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Mit dem Ultra-Weitwinkelgerät bekommt der Augenarzt tiefe Einblicke in das menschliche Auge.

 

Mit konventionellen Methoden werden 10 bis 15 Prozent der Netzhaut abgebildet.

Foto: Dr. Roman Rybiczka

"Wir Augenärzte haben das große Glück, dass alle Menschen altersweitsichtig werden", sagt Roman Rybiczka, Leiter des Augenambulatoriums in Wien-West. Früher oder später, jedenfalls so um das 40. Lebensjahr, sieht demnach ein bis zu diesem Zeitpunkt normalsichtiger Mensch in der Nähe zunehmend weniger. Vor allem Lesen wird dann zur Herausforderung, der Besuch eines Augenarztes liegt nahe. "Im Zusammenhang damit werden auch andere Augenuntersuchungen gemacht und so oft frühzeitig Erkrankungen erkannt", so der Augenexperte.

Besonders aufschlussreich zeigt sich im Zuge der Augenvorsorge die Netzhaut. Diese Schicht, die das Innere des Auges auskleidet und dem lichtempfindlichen Filmmaterial einer Kamera entspricht, repräsentiert praktisch das gesamte menschliche Blutgefäßsystem im Kleinformat. "Sind die Blutgefäße auf der Netzhaut verengt und verkalkt, kann man davon ausgehen, dass das in den Herzkranzgefäßen und im Gehirn auch der Fall ist", sagt Rybiczka.

So kann nicht nur ein drohender Schlaganfall oder Herzinfarkt, sondern auch ein bestehender Diabetes früher erkannt und mit nachfolgender Blutzuckereinstellung ein fortschreitender Sehverlust bis hin zur Erblindung verhindert werden.

Blick in die Peripherie

Konventionelle Untersuchungsmethoden der Netzhaut machen eine Frühdiagnose des Diabetes allerdings nur schwer möglich. Die geschädigten Blutgefäße (Mikroangiopathie, Anm.) der erkrankten Retina (diabetischen Retinopathie, Anm.Red.) zeigen sich nämlich häufig in der Peripherie der Netzhaut. Und die lässt sich wiederum mit einer speziellen Lupe oder der Funduskamera nicht überblicken. "Im Gegensatz zur Funduskamera, mit der ungefähr 10 bis 15 Prozent der Netzhaut abgebildet werden, lassen sich mit dem Ultra-Weitwinkel-Netzhaut Bildgebungssystem mehr als 80 Prozent der Retina erfassen", sagt Rybiczka.

Das Gerät, das im Jahr 2000 erfunden und in den letzten Jahren auf leichtere Handhabung optimiert wurde, ist Leif Andersons Sohn zu verdanken. Dieser erblindete 1990 im Alter von nur fünf Jahren  als Folge einer Netzhautablösung. Zwar war der Junge im Vorfeld regelmäßig untersucht worden, die verfügbaren diagnostischen Mittel ließen jedoch eine Diagnose erst gar nicht zu. Für seinen Großvater und Ingenieur Douglas Anderson ein guter Grund die Ultra-Weitwinkel-Technologie zu entwickeln.

Kein Eintropfen

Die Methode bietet unübersehbare Vorteile für die Patienten. Eine Pupillenerweiterung, sprich das Eintropfen der Augen mit einem Mydriatikum, ist nicht mehr erforderlich. Augenbrennen, Blendungseffekt, stundenlange verschwommene Sicht und daraus resultierende Fahruntüchtigkeit sind damit kein Thema mehr.

Die Untersuchung an sich geht schnell und einfach vor sich. Der Patient richtet seinen Blick in das Gerät und innerhalb kurzer Zeit liegt ein digitales 200 Grad Panoramabild der Retina in hoher Auflösung vor. Erzeugt wird dieses mit Hilfe zweier Laser, welche die Netzhaut mit unterschiedlichen Wellenlängen scannt. Eine zwei Millimeter weite Pupille erlaubt bereits die Erzeugung aussagekräftiger Bilder.

Für Kinder ist das Gerät besonders geeignet. "Kinder sind unruhig, kneifen die Augen zusammen und eintropfen mögen sie schon gar nicht", sagt Rybiczka. Von den Eltern angenommen wird die Untersuchungsmethode trotzdem kaum. Das mag damit zusammenhängen, dass die Krankenkassen die zwischen 25 und 50 Euro im Schnitt pro Patient anfallenden Kosten nicht übernehmen.

Symptomlose Entwicklung

Dass sich der Preis allerdings lohnt, haben auch kanadische Wissenschaftler bewiesen, die im Rahmen einer Studie mit dem Weitwinkel-Netzhautgerät um 44 Prozent mehr pathologische Veränderungen der Retina, als mit einer Funduskamera gefunden haben.

Neben Gefäßveränderungen, die Hinweise auf systemische Erkrankungen wie Diabetes geben, lassen sich auch Augenerkrankungen, wie die Makuladegeneration oder Melanome der Aderhaut frühzeitig erkennen. "Bei Kurzsichtigen kommt es häufig zu Veränderungen in der Peripherie. Die Netzhaut verdünnt sich in diesem Bereich und es entstehen Netzhautlöcher", ergänzt Rybicka und erinnert daran, dass insbesondere die schmerzlose Entwicklung diverser Krankheitsbilder, Patienten oft zu spät in die Ordination bringt. (Regina Walter, derStandard.at, 5.9.2013)