Die Mundwinkel von Russlands Außenminister Sergej Lawrow hängen derzeit noch tiefer herab als gewöhnlich. Bei der eigens zur Syrien-Problematik eilig einberufenen Pressekonferenz machte der russische Chefdiplomat einen erschöpften und niedergeschlagenen Eindruck. Der Westen habe "seine Entscheidung schon getroffen", sagte er angesichts der Ankündigungen von Militärschlägen aus London und Washington.
Sein Stellvertreter Gennadi Gatulin warf den USA gar vor, diplomatische Lösungen zu torpedieren. Es sei bedauerlich, dass Washington ausgerechnet in dieser brenzligen Lage ein bilaterales Treffen mit Moskau zur Syrien-Frage abgesagt habe, schrieb Gatulin in seinem Twitter-Account.
Der Kreml bleibt allerdings konsequent bei seinem "Njet" zu einem Eingreifen. Ein Vorgehen im Rahmen der Uno scheitert damit am Veto der Russen. "Wenn jemand glaubt, es reicht, die militärische Infrastruktur in Syrien zu bombardieren, um den Sieg der Regimegegner zu ermöglichen, und damit sei alles vorbei, der irrt: Der Bürgerkrieg wird weitergehen", warnte Lawrow.
Keine Zweifel an Giftgas
Dass in Syrien Giftgas eingesetzt wurde, bezweifelt auch in Moskau kaum einer. Dort wird allerdings nicht Präsident Bashar al-Assad dafür verantwortlich gemacht: "Es ist völlig unverständlich, warum Assad das tun sollte", sagte der Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow dem Standard. Die regimetreuen Truppen hätten zuletzt militärische Erfolge erzielt, mit dem Einsatz von Chemiewaffen würde der Staatschef nur einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen von außen schaffen. "Assad ist ein schrecklicher Mensch, aber er ist nicht verrückt", sagte Lukjanow.
Lawrow fordert, mit einer Militäraktion zumindest so lange zu warten, bis die UN-Experten in Syrien ihren Bericht vorlegen. Wie Russland reagieren werde, wenn eine "Allianz der Willigen" ähnlich wie im Irak oder im Kosovo auch ohne den UN-Sicherheitsrat aktiv wird, wollte er nicht sagen. "Wir haben nicht die Absicht, gegen irgendjemanden zu kämpfen", erklärte er lediglich ausweichend. Es wird aber bereits an einer internationalen "Koalition des Widerstands" gearbeitet, die mögliche Luftschläge öffentlich verurteilen soll, heißt es aus Diplomatenkreisen.
Chancen dazu bieten sich während des G-20-Gipfels Anfang September in St. Petersburg, auf dem auch ein Treffen der größten Schwellenländer vorgesehen ist. Auch das Treffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeiten bietet Moskau eine Bühne für öffentlichkeitswirksamen Protest. In beiden Organisationen ist der russische Einfluss hoch, sodass solche Erklärungen möglich sind.
Russland könnte sich aber nicht nur auf diplomatische Floskeln beschränken: Hinter den Kulissen werde Moskau seine Kooperation mit dem Iran verstärken, vermutet Lukjanow. Schon jetzt ist der Iran der wichtigste Unterstützer des Assad-Regimes. Russland werde künftig dem Iran dabei helfen, meint der Politikexperte. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 28.8.2013)