Es ist nicht leicht, es den Leuten recht zu machen, und schon gar nicht den Medienleuten. So viel Aggression, wie sie etwa den Wahlkampf des Jahres 2002 beherrschte, möchte man nicht, aber das Gekuschel von Kanzler und Vizekanzler auf Puls 4, mit dem die televisionären Schleusen für eine Flut ermüdenden Palavers erst geöffnet wurden, hat dem Interesse der Wählerinnen und Wähler an den Vorgängen des 29. Septembers eher einen Dämpfer aufgesetzt, den man im Interesse einer lebendigen Demokratie eigentlich vermeiden sollte. Armin Thurnher im "Falter" wollte auf Nummer sicher gehen, in seiner Kritik von niemandem mehr überboten werden zu können, und bezeichnete das "Kanzlerduell" als "das geschwätzigste Schweigen seit Erfindung der Sprache" - Übertreibung, eines Wolfgang Fellner würdig, wäre der zu einer solchen Formulierung imstande.
Am Rande tauchten auch nostalgische Erinnerungen an legendäre Fernsehdiskussionen auf, etwa Bruno Kreisky gegen Josef Taus, ohne dass die Umstände miterinnert wurden, unter denen sie stattfanden. Von einer Tendenz zur Profillosigkeit, nur um einen möglichen Regierungspartner nicht zu vergrämen, war damals nichts zu spüren. Die Frage, auf die Wähler in einer solchen Diskussion möglichst klare Antworten erwarten, wurde damals noch grundsätzlicher beantwortet: Wohin soll es die nächsten Jahre gesellschaftspolitisch gehen?
Es ist unmöglich, darauf im Fernsehen Antworten zu erhalten, wenn die Fragen, die den Politikern gestellt werden, nur das wiederkäuen, was schon monate-, wenn nicht jahrelang durchgekaut wurde, und die Befragten froh zugreifen, erleichtert, nur die bekannten Standpunkte aneinander vorbei wiederholen zu müssen. Und das auch noch mit jener Zurückhaltung, die die Fortsetzung einer Koalition gewährleistet, welche eher als notwendiges Übel ertragen denn als reformstarke Regierung geachtet wird.
Das Unbehagen, das der Stil der rot-schwarzen Koalition trotz ihrer gar nicht so geringen Leistungsfähigkeit im Land erzeugt, scheint in den beiden Parteien nicht zu interessieren, obwohl ihr Stimmenanteil diesmal - von einst über neunzig - auf unter fünfzig Prozent sinken könnte. Man bietet weitere fünf Jahre wie gehabt an, aber wie man diese Regierungsform effektiver und also attraktiver machen könnte, wenn man schon unbedingt an ihr festhalten will, ist offenbar keinen tieferen Gedanken wert. Die ÖVP hält es offenbar für einen solchen, wenn sie Michael Spindelegger sagen lässt, er möchte Kanzler werden. Es gibt aber kein Anzeichen dafür, dass diese Aussicht attraktiv genug ist, die ÖVP zur stärksten Partei zu machen.
Die Neugier der Wähler - wichtigste Voraussetzung, sie an die Urnen zu bringen - wird sich auf diese Weise nicht wecken lassen, und selbst die Stammwähler der großen Parteien verlaufen sich allmählich, entweder zu einer der Parteien, die Erneuerung versprechen, selbst wenn sie ihnen die Einlösung dieses Versprechens gar nicht zutrauen, oder in die Wahlenthaltung. Aber wenn wir laut Thurnher das geschwätzigste Schweigen hinter uns haben, kann es bis zum Wahltag nur noch besser werden. (Günter Traxler, DER STANDARD, 30.8.2013)