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Kanzler Werner Faymann (re.) gegen Vize Michael Spindelegger: Jovial beim Du geblieben.

Foto: apa/Herbert Neubauer

Wien - Mit der ersten Frage schien der Adressat nicht gerechnet zu haben. Was dagegen getan werde, dass ein junger Mensch wie er statt echter Jobs nur mies entlohnte Praktika bekomme, wollte ein Studiogast wissen. Nicht massentaugliches Lösungsangebot von Vizekanzler Michael Spindelegger: Er helfe gerne persönlich beim Bewerbungenschreiben.

Das Publikum spielte eine schwer kalkulierbare Rolle in der "Wahlarena" am Montagabend. SPÖ-Chef Werner Faymann und sein ÖVP-Pendant Spindelegger waren zum ersten Kanzlerduell im TV angetreten, das der Privatsender Puls 4 dank Werbepausen in die epische Länge von über zwei Stunden dehnte. Dafür blieb auch noch Zeit für Meinungsforscher und Körperspracheexperten, um ihren Senf dazuzugeben.

Der Input von außen bot eher dem Kanzler Auflagen. Die einleitende Prekariatsfrage nützte er zur Prognose, dass all dies bei einer von der ÖVP "entfesselten" Wirtschaft noch schlimmer wäre, eine Klage über im Beruf abservierte ältere Arbeitnehmer zu einem Plädoyer gegen ein höheres Frauenpensionsalter. Der Titelverteidiger startete mindestens so angriffig wie der Herausforderer. Die ÖVP-Kritik an der Mindestsicherung erwiderte Faymann energisch, zumal diese keine Hängematte, sondern eine leistbare Notwendigkeit sei: "Wir sind das zweitreichste Land in der EU."

Im rot-grünen Wien werde die an sich sinnvolle Sozialleistung missbraucht, konterte Spindelegger und wehrte sich gegen das im (Studio-)Raum stehende Vorurteil, Anwalt der Großen zu sein: "Mir geht's nicht um die Konzerne, ich spreche von Menschen, wie sie alle hier auch kennen." Allerdings müsse sich Leistung in der Wirtschaft lohnen: "Diese Grundregel wird auch Werner Faymann nicht außer Kraft setzen."

Entlang eingefahrener Front

Ärger zog der VP-Obmann mit der Erklärung auf sich, dass er gerne die Lohnnebenkosten gesenkt hätte, aber nicht die Chance dazu gehabt habe - was Faymann als Vorwurf auffasste. Spindelegger solle nicht "überheblich" daherreden, echauffierte sich der SPÖ-Chef: Immerhin habe man eine globale Krise bewältigen müssen, die in Zuständen wie in den 30er-Jahren zu münden drohte.

Entlang der eingefahrenen Fronten orientierte sich die Debatte zu den koalitionären Reizthemen Erbschaftssteuer und Gesamtschule - der Kanzler ist jeweils dafür, der Vizekanzler dagegen. In den Details offenbarten sich die Differenzen zur Frage der Ganztagsschule. Ausbau ja, wenn Bedarf herrsche, sagte Spindelegger, aber die Eltern sollten nach eigenem Gutdünken für die Kinder entscheiden - und nicht der Staat. Selbst wenn man nun "einen Paukenschlag" setze und die Ausgaben dafür verdopple, antwortete Faymann, gäbe es 2018 erst für die Hälfte der Kinder Ganztagesplätze: "Wo soll da der Zwang sein?"

Finale Frage der Moderatoren Corinna Milborn und Peter Rabl: Welche persönlichen Eigenschaften die zwei Kandidaten zum Kanzler eigneten? Spindelegger nannte seinen Optimismus - er könne die Österreicher mitreißen und zu mehr Wachstum führen. Faymann beanspruchte die Krisenperformance als Visitenkarte, ergänzt durch ein Ziel: "Ich will Österreich gerechter machen."

Trotz aller Scharmützel ließ sich nicht verbergen, dass die beiden in der Koalition immer noch Partner sind: Faymann und Spindelegger blieben jovial per Du. (Gerald John, DER STANDARD, 27.8.2013)