Umfragen basieren auf dem Induktionsprinzip. Das besagt, dass man nicht die gesamte Bevölkerung befragen muss, um die politische Stimmung zu kennen: Eine zufällig gewählte Stichprobe genügt, um auf diese zu schließen. Was in der Theorie recht einfach klingt, ist in Wahrheit wesentlich komplizierter, denn: Wie findet man eine zufällige Stichprobe unter allen Wahlberechtigten?

So leicht wie hier ist es natürlich nicht. Doch auf dieses Problem gehe ich in einem folgenden Beitrag ein. Heute begnügen wir uns mit der Annahme, dass die Auswahl wirklich zufällig erfolgt, und widmen uns der Stichprobengröße, der ersten von vier Zutaten, die in unsere Berechnungen einfließen. Die drei andere sind – wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt – das Alter der Umfrage, das durchführende Institut und die Methodik.

Statistische Schwankungsbreite

Jenen Teil der Schwankungsbreite, der allein von der Anzahl der befragten Personen abhängt, nennen wir die "statistische Schwankungsbreite". Dabei handelt es sich um die einzige Schwankungsbreite, die von Medien je erwähnt wird (zum Beispiel hier).

Je größer die Stichprobe, desto kleiner ist diese statistische Schwankungsbreite. Rein mathematisch ergäbe sich für eine Partei, die bei einer Umfrage auf 20 Prozent kommt, folgender Zusammenhang zwischen Schwankungsbreite und Stichprobengröße.

Foto: derstandard.at

Eine Umfrage mit 400 Befragten würde also 20 Prozent +/- 4 Prozent ergeben, eine Umfrage mit 1.500 Personen 20 Prozent +/- 2 Prozent. Letztere liefert also eine wesentlich genauere Beschreibung der aktuellen politischen Stimmung.

Stichprobengrößen in Österreich

Leider haben die meisten Umfragen in Österreich eine Stichprobe von nur 400 bis 800 Personen, in den seltensten Fällen werden mehr als 1.000 Personen befragt. Dazu kommt, dass bei den angegebenen Zahlen auch die Personen berücksichtigt werden, die keine Angabe über ihr Wahlverhalten machen und die durch die Institute dann (nach nicht veröffentlichten Methoden) den einzelnen Parteien zugerechnet werden. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, reduzieren wir in unserer Berechnung die angegebene Stichprobengröße um 30 Prozent.

Schwankungsbreiten sind eine verkürzte Darstellung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Eine Partei, die in einer Umfrage bei 20 Prozent liegt, würde bei Wahlen am wahrscheinlichsten bei 20 Prozent liegen, Werte darüber oder darunter sind auch möglich, jedoch umso unwahrscheinlicher, je weiter sie von 20 Prozent entfernt sind. Bei großen Parteien kommen die Verteilungen einer Gaußkurve sehr nahe, bei kleinen Parteien sind sie asymmetrisch.

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Die hier gezeigte Schwankungsbreite ergibt sich nicht nur aus der Stichprobengröße, sondern auch aus den anderen drei Faktoren. Mehr dazu kommt bald. (Laurent Millischer, derStandard.at, 29.8.2013)