Doha/Stuttgart - Katar gehört dank seiner Ölvorkommen zu den reichsten Ländern der Welt. Doch auch in einer anderen Statistik liegt der Staat an der Spitze: Katar hat die höchste Rate an Übergewichtigen im Nahen Osten. Laut der International Association of the Study of Obesity (IASO) haben 34 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen zu viel Hüftspeck.
An geeigneten Fitnessprogrammen oder Infrastruktur fehlt es nicht. Die Scheichs ließen großzügig Parks, Sportzentren und Halfpipes errichten. Das Problem ist das Klima. Bei mehr als 40 Grad im Schatten sind sportliche Aktivitäten im Freien eine Tortur.
Wenn sie erblinden
Die Katarer halten sich lieber in den klimatisierten Räumen der Shopping-Malls auf, wo sie gemütlich flanieren und bei Fastfood-Ketten einen Snack verspeisen können. Die ungesunde Ernährung - neben mangelnder Bewegung der zweite Grund der Fettleibigkeit - hat fatale Folgen für die Gesundheit. Von den 1,9 Millionen Einwohnern leiden 17 Prozent an Diabetes. "Ein Drittel der Menschen, die von Diabetes Typ 2 betroffen sind, sind sich dessen gar nicht bewusst und verschleppen die Krankheit", sagt Professor Abdul Badi Abou Samra, Chefarzt am Hamad General Hospital in Doha. "Die Patienten merken es erst, wenn sie erblinden, einen Herzinfarkt erleiden oder Nierenprobleme bekommen."
Die Scheichs wollen schleunigst gegensteuern und den Bewohnern eine radikale Rosskur verordnen. Die Idee: Wenn man die Leute nicht aus den Einkaufszentren herausbekommt, macht man sie eben dort fit. "Walk More, Walk The Mall", heißt das Programm, das die Kunden zur Bewegung animieren soll.
70 Kalorien in zwölf Minuten
Die riesigen Shopping-Malls bieten für körperliche Ertüchtigung genügend Platz. Die Verkaufsflächen der berühmten Villaggio Mall in Doha sind ungefähr 20-mal so groß wie ein Fußballfeld. Und das Wichtigste: Sie sind schön kühl. Die Shopping-Mall-Betreiber stellen Karten zur Verfügung und bieten Lauftouren an. Und damit jeder weiß, wie viel Energie er verbraucht hat, ist die Kalorienzahl auf dem Guide gleich mit angegeben. Die Route, die etwa das Hyatt Plaza durch seinen Konsumtempel vorschlägt, ist 1200 Schritte lang - das entspricht einem Energieverbrauch von 70 Kalorien in zwölf Minuten.
Die Aktion stößt auf geteiltes Echo. Khalid Yazidy, ein Regierungsbeamter, sagte der "New York Times": "Ich denke, dass sie die Leute nur dazu bringen wollen, noch mehr Zeit in den Einkaufszentren zu verbringen, sodass sie mehr Geld ausgeben." Was auch immer der Antrieb ist - die Initiative wird kaum etwas gegen die grassierende Fettsucht ausrichten können. Katar bleibt auch in Zukunft ein Schwergewicht. Wirtschaftlich und physisch. (Adrian Lobe, DER STANDARD, 4.9.2013)