Wien - "Pensionen nicht antasten!", propagiert die SPÖ via Werbespots in Funk und Fernsehen. Ist dem Versprechen zu trauen? Sind Kürzungen und Verschärfungen bei der Alterssicherung für die Kanzlerpartei wirklich tabu?

Um damit durchzukommen, muss die SPÖ auf die Vergesslichkeit der Wähler hoffen. Denn in den vergangenen fünf Jahren hat die sozialdemokratisch geführte Regierung sehr wohl an den Pensionen herumgedoktert. Es gab einige Reformen, aber auch simple Kürzungen, die für den Einzelnen durchaus happig ausfielen.

Es begann mit dem ersten von zwei Sparpaketen, das Rot und Schwarz im Oktober 2010 in Loipersdorf schnürten: Seither werden Pensionisten im ersten Jahr nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht mehr an die Inflation angepasst. Was harmlos klingt, summiert sich zu einem empfindlichen Verlust, weil das niedrigere Niveau ja über die Jahre mitgeschleppt wird. Laut Rechnung des Pensionsexperten Ulrich Schuh kostet der Einschnitt einen Durchschnittsrentner etwa 3000 Euro.

Das nächste Mal zückte die Koalition im März 2012 die Schere. Konsolidierungspaket Nummer zwei verbucht ein Drittel aller Einsparungen bei den Pensionen, knapp die Hälfte der 5,67 Milliarden Euro entfällt auf simple Leistungskürzungen. In den Jahren 2013 und 2014 werden die Altersbezüge nicht vollends an die Inflationsrate angepasst, womit sie real an Wert verlieren. Wieder gilt: Die Verluste pflanzen sich über die Jahre fort. Bereits nach vier Jahren fällt ein durchschnittlicher Alterspensionist um mehr als 1000 Euro um.

Dass die Pensionen jährlich wertgesichert werden sollen, indem sie mit der Inflationsrate steigen, fußt übrigens nicht bloß auf informelles Gewohnheitsrecht. Vielmehr gilt für diese Praxis im Prinzip das gleiche, was die SPÖ unter Hinweis auf die Verlässlichkeit derzeit als Argument für ein niedrigeres Frauenpensionsalter ins Treffen führt: Der Teuerungsausgleich ist gesetzlich festgeschrieben, wenn auch nicht in der Verfassung.

In die Sparpakete baute die SPÖ im Verein mit der ÖVP auch Reformen ein, die viele Pensionswillige zweifellos als Verschlechterung interpretieren werden. Ziemlich kurzfristig hebt die Koalition etwa die Hürde für die reguläre Frühpension, die sogenannte Korridorpension, an: Die Zahl der für den Antritt notwendigen Versicherungsjahre wächst ab heuer in Halbjahresschritten von 37,5 auf 40 Jahre. Außerdem steigen die Abschläge, die für jedes Jahr vor dem Regelpensionsalter von 65 Jahren zu zahlen sind, von 4,2 auf 5,1 Prozent.

Härter geworden sind die Regeln auch in Sachen Invaliditätspension sowie bei der besonders umstrittenen Hackler-Frühpension: Das Antrittsalter steigt, die Bedingungen werden strenger.

Sinn und Ausmaß der Einschnitte kann man richtig finden oder nicht; so mancher Experte lobt die Reformen, die Kürzungen waren mit den Seniorenvertretern ausgehandelt. Doch für die Behauptung, dass an den Pensionen nicht gerüttelt wird, kann die SPÖ die letzten fünf Jahre nicht als Beleg heranziehen.

Tatsächlich nichts geändert hat die Koalition am gesetzlichen Pensionsalter der Frauen, das mit 60 um fünf Jahre niedriger liegt als jenes der Männer. Was die SPÖ in ihrem Werbespot allerdings einen (potenziellen) Wähler aussprechen lässt ("es sollte so bleiben"), ist nur dann einzuhalten, wenn sie die eigene Linie über den Haufen wirft: Dass das Frauenpensionsalter ab 2024 steigen soll, ist längst festgeschrieben. (Gerald John, DER STANDARD, 3.9.2013)