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Am Dienstag wurde der deutsche Bundestag zur Wahlkampfarena. SPD-Spitzenkandidat griff Merkel frontal an. Die Kanzlerin ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Berlin - Mit einem Frontalangriff auf die Regierungspolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der sozialdemokratische deutsche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Dienstag versucht, im Wahlkampfendspurt das Ruder noch herumzureißen. "Deutschland ist in den letzten vier Jahren unter Wert regiert worden", sagte Steinbrück im Bundestag im wohl letzten direkten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten vor der Bundestagswahl am 22. September.

Beim TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück vom Sonntagabend war kein klarer Sieger ausgemacht worden. In den Meinungsumfragen lagen der SPD-Kandidat und seine Partei zuletzt deutlich hinter Merkel und der Union.

Merkel warf Sozialdemokraten und Grünen in der Parlamentsdebatte unter anderem vor, die Euro-Rettungspolitik der christlich-liberalen Bundesregierung lautstark zu kritisieren, obwohl beide Fraktionen im Bundestag meist zugestimmt hätten.

"Angekündigt, abgewartet, ausgesessen"

Steinbrück hielt Merkel knapp drei Wochen vor der Wahl in einer kämpferischen Rede vor, sie habe in den vergangenen vier Jahren nur "angekündigt, abgewartet, ausgesessen". Die Kanzlerin habe kein Projekt und keine Vision gehabt, die über diese Legislaturperiode hinaus Deutschland Zukunft und Richtung gegeben habe.

"Wann haben Sie Ihr Amt in die Waagschale geworfen - wie alle Ihre Vorgänger - und Ihre Richtlinienkompetenz ausgeübt, um diesem Land eine Richtung zu geben", fragte er die Amtsinhaberin. "Sie sind doch nicht die Präsidentin der Republik", rief Steinbrück.

Merkel sei für das "tatenloseste, zerstrittenste, rückwärtsgewandteste aber vollmundigste Kabinett seit der Deutschen Wiedervereinigung" verantwortlich. "Sie sind die Architektin der Macht, aber Sie sind nicht die Architektin des Landes", sagte Steinbrück an die Adresse Merkels. Merkel fahre Ernten ein, die sie nicht gesät habe, sagte er mit Blick auf die Agenda-2010-Reformen von SPD-Kanzler Gerhard Schröder.

Merkel weist Kritik zurück

Die Kanzlerin hatte vor den Steinbrück-Attacken lautstarke Kritik aus den Reihen der Opposition an ihrer Euro-Rettungspolitik als paradox zurückgewiesen. "Sie haben ja nahezu allen Programmen (...) in diesem Hause zugestimmt, die sich mit der Eurorettung befasst haben." Gemeinsam habe man einen Wachstumspakt verabschiedet und für einen gemeinsamen Haushalt in Europa gearbeitet.

Merkel kündigte an, sie werde bei einem Wahlsieg als eine der ersten Maßnahmen eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) angehen. Es müsse die Dynamik der Kostenentwicklung gestoppt werden. Mittlerweile kosten die auf die Strompreise abgewälzten Subventionen für Windräder, Solarparks, Biogasanlagen und Wasserkraftwerke die deutschen Verbraucher über 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Kurz vor dem Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) an diesem Donnerstag und Freitag im russischen St. Petersburg verlangte Merkel weltweit schärfere Regeln für sogenannte Schattenbanken. "Wir kommen leider zu langsam voran bei der Regulierung der Schattenbanken", kritisierte sie. "Wenn wir hier keine ansprechenden und entsprechenden Ergebnisse erleben, dann machen sich die G20 lächerlich", sagte sie.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hielt Steinbrück einen Wahlkampf unterhalb der Gürtellinie vor. Der Vorwurf an Merkel, sie habe in der Spähaffäre der Geheimdienste ihren Amtseid verletzt und Deutschland nicht geschützt, sei völlig daneben gewesen, sagte Brüderle, der Spitzenkandidat der Liberalen ist. (APA, 3.9.2013)