Twinkind erlaubt es Miniaturen von sich selbst zu erstellen.

Foto: Twinkind

Das eigene Ich in den Händen halten als naturgetreues Miniaturmodell - dieser Gedanke fasziniert Menschen offenbar aus der ganzen Welt. Das kleine Hamburger Start-up Twinkind gibt es erst seit wenigen Monaten - kann aber bereits Kunden aus Finnland, England, Israel und vielen weiteren Ländern Europas vorweisen. "Fast die Hälfte unserer Besucher sind aus dem Ausland gewesen", sagt Geschäftsführer und Gründer Timo Schaedel.

"Wir haben auch einen Chinesen hier gehabt - aber der hat eine Europareise gemacht, der kam nicht extra aus China hierher. Das würde ich vielleicht auch gar nicht so gut finden - da ist eher der Gedanke, dass wir vielleicht irgendwann mal auch nach China gehen", sagt Schaedel. Schon heute bekomme das Unternehmen jeden Tag mehrere E-Mails aus China.

Dass Schaedel nach so kurzer Zeit bereits laut über eine zukünftige Expansion nach China nachdenkt, ist nicht ganz so fernliegend, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Um Twinkind, das bis vor wenigen Monaten noch nicht mehr als eine Internetseite und Facebook-Seite hatte, hat sich durch das Internet zu einem internationalen Hype entwickelt.

"Ziemlich viral gegangen"

"In zwei Wochen ist das ganze zum Glück ziemlich viral gegangen, kann man eigentlich sagen", beschreibt Schaedel die Gründungsphase im Juni dieses Jahres. "Alle, die uns da draußen bislang kennengelernt haben, haben uns letztlich über die Blogs kennengelernt oder über größere Publikationen." Ein kleines Blog stand am Anfang, dann wurde die größeren Blogs Trendhunter und Thecoolhunter darauf aufmerksam - und dann ging alles ganz schnell. Zwei Tage später klopfte Spiegel Online an.

Das virale Marketing hat vielleicht sogar zu gut funktioniert für das Start-up mit nur einer Handvoll Mitarbeitern. Derzeit müssen Kunden mit einer Warteliste rechnen, die Nachfrage kann derzeit nicht befriedigt werden. Die Zahl der Kunden will das Start-up nicht verraten - allerdings seien es derzeit "mehr als wir uns gewünscht haben", sagt Schaedel. "Wir können gar nicht unendlich viele fertigen - eben weil so viel Arbeit daran hängt." Alleine der Kundenbesuch dauere bis zu einer halben Stunde, insgesamt nimmt jede Figur mehrere Stunden in Anspruch. "Es ist das Ziel in der Zukunft an mehreren Standorten aufzutauchen", sagt Schaedel.

Die 3D-Modelle in verschiedenen Maßstäben zwischen 1 zu 12 und 1 zu 5 kosten zwischen 225 und 1290 Euro pro Figur. Die Kunden müssen derzeit noch nach Hamburg kommen - bis spätestens Mitte Oktober will Twinkind nach Berlin-Mitte umgezogen sein.

Der Umzug in Deutschlands Hauptstadt der Hipster kommt nicht ohne Grund: Berlin Mitte sei in Europa eine der "spannendsten Ecken" für das Produkt, sagt Schaedel. Berlin habe mehr Touristen und ziehe eine bestimmte Gattung von Menschen an, "die Berlin zuerst ansteuern." "Es ist eine Stadt, in der viel Englisch gesprochen wird, wo man zweisprachige Speisekarten findet - die internationale Aufmerksamkeit ist am grössten", sagt Schaedel.

Ein Problem bleibt aber auch nach dem Umzug bestehen: Zwischen Twinkind und den Kunden steht in der Regel eine weite Reise. Nach Angaben des Gründers ist der persönliche Besuch des Unternehmens für die Qualität der Motive notwendig. "Es fängt mit Fotografie an, 100 verschiedene Winkel exakt gleichzeitig", sagt er. Das ist eine Besonderheit der Technik von Twinkind: In einem Bruchteil einer Sekunde werden die rund 100 Aufnahmen gemacht - Stillhalten ist nicht notwendig. "Die Zeit einfrieren", nennt Schaedel das. "Schon die exakte Gleichzeitigkeit ist eine technische Herausforderung - das ist nicht zu ersetzen, zumindest noch nicht."

Bei einem ähnlichen Pop-Art-Projekt in Japan im vergangenen Dezember und Januar mussten die menschlichen Motive noch 15 bis 20 Minuten still stehen. Ein Dreivierteljahr habe Twinkind an der Technik gefeilt. Weil Bewegungen bei dem Verfahren möglich sind, können auch 3D-Modelle von kleinen Kindern oder Haustieren wie Hunden erstellt werden.

In ferner Zukunft ist es vielleicht einmal möglich, sich die Anreise für eine Figur zu sparen. Noch intelligentere Software, die aus drei oder mehr Fotos denselben Detailgrad herausarbeitet, sei ein Fernziel, sagt Schaedel. "Solche Entwicklungen werden noch über Jahre gehen."

