Schwimmtrainerin Simone Grohmann lehrt Flüchtlinge das Brustschwimmen.

Foto: Regine Hendrich

Auch die richtige Beintechnik will geübt sein.

Foto: Regine Hendrich

"Die Hände wie beim Beten zusammenfalten und die Arme nach vorne strecken", sagt Schwimmlehrerin Simone Grohmann zu ihrem Schützling Eno Okoye*. Mit den Beinen im Wasser baumelnd sitzt er am Beckenrand und versucht die vorgezeigte Bewegung nachzumachen.

Grohmann bückt sich zu ihm hinunter, umklammert seine Arme von hinten und öffnet sie seitwärts. "Und jetzt wieder Amen", sagt sie, streckt Okoyes Arme nach vorne und bringt seine Hände erneut in Gebetsposition.

Okoye ist 39 Jahre alt und Asylwerber aus Nigeria. Seit sieben Jahren wohnt er im Wiener Flüchtlingshaus Roßauer Lände, das der Flüchtlingsdienst der Diakonie betreibt. Dort leben momentan etwa 180 Flüchtlinge, großteils Familien, aber auch alleinstehende Männer und Frauen.

Schwimmkurs am Donaukanal

Seit Ende Juni haben die Bewohner des Hauses die Möglichkeit, an einem Schwimmkurs auf dem Badeschiff teilzunehmen. Dieses ankert an der Donaukanallände zwischen Urania und Schwedenplatz in der Wiener Innenstadt und ist mit einem schwimmenden Pool ausgestattet. Bis zum Ende der Badesaison dürfen die Flüchtlinge ihn zwei- bis dreimal die Woche vormittags zum Schwimmtraining nutzen.

Rund zehn Personen besuchen den Kurs regelmäßig, erzählt Markus St. Clair Osorno, der das Flüchtlingshaus leitet. Okoye macht zum zweiten Mal mit, angestrengt versucht er sich mit Paddelbewegungen über Wasser zu halten.

"Nimm doch eine Schwimmnudel", ruft ihm Schwimmtrainerin Grohmann vom Beckenrand aus zu und deutet auf die bunten Schaumstoffkörper, die im Pool treiben. Doch Okoye winkt ab, er möchte es alleine schaffen. "Bis der Sommer vorbei ist, kann ich schwimmen", ist er überzeugt.

Das erste Mal Schwimmen

Zu Beginn des Kurses hätten einige Teilnehmer aus Afghanistan gemeint, auch ohne Hilfe schwimmen zu können, erzählt St. Clair Osorno. "Sie waren dann aber doch öfter mit dem Kopf unter als über dem Wasser." Einige haben das Schwimmen mittlerweile aber gelernt.

Einer von ihnen ist der 23-jährige Abdul Najib Sarwari aus Afghanistan. Vor dem Kurs ist er noch nie in seinem Leben geschwommen. "Am Anfang habe ich ziemliche Angst gehabt, aber nach dem zweiten Mal ist es schon ganz gut gegangen", berichtet er.

Zu verdanken hat er das unter anderem der Schwimmtrainerin. Grohmann war neun Jahre lang Leistungsschwimmerin und studiert jetzt Veterinärmedizin. "Ich wollte mir für den Sommer einen sinnstiftenden Nebenjob suchen", sagt die 22-Jährige. Da einige Asylwerber kaum Deutsch sprechen, musste sie sich zu Beginn oft mit Händen und Füßen verständigen. "Es macht trotzdem Spaß und man bekommt viel zurück."

Frauen unter sich

Ein besonderer Erfolg für Grohmann ist das Schwimmen mit der Frauengruppe, die den Pool immer mittwochs nutzt. Da sich einige Bewohnerinnen des Flüchtlingshauses nicht vor ihren männlichen Nachbarn im Badeoutfit zeigen möchten, haben die Frauen an diesem Tag die Möglichkeit, ungestört unter sich zu sein.

Sein Schwimmbecken stellt das Badeschiff der Diakonie kostenlos zur Verfügung. "Die Betreiber des Badeschiffs haben uns zu Saisonbeginn dieses Angebot gemacht, und wir haben es dankbar angenommen. Finanziell sind derartige Aktivitäten für uns nur schwer zu bewältigen", sagt St. Clair Osorno. Asylwerber, die schwimmen können, dürfen den Pool mit einer Jahreskarte jederzeit nutzen.

Mehr als ein kommerzielles Unternehmen

"Durch Projekte wie dieses soll das Badeschiff mehr sein als ein kommerzielles Unternehmen", sagt Christian Petz, Koch und Mitgeschäftsführer des Badeschiffs. Außerdem hat sich die Gruppe gut unter den anderen Badegästen eingefügt, es hat noch keinerlei Probleme gegeben. "Die Leute merken, dass man etwas für sie tut. Wieso sollten sie dann einen Blödsinn machen?", sagt Petz.

Ein Badeverbot für Asylwerber, das  kürzlich in der Schweiz für Aufruhr sorgte, kann St. Clair Osorno nicht nachvollziehen. "Asylwerber wollen wie alle anderen auch Sport betreiben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben."

Suche nach Hallenbad

Nach einer Stunde zieht es die meisten Teilnehmer aus dem rund 20 Grad kalten Wasser. Die zittrigen Körper in ein Handtuch gewickelt warten sie am Beckenrand, bis auch die anderen genug vom Schwimmen haben. Beim nächsten Schönwetter wollen sie auf jeden Fall wiederkommen.

Außerdem soll auch nach dem Sommer mit dem Schwimmen nicht Schluss sein. "Ich hoffe, dass wir im Winter ein Hallenbad finden, damit wir weitermachen können", sagt Grohmann. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 27.8.2013)