Der 20 Meter große Meteorit von Tscheljabinsk im vergangenen Februar und der knappe Vorbeiflug des etwa doppelt so großen Asteroiden 2012 DA14 am selben Tag führten vor Augen, dass Geschosse aus dem All eine Ernst zu zunehmende Gefahr darstellen können. Zumindest gegen die mittelgroßen Brocken ließen sich Maßnahmen ergreifen, entsprechende Konzepte liegen bereits vor. Eine aktuelle Studie belegt nun, dass bis zu 300 Meter große Asteroiden durch den Aufprall einer schweren Masse auch wirklich abgelenkt werden könnten. Die schlechte Nachricht: eine solche Gegenwehr per Impakt-Sonde müßte schon Jahre vor dem zu verhindernden Einschlag in die Wege geleitet werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erde von einem Asteroiden mit nennenswerten Auswirkungen getroffen wird, steht rein statistisch im Zusammenhang mit der Größe des Brockens. Einfach gesagt: Je größer das Impakt-Ereignis, umso seltener trat es in der Vergangenheit auf. Nach dieser Rechnung schlägt etwa alle 500.000 Jahre ein Asteroid mit einem Durchmesser von rund einem Kilometer ein. Fünf Mal so große Brocken kollidieren mit der Erde durchschnittlich einmal alle 12 Millionen Jahre. Der letzte Asteroid von rund 10 Kilometer Durchmesser schlug vor 65 Millionen Jahren im heutigen Mexiko ein. Er verursachte einen mindestens 170 Kilometer großen Krater und führte unter anderem zum Niedergang der Dinosaurier.
Wesentlich häufiger treffen dagegen 100 bis 300 Meter große Asteroiden auf die Erde: Alle 5.000 bis 70.000 Jahre kommt es zu einem solchen katastrophalen Ereignis, bei dem einzelne Städte bis hin zu ganzen Regionen ausgelöscht werden können. Frank Schäfer und sein Team vom Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik in Freiburg beschäftigt sich mit Brocken dieser Größenordnung und vor allem damit, wie man ein fatales Zusammentreffen mit ihnen in Zukunft verhindern könnte.
Abwehrmaßnahmen mit langer Vorlaufzeit
Die Wissenschafter haben nun in ersten Modellversuchen im Labor gezeigt, dass es möglich ist, die Asteroiden durch den Aufprall einer schweren Masse mit hoher Geschwindigkeit – zum Beispiel einer großen Raumsonde – aus der Bahn zu werfen. Das Prinzip beim Zusammenstoß ist ähnlich wie beim Billard: Trifft eine Kugel auf die andere, ändert diese ihre Bahn. "Die Raumsonde überträgt beim Aufprall auf den Asteroiden nicht nur ihren eigenen Impuls. Hinzu kommt der Rückstoß durch die – entgegen der Einschlagrichtung – ausgeschleuderte Kratermasse", beschreibt Schäfer eines der wesentlichen Testergebnisse. "Dieser Rückstoßeffekt wirkt wie ein Turbolader auf die Ablenkung des Asteroiden." Die Versuche haben gezeigt, dass der übertragene Impuls durch diesen Effekt bis zu viermal größer ist, als das mit der Raumsonde alleine der Fall wäre.
Die Experimente zeigten allerdings auch, dass der Impulstransfer geringer wird, je poröser das Asteroidengestein ist. Die Beschusstaktik ist also besonders effizient für dichte, schwere Himmelskörper. Noch viel schwerer wiegt, dass der Ablenkungseffekt sich erst über große Zeitträume hinweg ausreichend auswirkt. "In einem realen Fall würde der Einschlag einer Raumsonde die Geschwindigkeit des Asteroiden nur um wenige Zentimeter pro Sekunde ändern. Das reicht aus, dessen Bahn langsam aber im Lauf der Zeit signifikant abzulenken. Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde muss man daher schon Jahre vorher beschießen, um einen möglichen Zusammenstoß abzuwenden", erklärt Schäfer.
Fast 10.000 erdnahe Asteroiden
Die Studie ist Teil des von der EU geförderten Weltraumprojekts "NEOShield". Forscher aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, USA und Russland arbeiten im Rahmen dieses Projektes an Wegen, die Erde vor "Near Earth Objects", erdbahn-kreuzenden Asteroiden, zu schützen. Eines der Ziele ist es, bis Mitte 2015 eine Weltraummission zu planen, bei der tatsächlich ein Asteroid abgelenkt werden kann. Versuchsobjekte gehen den Spezialisten nicht aus: Astronomen haben bislang fast 10.000 Asteroiden identifiziert, die der Erde sehr nahe kommen können. Alleine im September stehen uns laut der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA über 20 weitere "close approaches" bevor. "2008 HB38" kommt uns dabei am 15. September mit knapp fünf Millionen Kilometern am nächsten. (red, derStandard.at, 03.09.2013)