Rund 40 Prozent der Kunden wollten eine Figur von sich selbst, schätzt Schaedel - aus den unterschiedlichsten Motiven. "Einer wollte sich zum Beispiel selbst mit auf eine Reise nehmen, um sich auf den Nachtisch zu stellen", sagt der Gründer und Geschäftsführer - und kann sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Die überwiegende Mehrzahl sucht aber nach einem Geschenk: So schenkt sich beispielsweise ein Mann mit nach oben gestrecktem Blumenstrauß seiner Freundin.

Als Geschenk beliebt

Viele wollten sich selbst auch ihren Eltern schenken. Ebenfalls beliebt: Familien- und Paar-Motive - frisch verheiratet oder verlobt. Auch nach Autos und Motorrädern wird häufig gefragt - doch hier spielt die Technik noch nicht mit. So sind beispielsweise die Speichen von Rädern zu filigran für die 3D-Drucktechnik und das System kann keine glänzenden Lackoberflächen erfassen. Accessoires auf dem Foto sind aber kein Problem - Blumenstrauß, Handtasche, Fußball, Rucksack oder Skateboard - viele Kunden zeigen sich gerne mit einem Objekt, das sie als typisch für sie empfinden.

Spielt Selbstverliebtheit eine Rolle? "Ich finde nichts Falsches an der Faszination, sich selbst einmal in der Hand zu halten", sagt Schaedel. "Das hat für mich nicht unbedingt was mit Selbstverliebtheit zu tun. Aber das kann man möglicherweise aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten."

Aktuell dauert es aufgrund der hohen Nachfrage zwei bis fünf Wochen, bis die Figur beim Kunden ankommt. Allerdings wird Twinkind nach eigenen Angaben immer schneller. "Wir arbeiten kontinuierlich daran, alles zu verbessern", sagt der Chef.

Die 3D-Figuren, die auch 3D-Portraits, 3D-Fotofiguren, Replikas oder Minitwins genannt werden, betrachtet Schaedel "ein bisschen als neues Medium" - eine neue Art der Fotografie. Das Interesse an der Technik sei enorm. So fragten beispielsweise viele Unternehmen an, ob sie die Technik lizenzieren könnten.

"Wie ein Geistesblitz"

Die Idee kam Schaedel und einem Mitgründer nach eigenen Angaben "wie ein Geistesblitz". Schaedel ist Werberegisseur - ein Beruf, indem er viel mit Computergrafiken zu tun hatte. Inspiriert wurde er durch den Hype rund um 3D-Drucker. "Irgendwie kamen alle Dinge zusammen", sagt er. Bei den Recherchen stießen die Gründer auf das ähnliche Projekt in Japan - das habe ihnen Mut gegeben, dass es realisierbar sei.

Die 3D-Figuren werden mit Hilfe eines sogenannten Multicolor-Printer hergestellt. "Im Grunde gibt es nur eine Technik in der Welt von einem Hersteller, die das kann", sagt Schaedel. Eine Maschine koste einen Betrag im "hohen fünfstelligen Bereich." Dabei kommt nicht wie bei klassischen 3D-Druckern, die inzwischen teilweise auch schon im Heimgebrauch eingesetzt werden, eine Plastikspule zum Einsatz, die geschmolzen wird. Stattdessen wird ein feinkörniges Pulver verwendet, das in Zehntelmillimeterschichten aufgetragen wird. Sprühdüsen schießen ein Bindemittel in das Pulver, das eingefärbt wird. Komplett automatisiert ist das Verfahren noch nicht - so muss beispielsweise der Drucker manuell eingerichtet werden, auch der Scan funktioniert noch nicht komplett automatisch. "Zu drei Viertel würde ich sagen", so Schaedel, sei die Aufnahme der Modelle inzwischen automatisiert. Zwischen Aufnahme und 3D-Druck werden die 3D-Modelle noch digital nachbearbeitet.

Die Figuren sind nach Angabe Schaedels "ziemlich robust aber nicht perfekt robust - auf jeden Fall kein Spielzeug". Wenn die Figur beispielsweise herunterfällt, kann etwa ein Finger abbrechen. Behandeln sollten die Kunden die "Minitwins" am besten "ein bisschen wie ein Kunstwerk an der Wand."

Ziel: Expansion nach New York

Der Start des Unternehmens wurde noch komplett aus privater Hand finanziert. "Es könnte gut sein, dass wir uns in der nächsten Stufe nach Venture-Kapital umgucken", sagt Schaedel. Dann steht auch die Expansion an. Die Website war von Anfang an auf Englisch wie Deutsch verfügbar - die USA stehen bei Twinkind ganz oben auf der Liste als Expansionsziel "Zu New York gibt es wirklich sehr ernsthafte Überlegungen", sagt Schaedel. "Wenn wir es tun, werden wir es bis nächsten Sommer vollbracht haben." (Stephan Dörner, Wsj.de/derStandard.at, 01.09.13)