Im Sommer, wenn Stöcke gegen Golfschläger eingetauscht werden, bittet derStandard.at Akteure aus der Eishockeyszene im Rahmen der Sommergespräche zu ausführlichen Interviews.

Teil 1, Sven Klimbacher (23.7.)
Teil 2, Nikolas Petrik (30.7.)
Teil 3, Stefan Widitsch (6.8.)
Teil 4, Marc Brabant (13.8.)

Als Profi war Dieter Kalt in vier Ländern aktiv, als Trainer lässt er heute speziell seine Erfahrungen mit dem schwedischen Eishockeymodell in seine Arbeit einfließen.

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Zu Beginn und am Ende seiner aktiven Karriere trug der langjährige Kapitän des Nationalteams das Trikot des KAC - hier in der Finalserie 2011 gegen seinen Ex-Klub Salzburg.

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Gemeinsam mit Cheftrainer Christer Olsson führte Dieter Kalt die Rotjacken im Frühjahr zum 30.Meistertitel ihrer Vereinsgeschichte.

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22 Jahre lang spielte Dieter Kalt Profieishockey. In Mannheim und Köln ebenso wie in Karlstad und Luleå oder Wien und Salzburg, eine Saison lang schnürte er sogar in Long Beach in Kalifornien seine Schlittschuhe. Ausgangs- und Endpunkt der Reise durch die Eishockeywelt war jedoch seine Heimatstadt Klagenfurt, für deren sportliches Aushängeschild, den österreichischen Rekordmeister KAC, Kalt 452 Bundesligaspiele absolvierte. Im Sommer 2012 war Schluss - nicht ganz glücklich, nicht ganz freiwillig. Ein halbes Jahr später das Comeback auf der anderen Seite der Bande: Der zum Head Coach beförderte Christer Olsson holte den nun 39jährigen als Co-Trainer zurück zu den Rotjacken. 33 Spiele später krönte sich ein von diesem Duo taktisch gänzlich umgekrempelter KAC souverän zum Meister.

Im derStandard.at-Interview mit Hannes Biedermann spricht Dieter Kalt über das Premierenjahr zweier Jungtrainer, die Grundsätze seiner Eishockey-Philosophie und die Zukunft der U20-Nationalmannschaft, zu deren Coach er in diesem Sommer berufen wurde.

derStandard.at: Als Sie zu Jahresbeginn zum Co-Trainer von Christer Olsson wurden, stand der KAC auf Rang sieben, gute drei Monate später kürte sich die von Ihnen geführte Mannschaft zum Meister. Wie ist ein solcher Umschwung zu erklären?

Kalt: Durch kleine Änderungen sowohl im taktischen als auch im zwischenmenschlichen Bereich hat es der Ende Dezember zum Cheftrainer aufgestiegene Christer Olsson geschafft, dass die Spieler wieder Vertrauen erlangten. Die Qualität im Kader war immer da, es fehlte die Konstanz in den Leistungen.

derStandard.at: Die vielen Siege direkt nach dem Wechsel an der Trainerposition - neun in den ersten zehn Spielen unter Olsson, fünf in den ersten fünf nachdem Sie zum Team stießen - waren da sicherlich sehr hilfreich.

Kalt: Natürlich war es sehr förderlich, dass unsere Adaptierungen umgehend zu Punktegewinnen führten, aber ich denke, dass es primär wichtig war, den Reset-Knopf zu drücken. Einige Leistungsträger, die zuvor nicht besonders brillierten, hatten die Möglichkeit eines Neustarts, vielleicht wurden sie auch so eingesetzt, dass sie am Eis gut ausschauen konnten, in Rollen, in denen sie sich wohlfühlen.

derStandard.at: Nach dem Trainerwechsel haben Sie - mit letztlich durchschlagendem Erfolg - das Defensivsystem umgestellt. Sie sind als Co-Trainer während eines Spiels für die Abwehrspieler zuständig, wie groß war Ihr Anteil an dieser taktischen Veränderung?

