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Die ÖVP könnte bald mit einer Abspaltung konfrontiert sein. Im Bild: Parteichef Michael Spindelegger und der Chef der steirischen ÖVP, Hermann Schützenhöfer.

Foto: apa/Gindl

Wien/Graz - Die ÖVP ist versucht, den Konflikt im Vorfeld der Nationalratswahl auf eine kleine Flamme herunterzudrehen. "Das ist eine aufgeblasene Geschichte", sagt Bernhard Rinner, Geschäftsführer der steirischen Partei, die mit einer "Revolte" von rund 100 ÖVP-Bürgermeistern konfrontiert ist, die sich wegen der verordneten Gemeinde-Zwangsfusionen organisiert haben.

Die Bürgermeister wollen mit einer Plakatoffensive zum Wahlboykott aufrufen: "Keine Stimme für die Demokratieverweigerer SPÖ und ÖVP - Politiker die den Willen der Bevölkerung nicht respektieren, haben es nicht verdient die Bevölkerung zu vertreten, weder im Landtag noch im Nationalrat."

Die Unruhe im steirischen ländlichen Gebiet trifft zwar in erster Linie die ÖVP mit ihren Landgemeinde-Bürgermeistern, es sind aber auch einige SPÖ-Bürgermeister dabei, wie der Ortschef im obersteirischen Etmißl, Hans Jobstmann, der sich seit den Protesten von seiner Partei "ausgestoßen" fühlt. Die Bürgermeister haben jedenfalls angekündigt, für ihre Parteien  keine Plakate zu affichieren und keinen Wahlkampf vor Ort zu führen.

"Nicht grundsätzlich gegen Fusionen"

"Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen Fusionen, die können ja auch Sinn machen, wir wehren uns aber dagegen, wie man mit uns umspringt und brutal und arrogant über die Bürger drüberfährt", sagt Bürgermeistersprecher Otmar Hiebaum. Das habe eine Abordnung auch ÖVP-Generalsekreträr Hannes Rauch mitgeteilt. Bei der Klubklausur in Schladming am Freitag würden die Teilnehmer ebenfalls "entsprechend über die steirische Partei informiert werden". Rauch soll jedenfalls über den Protest einigermaßen irritiert gewesen sein, zumal ihm seine steirischen Parteifreunde stets versichert hätten, es sei alles halb so schlimm.

ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Rinner bezweifelt jedenfalls nach wie vor, dass es sich tatsächlich um 120 Gemeinden handeln könnte, die sich zu einer Protestbewegung zusammengeschlossen haben. Bei der Besprechung mit Zentralsekretär Rauch seien es lediglich 30 Gemeindevertreter gewesen. Nur fünf hätten sich zu Wort gemeldet. "Die Initiative leidet unter chronischer Selbstüberschätzung, das ist sicher kein Flächenbrand, wie es deren Sprecher Hiebaum darzustellen versucht. Meines Wissen sind noch keine dieser Plakate affichiert worden und niemand hat noch den Wahlkampf boykottiert und uns die ÖVP-Plakate zurückgeschickt", sagt Rinner.

Der Sprecher der aufmüpfigen Bürgermeister, Otmar Hiebaum hält dagegen: "Ich weiß nicht, was Herr Rinner beim Treffen mit Rauch gezählt hat. Es waren exakt 86 Bürgermeister, alle konnten nicht kommen. Rinner war ja gar nicht eingeladen, er ist zornentbrannt davongedüst, weil wir vor Hannes Rauch Klartext geredet haben." Dass sich die Bürgermeister vor Ort im „Bodenwahlkampf" verweigern wollen, könne für ÖVP und SPÖ tatsächlich zum Problem werden, glaubt Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Denn der direkte Kontakt zum Politiker vor Ort, das Werben von Tür zu Tür, sei im Wahlkampf besonders wichtig. Dazu komme noch der höhere Glaubwürdigkeitsfaktor der örtlichen Politiker.

Auch wenn die Anliegen der Bürgermeister und der Opposition überregional "gespielt" werden, und vielleicht Thema in TV-Konfrontationen werden, könne das für ÖVP und auch SPÖ unangenehm werden, glaubt Filzmaier. Immerhin gehe es um rund 150.000 Wahlberechtigte.

Der "Anführer" der aufgebrachten ÖVP-Bürgermeister, Otmar Hiebaum, rechnet mittlerweile damit, demnächst aus seiner Partei ausgeschlossen zu werden: "Ich lasse es auf mich zukommen. Zum Glück bin ich nicht von der Partei abhängig." Sollte es hart auf hart kommen, sei aber auch die Gründung einer eigenen "Gemeindepartei" nicht ausgeschlossen: "Ich könnte mir vorstellen, dass man mit den Bürgermeistern und einem Programm für den ländlichen Raum einen erfolgreichen Neustart versuchen könnte." (Walter Müller, DER STANDARD, 30.8.2013)