Aufgebrezelt fürs zufällige Glück tummelten sich fast allabendlich restkartenkaufwillige Menschen im Festspielbezirk. Und auch der Sponsor-Autopulk nach den starbesetzten Vorstellungen war heuer größer als je zuvor. 280 Vorstellungen an 14 Spielstätten (!) waren ein ansehnliches und umfangreiches bis (Publikum und Kritik) überforderndes Programmangebot. Doch das aufregendste Schauspiel, eine Tragödie mit gewissem Ausgang, fand unter Einschluss der Öffentlichkeit auf der 15. Spielstätte - der Direktionsetage - statt.

Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler gab die Eiserne Lady, Intendant Alexander Pereira wurde, gegen seinen Willen, als Dead Man Walking statt als drachentötender Siegfried besetzt. Auf dem Spielplan stand, ja, schon wieder, Zank über rote Zahlen - ob überhaupt und wie hoch, wird man im November wissen. Tatsache ist, dass aufgrund der Tariflohnerhöhungen allein die Personalkosten von 2013 auf 2016 um 13 Millionen Euro steigen werden. Da ist von Kunst noch gar nicht die Rede. Schade.

Denn eigentlich hätte sich der Intendant in seiner zweiten Saison durchaus Lob für sein meist erlesenes und hochkarätiges Konzert- sowie solides bis grandioses Opernprogramm (Meistersinger, Don Carlo) verdient - auch wenn er Salzburg immer noch als eine Art glamouröse Nachfolgeorganisation der Zürcher Oper anlegt. Natürlich kann einiges auch scheitern, wenn man nicht abgesicherte Opernproduktionen am internationalen Haute-Couture-Fertigmarkt shoppt, sondern als Einzelstücke handanfertigen lässt. Mutig jedenfalls der Auftakt mit Harrison Birtwistles Gawain, auch wenn Alvis Hermanis ihn unverständlicherweise in ein Joseph-Beuys-Lookalike umdeutete. Geradezu prophetisch, Sven-Eric Bechtolfs bescheiden akklamierte Così fan tutte ganz ans Ende zu setzen. Apropos Bechtolf: Schauspielprogramm?

Ja, war auch - ambitioniert durchwachsen. Am aufregendsten die vier Produktionen des Young Directors Project, allen voran Philipp Hochmairs One-Man-Jedermann. Auch die Domplatz-Jedermann-Dreamteams Crouch/ Mertes (Regie) und Obonya/Hobmeier (reicher Mann und Buhlschaft) waren ein erfrischendes Wagnis. Ansonsten: Verjuxter Lumpazi, interessante, wenngleich somnambule Johanna von Orleans, provinzulkiger Sommernachtstraum. 2015/16 wird der inszenierende Schauspieldirektor Pereiras Interimserbe antreten. Frostiger als heuer bei 35 Grad im Schatten kann's zwischen Kuratorium und Festspielleitung kaum werden.

Vielleicht wollte er bloß der Klimakatastrophe entgehen, an der er mit grenzwertigen Verbalemissionen tatkräftig mitgewirkt hatte: Jedenfalls vertschüsste sich Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden just während der Festspiele, die seiner Stadt üppige Tourismuseinnahmen bescheren, in einen mehrwöchigen Fernost-Urlaub. Als Mitglied des fünfköpfigen Kuratoriums wird der Ex-Pereira-Fan Ende September Pereiras Nachfolger küren. Eine Findungskommission gibt es nicht, dafür - wieder - einen erklärten Favoriten Schadens: eine gefährliche Drohung für den sensiblen Pianisten und nunmehrigen Wiener-Festwochen-Chef Markus Hinterhäuser. Welche Rolle übrigens Bechtolf nach 2016 in Salzburg spielen will und wird, ist offen.

Sinnig wäre jedenfalls, Intendanz und Präsidentschaft als kompatibles Team zu besetzen. Sonst geht den Festspielen vor lauter Grabenkämpfen irgendwann das Licht für immer aus. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 30.8.2013)