Foto: SPD

Wahlkampf kann so einfach sein, wenn es sich nicht um ein so komplexes Thema wie die Eurorettung handelt, sondern man ein klares Feindbild hat. Die SPD - verzweifelt, weil sie in Umfragen den Rückstand auf CDU/CSU nicht und nicht aufholen kann - hat jetzt eines gefunden: den Präsidenten von Bayern München, Uli Hoeneß.

Der Mann ist außerhalb des Freistaats bei vielen Leuten so unbeliebt wie das Finanzamt. Und - apropos Finanzamt - seit er Steuerhinterziehung via Schweizer Konten zugegeben hat, auch bei so manchem Bayern in Ungnade gefallen. Da ergeben sich doch tolle Möglichkeiten, muss man sich bei den Jusos gedacht haben.

Das Ergebnis: eine Postkarte, die Kanzlerin Angela Merkel und Hoeneß zeigt. Darunter steht der Satz: "Glückwunsch, Uli! Wir Steuern das schon." Das Sujet bedarf keiner weiteren Erklärung, ein jeder versteht den Hinweis: Merkel macht Steuerpolitik für die Reichen, sie ist auf Du und Du mit Steuersündern - wohingegen die SPD natürlich heldenhaft für Steuergerechtigkeit kämpft.

Bis zur Bundestagswahl am 22. September wollen die Jusos die Postkarten bei Bundesliga-Spielen vor den Fußballstadien verteilen. 18 Vereine spielen in der ersten Liga, vielen Fans der 17 anderen ist der mächtige Chef von Bayern München auch ohne Steuerhinterziehung ein Dorn im Auge.

Die Panik muss bei der SPD schon recht groß sein, dass sie nun in der Schlussphase des Wahlkampfs zu solchen Prangermethoden greift. Abgesehen davon stellt sie die Beziehung von Merkel und Hoeneß auch nicht richtig dar.

Richtig ist, dass Merkel, bevor die Steueraffäre aufflog, gerne Kontakt zu Hoeneß hatte. Doch als dieser eingestand, hohe Summen in die Schweiz verschoben zu haben, da distanzierte sie sich in ungewöhnlich scharfer Manier von ihm und ließ durch ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten, dass sie "enttäuscht" sei.

Das Merkel/Hoeneß-Foto auf der Postkarte entstand am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion. Als im Champions-League-Finale Bayern München und Borussia Dortmund aufeinandertrafen, saßen beide auf der Ehrentribüne. Merkel gratulierte zwar zum Sieg der Bayern, aber zu diesem Zeitpunkt war sie schon auf Distanz zu Hoeneß.

Die Steuerbelastung ist natürlich auch im Wahlprogramm der Genossen Thema. Darin steht, dass sie ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro den Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent erhöhen wollen. Soziale Gerechtigkeit nennen sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch  Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dies und betonen: "Starke Schultern müssen stärkere Lasten tragen."

In diesem Punkt unterscheiden sich die Sozialdemokraten auch ganz eindeutig von CDU/CSU. Die Union lehnt ja jegliche Steuererhöhung ab. Doch vor einigen Tagen plötzlich erklärten Gabriel und Steinbrück unisono, wenn man Steuerbetrug nur entschieden genug bekämpfe, dann könne man eigentlich auf Steuererhöhungen verzichten. Sogar von möglichen Steuersenkungen war plötzlich die Rede. Das wiederum brachte die Parteilinke auf die Palme, diese nämlich besteht darauf, den Reichen nicht auf Umwegen, sondern direkt in die Tasche zu greifen.

Also ruderte das rote Spitzenduo wieder zurück. Die Denunzierung von Hoeneß durch die SPD ist recht eindeutig - von den roten Steuerplänen hingegen kann man das nicht behaupten. (Birgit Baumann, derStandard.at, 23.8.2013)