Kalt: Wie die meisten Entscheidungen, die wir als Trainerteam treffen, war auch jene zur Neuausrichtung unserer Defensive eine kollektive. Darüber haben wir viel diskutiert, auch unter Einbeziehung der einzelnen Spieler. Eine Herangehensweise, die Christer Olsson und ich als Aktive in Schweden kennenlernten: Wenn die Cracks an einem Spielsystem mitarbeiten und Regeln teilweise selbst aufstellen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie diese auch einhalten werden. Auf diese Weise haben wir ein Konzept erarbeitet, in dem sich jeder Beteiligte wiederfand.

derStandard.at: Welche Erfahrungen aus Ihrer Profilaufbahn in Österreich, Deutschland, Schweden und den USA fließen besonders stark in Ihre neue Tätigkeit als Trainer ein?

Kalt: Das skandinavische System war mir immer sehr sympathisch und hat mich stark geprägt. Beeindruckt hat mich der große Respekt breiter Gesellschaftsschichten dem Sport gegenüber: Sehr viele Menschen kennen sich wirklich aus, dementsprechend wird jener Akteur, der am Eis die Kleinigkeiten erfüllt und umsetzt, ebenso geschätzt wie der Topscorer.

derStandard.at: Die Durchdringung des Alltags mit Eishockey kann in Karlstad oder Luleå kaum noch größer sein als in einer eishockeyverrückten Stadt hierzulande, aber ist vielleicht genau die von Ihnen angesprochene ganz andere Art der Auseinandersetzung mit dem Sport der zentrale Unterschied zwischen schwedischer und österreichischer Eishockeykultur?

Kalt: Zweifellos, das liegt aber auch an der gesellschaftlichen Verankerung des Sports im Allgemeinen, beginnend schon bei der Bedeutung des Schulsports. Im Eishockey selbst hat mir auch das Gemeinschaftsdenken besonders imponiert, die erwähnte Wertschätzung für den hart arbeitenden Rollenspieler und die Grundüberzeugung, Erfolge nur mittels kollektiver Leistungen erringen zu können. Nicht zu vergessen die Methoden und Umgangsformen der Trainer.

derStandard.at: Welche Elemente aus dem Rollenbild und Selbstverständnis schwedischer Trainer lassen Sie in Ihre eigene Tätigkeit einfließen?

Kalt: Es geht darum, den Menschen hinter dem Spieler zu sehen, einen persönlichen Zugang zu suchen und die Aktiven auch in Entscheidungen miteinzubeziehen. Fühlt sich jeder im Team als Teil eines großen Ganzen und entsprechend wertgeschätzt, wird das auf lange Sicht zu größeren Erfolgen führen. Diesen Weg geht auch Christer Olsson, von daher war der Einstieg beim KAC ein sehr leichter für mich.

derStandard.at: Wie kann man sich die Abläufe und Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Cheftrainer Olsson vorstellen?

Kalt: Wir sitzen oft zu dritt oder viert mit Torwarttrainer Pierre Beaulieu und Sportdirektor Emanuel Viveiros zusammen und diskutieren über die Richtung, in die wir gehen wollen. Am Ende wird immer der Head Coach die Entscheidungen treffen, auf dem Weg dorthin nützt er aber auch die Ressourcen seiner Mitarbeiter. Ich kann mich als Co-Trainer daher nicht an die Bande lehnen und mich auf die Beobachtung beschränken, sondern werde immer eingebunden.

derStandard.at: Wie sehen die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche im Training und im Spiel aus?

Kalt: Die Trainings am Eis leiten wir abwechselnd, dabei versuchen wir auch möglichst individuell auf jeden Spieler einzugehen. Im Bench Coaching trägt Christer Olsson die Gesamtverantwortung und ist im Speziellen für die Stürmer zuständig, mein Bereich sind die Verteidiger und das Powerplay.

derStandard.at: Nach dem Meistertitel gab es ein langes Hin und Her um Ihre Vertragsverlängerung, zwischendurch gab der KAC sogar bekannt, dass man sich mit Ihnen nicht auf eine weitere Zusammenarbeit einigen konnte.

Kalt: Allgemein liefen in den letzten Jahren im geschäftlichen Teil des Eishockeys einige Dinge nicht so, wie ich mir das vorgestellt hätte. Da geht es nicht um finanzielle Angelegenheiten, sondern um Abläufe und organisatorische Aspekte. Also habe ich dem KAC vorgeschlagen, in welche Bereiche ich meine Fähigkeiten einbringen könnte, es hat dann einige Zeit gedauert, ehe das auch so akzeptiert wurde.

derStandard.at: Wie schon in den letzten Jahren blieb beim KAC auch in diesem Sommer die Anzahl der Neuzugänge eine im Vergleich zu Ligakonkurrenten sehr kleine. Heuer verließen jedoch auch einige Leistungsträger den Verein, welchen Einfluss wird das auf die spielerische Ausrichtung nehmen?

