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Weder macht Stronach seine eigene Migrationsgeschichte zu einem Experten für die Migrationsproblematik, noch macht ihn sein eigener erfolgreicher wirtschaftlicher Aufstieg zu einem Wirtschaftsexperten.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Der leistungsstarke Migrant, von dem Staatssekretär Sebastian Kurz seit geraumer Zeit träumt, wird von kaum jemandem so überzeugend verkörpert wie von Frank Stronach: Getrieben vom Wunsch, "die Welt zu sehen und endlich Geld zu verdienen" sei er mit "einem kleinen Koffer, 200 Dollar in der Tasche, einer Jeans, zwei Hemden, einem Paar Unterhosen und einem One-Way-Ticket" ins Ungewisse aufgebrochen, heißt es bei einem Interview für das Stadtmagazin Biber. In der ersten, schwierigen Phase ist es de facto die eigene Community, die dem Neuankömmling unter die Arme greift: In Toronto "gab es einen Steirer. Er hat mich gekannt und nur gesagt: ‚Servus, du schaust a bisserl müd aus. Bist hungrig? Komm rein.’"

Die Community hilft

Ein klassischer Wirtschaftsflüchtling also, der mit geringen Sprachkenntnissen, wenig Geld, aber mit großen Ambitionen in einem fremden Land auftaucht und dort erst mal in der "Parallelgesellschaft" auf die Hilfe seiner Landsleute angewiesen ist, bevor er sich "integriert", sich hocharbeitet und durch seine Wirtschaftsleistung auch einen Mehrwert für die Aufnahmegesellschaft schafft.

Mit dem Mercedes durchs Dorf

Auch die späte Rückkehr ins eigene Herkunftsland mit entsprechender Zurschaustellung der eigenen Erfolge folgt noch einem klassischen Migrationsszenario: Berühmt-berüchtigt sind etwa auf dem Balkan die Gastarbeiter, die mit nagelneuem Mercedes durch ihr altes Dorf fahren und rundum Bewunderung ernten. Der Unterschied zu Stronach ist nur, dass diese Mercedes-Fahrer in ihrer neuen Heimat vielfach Bürger zweiter Klasse sind, während Stronach tatsächlich ein milliardenschwerer Firmenchef ist. Aber das Prinzip ist dasselbe: Seht her, ich habe es zu etwas gebracht, und ihr sollt es würdigen.

Hunger nach Anerkennung

Auf einer menschlichen Ebene ist Stronachs Buhlen um öffentliche Aufmerksamkeit nachvollziehbar: Ein Ex-Migrant sucht auf seine alten Tage Anschluss und Anerkennung in seinem Herkunftsland.

Tatsächlich gebührt Stronach Anerkennung für seinen harten Aufstieg vom einfachen Arbeiter zum Milliardär. Der erfolgreiche Ex-Migrant Stronach verwechselt jedoch Lebenserfahrung mit Qualifikation: Weder macht ihn seine eigene Migrationsgeschichte zu einem Experten für die Migrationsproblematik, noch macht ihn sein eigener erfolgreicher wirtschaftlicher Aufstieg zu einem Wirtschaftsexperten. Ebenso verhält es sich mit der Aufmerksamkeitssucht: Sie ist eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für politische Betätigung.

Lehrmeister der Nation

Mit einem missionarischen Eifer, der tragikomisch anmutet, betätigt sich Stronach als Lehrmeister der Nation und will jedem erklären, wie es geht: die gelungene Migration, die gelungene Firmengründung, das gelungene Leben – Frank Stronach weiß es, aus Erfahrung nämlich. Was er dabei außer Acht lässt, ist die schlichte Tatsache, dass nicht alle Menschen gleich ticken, und dass Stronach als Vorbild nicht so massentauglich ist, wie er vermutlich glaubt. Außer wirtschaftlichem Erfolg soll es noch andere Lebensziele geben, wie etwa Bildung, Kunst, Soziales, etc. Kurz gesagt, Frank Stronach scheint nicht zu begreifen, dass nicht alles, was für Frank Stronach gut und recht ist, auch für jeden anderen in diesem Land nur billig sein kann. Sein Konzept stützt sich auf nichts anderes als seine eigene Lebenserfahrung, seinen eigenen way of life.

Typus "Politiksöldner"

Vorläufig kann man festhalten, dass Stronachs Strategie nur zwei Eckpunkte besitzt: Seinen eigenen Aufstieg als self-made man, den er als leuchtendes Beispiel aufs Podest gestellt sehen will, und sein beträchtliches Vermögen, mit dem er imstande ist, eine Partei aus dem Boden zu stampfen und sich eine Truppe von "Politiksöldnern" zu leisten, ganz "unbelastet" von Ideologien, Konzepten oder politischem Denken. Ob die Wähler diese entpolitisierte und individualisierte Art, Politik zu machen, honorieren wollen, wird die Wahl zeigen.

Ganz ungefährlich ist ein solcher, rein auf eine persönliche Geschichte zugeschnittener Zugang nicht, denn er bedingt eine weitgehende Verweigerung demokratischer Spielregeln, etwa bei Diskussionen mit Journalisten und Mitbewerbern. Bei Dürrenmatt kann man im "Besuch der alten Dame" wunderbar nachlesen, wie korrumpierbar eine Gesellschaft ist, wenn großes Geld im Spiel ist und bessere Ideen fehlen. (Mascha Dabić, 2.9.2013, daStandard.at)