Plakate beeinflussen die Denkleistung: Das hat eine Studie an der Uni Linz ergeben.

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Jugendliche mit Migrationshintergrund, die mit ausländerfeindlichen Bildern oder Sprüchen konfrontiert werden, erbringen danach eine schlechtere Denkleistung: Zu diesem Schluss kommt der Psychologe Markus Appel, Associate Professor an der Johannes-Kepler-Uni in Linz. Er hat Schüler und Schülerinnen mit diversen FPÖ-Wahlplakaten konfrontiert, die Sprüche wie "Sozialstaat statt Zuwanderung", "Daham statt Islam" und "Deutsch statt 'Nix verstehn'" enthielten.

Schlechtere Ergebnisse

Die Jugendlichen mussten vor und nach dem Betrachten der Plakate schwierige Denkaufgaben erfüllen. Dabei zeigte sich: Testpersonen mit Migrationshintergrund schnitten nach dem Betrachten der Plakate schlechter ab als zuvor. Wurden sie nicht mit den FPÖ-Sprüchen konfrontiert, blieb ihre Leistung hingegen unverändert. Zum Vergleich wurden die FPÖ-Plakate auch Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund gezeigt - bei ihnen hatten die Sprüche keinen Einfluss auf die Leistung.

Das Studienergebnis bestätige, was man bereits bei Untersuchungen zum Thema Frauen und Mathematik herausgefunden habe: Wer mit negativen Stereotypen rund um die eigene Identität konfrontiert wird, erbringe danach schlechtere Leistungen - unabhängig davon, ob man einer Mehrheit oder einer Minderheit angehört. De facto sind Angehörige von Minderheiten jedoch häufiger von solchen Anfeindungen betroffen.

Erregung

Der Leistungsabfall sei eine Folge der negativen Erregung, die man empfinde, wenn die eigene Identität herabgewürdigt wird, erklärt Appel. Bei Frauen sei es beispielsweise sexistische Werbung, die einen negativen Einfluss auf mathematische Fähigkeiten habe - bei Migrantinnen und Migranten sei es ausländerfeindliche Propaganda.

Im Fall der Linzer Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund habe sich die Leistung um sechs Prozentpunkte verschlechtert. "Das ist zwar kein großer Leistungsabfall, aber eindeutig ein signifikant schlechteres Ergebnis", meint Studienautor Appel. Lehrer und Lehrerinnen sollten sich bewusst sein, "dass es Konsequenzen hat, wenn ich Stereotype verbreite". Laut Appel wäre es wichtig, diese Erkenntnisse in die Lehrerbildung zu integrieren.

Bedrohung

Dieser Mechanismus, der in der Psychologie als "Stereotype Threat" bezeichnet wird, werde zunehmend auch soziologisch angewendet: Man könne davon ausgehen, dass die Sarrazin-Debatte, in der wiederholt von einer angeblichen genetischen Disposition die Rede war, tatsächlich Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit von (manchen) Migrantinnen und Migranten habe, so Appel. Je öfter und lauter die mangelnde Leistungsfähigkeit einer bestimmten Personengruppe betont wird, desto höher ist demnach die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Leistungsminderung später tatsächlich manifestiert.

Während der Stereotype-Effekt in mehreren Forschungen belegt ist, stieß Appel in seinem Linzer Setting, das er mit 13- bis 17-jährigen Jugendlichen durchführte, auf ein überraschendes Detailergebnis: Jene Jugendlichen, die sich besonders stark mit dem Herkunftsland ihrer Eltern identifizierten, zeigten weniger starke Leistungseinbrüche als die übrigen Jugendlichen.

Das könnte laut Appel ein Hinweis darauf sein, dass eine starke Identifikation mit dem Ursprungsland auch als psychologische Stütze im Umgang mit Anfeindungen dienen könnte. Das sei aber nur eine Vermutung: Die vergleichende internationale Forschung habe diese These bislang nicht erhärtet. (Maria Sterkl, derStandard.at, 3.9.2013)