und Nachteile, beides ist ein Kampf um Unabhängigkeit - auch wenn in den USA die Thinktanks oft für politische Strategien missbraucht werden." Österreich sei aber ein Spezifikum. "Vieles kommt bei uns von Interessenvertretungen wie der Arbeiter- oder der Wirtschaftskammer", so Filzmaier.

IHS und WIFO bekommen private Konkurrenz

Neben den Kammern sind bei Wirtschaftsthemen vor allem das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und das Institut für Höhere Studien (IHS) aktiv. Die sehen das mit der Agenda Austria als "einziger unabhängiger Institution" naturgemäß etwas anders. "Wir sind erstens ein Forschungsinstitut. Das ist etwas ganz anderes", sagt WIFO-Chef Karl Aiginger. "Außerdem haben wir 15 Institutionen und 15 Privatpersonen, die uns fördern. Schellhorn ist vielleicht von 15 Personen abhängig." Weil das WIFO "alle an Bord" habe, gehe die Unabhängigkeit viel tiefer.

Auch IHS-Chef Christian Keuschnigg sieht staatliche Gelder nicht als Gefahr für Abhängigkeiten, im Gegenteil: "Wir bekommen ja deshalb öffentliche Unterstützung, damit wir von privaten Interessen unabhängig sind. Die Agenda Austria ist vielleicht von öffentlichem Geld unabhängig, hat aber eine klare Positionierung. Da werden auch Interessen von Geldgebern vertreten." Private Konkurrenz befürwortet er aber: "Das wird wahrscheinlich die Diskussion beleben." Aiginger sieht das ebenso: "Ich will so viele Konkurrenten wie möglich."

Überraschungen

Die Diskussion, wer denn unabhängiger ist, ist wenig zielführend. Niemand ist frei von Einflüssen, und jeder hat auch eigene Interessen. Auf viele kritische Fragen über die Ausrichtung seiner Denkfabrik sagt Schellhorn, man solle einfach einmal abwarten. "Es wird in der nächsten Zeit auch zu Überraschungen kommen." Dass die Agenda Austria aber mit Forderungen nach einer Vermögenssteuer in Erscheinung treten wird, ist zu bezweifeln. (Andreas Sator, derStandard.at, 23.8.2013)