Kalt: Das werden die kommenden Monate zeigen. Fakt ist, dass Thomas Hundertpfund und Raphael Herburger in der letzten Phase der Meisterschaft eine große Entwicklung hingelegt haben, sowohl sportlich als auch persönlich. Sie erfüllten Rollen, in denen sie großen Anteil an unserem Erfolg hatten, und fühlten das auch. Grundsätzlich ist zwar jeder Spieler ersetzbar, von heute auf morgen wird das aber in diesen Fällen nicht gehen.

derStandard.at: Zuletzt stand Klagenfurt drei Mal in Serie im Finale, gerade in den Play-Offs machte sich der kontinuierliche Einsatz von vier Linien bezahlt. Mit Hundertpfund und Herburger sind nun zwei Mittelstürmer weg, es stehen nur noch drei Center im Kader. Wie wollen Sie diese Verluste kompensieren?

Kalt: Mit Paul Schellander haben wir einen Spieler in unserem Team, der die Erfahrung aus über 450 EBEL-Spielen mitbringt, in den letzten beiden Jahren aufgrund von Verletzungen aber unter seinem Niveau agiert hat. Er ist ein sehr schlauer Spieler, der uns als Mittelstürmer in einer unserer vier Linien eine große Hilfe sein wird, wenn er körperlich fit ist - und danach sieht es im Moment aus.

derStandard.at: Nach 22 Jahren als Profispieler standen Sie nun in 33 Partien als Co-Trainer des KAC an der Bande. Über welche formelle Trainerausbildung verfügen Sie?

Kalt: Meine Trainerausbildung habe ich schon parallel zu meiner aktiven Laufbahn absolviert. Zur Zeit der B-WM 2008 in Innsbruck wurden eigens für aktive Spieler konzipierte und auf die Off-Season im Sommer komprimierte Kurse etabliert. In diesem Programm habe ich alle Ausbildungslevels durchlaufen und verfüge nun seit Herbst 2010 über die A-Lizenz.

derStandard.at: Ihr erstes Traineramt traten Sie bereits im Spätsommer des letzten Jahres an, als Sie zum Co-Trainer des damaligen U20-Teamchefs Jason O'Leary berufen wurden.

Kalt: Die Berufung im Vorjahr war eine recht kurzfristige. Da ich noch wenige Monate zuvor als Profi aktiv war, hatte ich ehrlich gesagt keinen genauen Einblick in die Nachwuchsligen. Ich habe mich aber rasch eingearbeitet und in weiterer Folge sehr von der Zusammenarbeit mit Jason O'Leary und Pierre Beaulieu profitiert.

derStandard.at: In diesem Sommer folgte dann das Upgrade, Sie sind nun Head Coach der U20-Nationalmannschaft.

Kalt: Die jährliche Weltmeisterschaft in dieser Altersklasse findet bereits im Dezember statt, die Trainingscamps bis dahin werden dann abgehalten, wenn auch der Spielbetrieb in der EBEL pausiert. Von daher lässt sich meine Aufgabe im U20-Team gut mit der Tätigkeit beim KAC verbinden. Die größte Herausforderung ist aber sicherlich, dass wir vom Sommer bis zum WM-Beginn nur 15 Trainingseinheiten absolvieren können.

derStandard.at: ÖEHV-Sportdirektor Alpo Suhonen möchte österreichische Trainer forcieren. Inwiefern beeinflusste das die Auswahl Ihrer Assistenten?

Kalt: Gar nicht, denn für mich war es ganz logisch, dass ich ehemalige Spieler mit großem, auch internationalem Erfahrungsschatz in meinen Stab holen wollte. Christoph Brandner und Reinhard Divis werden wesentliche Teile des Scoutings übernehmen, Herbert Hohenberger, der bereits länger im Trainergeschäft ist, unterstützt mich in organisatorischen Belangen, in denen ich vielleicht noch zu unerfahren bin. Insgesamt sind wir ein Team von Charakteren, die sich sehr gut ergänzen.

derStandard.at: Sie sind nun seit knapp einem Jahr mit dem U20-Nationalteam assoziiert, eine Zeitspanne, in der sich im ÖEHV vieles verändert hat, als Beobachter von außen würde ich eine Art Aufbruchstimmung attestieren.

