Der Vorstoß der ÖVP, den Zwölfstundenarbeitstag in Österreich zuzulassen, wurde von SPÖ, Gewerkschaften und den Medien rasch als Rückkehr zu einer Ausbeutungsgesellschaft gedeutet. Doch für Arbeitsrechtler wie Stefan Köck von Freshfields wäre ein solcher Schritt dringend notwendig - und genauso im Interesse von Arbeitnehmern wie Betrieben.

Wie Köck erklärt, wurde das einst sehr starre Arbeitszeitgesetz in den vergangenen 30 Jahren weitgehend liberalisiert. Gleitzeit erlaubt eine recht flexible Stundeneinteilung, und die maximale Wochenarbeitszeit ist mit 48 bzw. 50 Stunden durch EU-Richtlinie und Gesetz auch relativ hoch gedeckelt.

Dazwischen aber ist die maximale Tagesarbeitszeit von zehn Stunden stehengeblieben, die es oft unmöglich macht, Gleitzeitvereinbarungen voll auszuschöpfen. Gerade jüngere Arbeitnehmer würden gern einige Tage durcharbeiten und sich dann ein langes Wochenende gönnen. In vielen modernen Dienstleistungsberufen hört weder die Arbeit noch die Leistungsfähigkeit nach zehn Stunden auf. Doch nach dem Gesetz muss dann der Kugelschreiber fallen gelassen und der Computer abgeschaltet werden - egal, ob das Projekt fertig ist oder nicht.

Schwierigkeiten

"In der Praxis macht die Zehnstundengrenze die größten Schwierigkeiten, auch weil viele Arbeitnehmer nicht verstehen, warum sie nicht länger arbeiten dürfen", sagt Köck.

Verstöße gegen diese Grenze und die Aufzeichnungspflicht werden streng bestraft, und die Bußen wurden in der Novelle des Arbeitszeitgesetzes deutlich verschärft. Um Grenze und Strafe auszuweichen, werden manche Betriebe zu falschen Aufzeichnungen verleitet, warnt Köck. Das aber könne sehr wohl zur Ausbeutung von Arbeitnehmern führen. "Da entfernt sich das Gesetz völlig von der Realität, schafft eine arbeitsrechtliche Parallelwelt", sagt Köck. Die bestehenden Ausnahmen würden absurderweise vor allem Bereiche wie Schichtarbeit betreffen, wo die Gesundheitsgefährdung am größten ist.

Eine Aufweichung der Zehnstundengrenze würde weder zu einer wöchentlichen Mehrbelastung führen, denn diese bleibt weiterhin gedeckelt, noch zu einem Verlust von Zuschlägen. Köck: "Die Zehnstundengrenze kann man gefahrlos aufmachen. Das bringt für Unternehmen eine Entillegalisierung und für Arbeitnehmer eine Win-win-Situation." (Eric Frey, DER STANDARD, 4.9.2013)