In solch einem vermeintlich chaotischen Gewimmel von Bechsteinfledermäusen kommt es durchaus zu funktionellen Gruppenentscheidungen. Die Konsensfindung hat jedoch Grenzen.

Foto: Gerald Kerth

Greifswald - Wie der Mensch stehen auch andere sozial lebende Tiere vor der Herausforderung, verschiedene Interessen unter einen gemeinsamen Hut zu bringen. Da dies bei Wildtieren wie etwa Fledermäusen schwierig zu beobachten ist, haben deutsche Forscher zu einem Trick gegriffen: Sie lösten einen solchen Interessenkonflikt überhaupt erst aus.

Manipulierte Wahl des Quartiers

Als Untersuchungsobjekte wählten die Forscher Kolonien der Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii), einer in Mittel- und Westeuropa weit verbreiteten, mittelgroßen Fledermausart. Wie andere Fledermäuse auch verbringen die Tiere den Tag in einem sicheren Quartier, das sie während ihrer nachtaktiven Phase aufspüren und inspizieren. Die Wahl des Quartiers hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann durchaus zu kolonieinternen Konflikten führen. Solche Konflikte haben die Foscher nun geschürt, indem sie den Tieren Schlafkästen anboten, wie die Universität Greifswald berichtet.

Einem Teil der Tiere präsentierten sie die Kästen einfach so, anderen hingegen nur bei gleichzeitiger Abgabe störender Signale. Solche Signale vermittelten den Tieren, dass die Kästen kein geeignetes Tagquartier seien. Diese Information brachten die Tiere anschließend in die Kolonie ein - und stießen damit auf den Widerspruch derjenigen Tiere, die die Kästen als geeignete Unterkunft kennengelernt hatten.

Keine Einigung, keine Einheit

Der daraus resultierende Interessenskonflikt innerhalb der Kolonie wurde dann auf unterschiedliche Weise gelöst - abhängig davon, wie stark die störenden Signale waren. Bei geringer Stärke fand die Fledermauskolonie zur einvernehmlichen Lösung, die Schlafkästen doch zu beziehen. Wenn die Forscher jedoch stärkere Störsignale verwendet hatten, war der Widerstand der davon Betroffenen anschließend zu groß, um die Kästen zu beziehen. Zugleich beharrten die ungestörten Tiere auf ihrem Eindruck, dass das Quartier geeignet sei. Das Ergebnis: Die Kolonie spaltete sich auf.

In ihrer in "Current Biology" veröffentlichten Studie betonen die Forscher die verallgemeinerbaren Aspekte ihres Versuchs: Mit zunehmender Stärke der Interessenskonflikte wird die Kompromissbereitschaft innerhalb einer Gruppe immer geringer. Stark abweichende individuelle Interessen können einen Gruppenkonsens verhindern - ganz so wie bei uns Menschen. (red, derStandard.at, 2.9. 2013)