Kalt: Im Verband vollziehen sich große Veränderungen. Strukturen, die sich über lange Zeiträume hinweg verfestigt haben, werden aufgebrochen, das ist ein Reformprozess, der nicht immer ganz friktionsfrei ablaufen kann. Alpo Suhonen hat da auf Basis seiner reichhaltigen internationalen Erfahrung neue Wege eingeschlagen und er versteht es ausgezeichnet, seine Vorhaben so zu präsentieren, dass sie von den zuständigen Gremien auch genehmigt werden.

derStandard.at: Als höchste Alstersklasse ist das U20-Nationalmannschaft das Aushängeschild des österreichischen Nachwuchseishockeys. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Team?

Kalt: Von den Anlagen her unterscheiden sich österreichische Kinder und Jugendliche nicht von jenen größerer Eishockeynationen, dort gibt es pro Jahrgang aber hundert oder mehr besondere Talente, bei uns sind es fünf. Wir müssen also das Optimum aus jedem Individuum im Kader herausholen, damit wir einigermaßen konkurrenzfähig sind. So lange aber die Qualität der Ausbildung nicht passt, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir im Bereich der 18- und 19jährigen im internationalen Vergleich nur noch über durchschnittliche Spieler verfügen.

derStandard.at: Um den Nachwuchs auf ein höheres Level zu bringen, bedarf es zunächst aber auch besser ausgebildeter Trainer.

Kalt: Das ist aktuell auch einer der zentralen Aspekte in den Umstrukturierungen im Verband. Wenn wir die Qualität der Übungsleiter- und Trainer steigern, werden wir langfristig zweifelsfrei davon profitieren.

derStandard.at: Ansetzen sollte die bessere Ausbildung der Nachwuchsspieler in den jüngsten Jahrgängen.

Kalt: Genau - und gerade dort ist ein Trainer häufig auch Vorbild. Dementsprechend brauchen wir ehemalige Spieler, welche die technischen und eisläuferischen Fähigkeiten mitbringen, von denen sich die Kinder auch etwas abschauen können. Das heurige Coaching Symposium der IIHF in Stockholm hat das auch gezeigt: In Schweden gibt es Ex-Aktive mit 800 oder 900 NHL-Spielen, die heute Zwölfjährige trainieren. Freilich spielt dabei auch die gesellschaftliche Anerkennung des Berufs Nachwuchstrianer und die entsprechende - auch finanzielle - Wertschätzung eine Rolle, beides ist in Österreich nicht gegeben.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie den Status Quo des österreichischen Eishockeys?

Kalt: Ich denke, dass sich die Zusammearbeit zwischen Verband und Liga deutlich verbessert hat. Als großes Problem sehe ich jedoch, dass sich die sportliche Dimension und die Anforderungen an die Spieler viel rascher entwickelt haben als die infrastrukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen oder auch das Level an Professionalität im Management der Klubs.

derStandard.at: Ihr Fazit zur Weltmeisterschaft in Helsinki?

Kalt: Ein Abstieg ist immer bitter, jener heuer war es aber im besonderen Maße. Das vom Team Austria gebotene Eishockey hat mir grundsätzlich gut gefallen, denn die Spieler waren mutig und haben auch unter Druck versucht, konstruktive Lösungen zu finden, anstatt die Scheibe einfach wegzudreschen. Da sehe ich Fortschritte.

derStandard.at: Das Nationalteam steuert also einer positiven Zukunft entgegen?

Kalt: Das kann ich nicht beurteilen. Es fällt aber auf, dass die spielbestimmenden Akteure seit einigen Jahren die selben sind und nur vereinzelt Spieler nachrücken, die am Eis dominant auftreten können. Was mir jedenfalls fehlt, ist das Verständnis der Vereine, viele scheinen die Bedeutung des Nationalteams für das österreichische Eishockey nicht zu erkennen. Das absolute Highlight der kommenden Saison sind die Olympischen Spiele, Österreich hat sich erstmals seit zwölf Jahren wieder für dieses Aufeinandertreffen der Weltelite qualifiziert, alleine die Teilnahme kann dem Eishockey hierzulande einen riesigen Schub verpassen. Im EBEL-Spielplan spiegelt sich die Bedeutung dieses Turniers aber beispielsweise nicht wider. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 26.August 2013)