Der Liedermacher Sigi Maron kandidiert bei der Nationalratswahl für die KPÖ an dritter Stelle der Bundesliste. Mit derStandard.at sprach er über die Haarspalterei der Linken, den Wahlkampf und die "Sprache der Beherrschten".

derStandard.at: Was bringt einen Liedermacher dazu, für den Nationalrat zu kandidieren?

Maron: Ich bin ja nicht nur Liedermacher, sondern immer auch ein politischer Mensch gewesen. Ich kann nicht über Arbeitsverhältnisse, Diskriminierung von Frauen und Behinderten singen und überhaupt für alle, die kein eigenes Sprachrohr haben, ohne selbst tätig zu werden. Ich fühle mich verantwortlich, etwas zu unternehmen.

Maron: "Ich fühle mich verantwortlich, etwas zu unternehmen."
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derStandard.at: Das ist nicht Ihre erste Kandidatur.

Maron: Nein, ich habe schon für Landtagswahlen kandidiert, für die Gemeinderatswahl in Baden und auch schon einmal für den Nationalrat. Ich denke mir, wenn der Frank Stronach kann, kann ich mit 69 auch noch. Obwohl: Mit seinem Oberkörper kann ich nicht mithalten. Meine Tante, die gleich alt ist wie der Stronach, hat gemeint: "Ein fescher Mensch, aber ob ich den wählen kann, weiß ich nicht." Ich habe ihr gesagt: "Schau dir ein paar TV-Konfrontationen mit ihm an, dann weißt du es."

derStandard.at: Die KPÖ kommt – außer in Graz, wo sie auch vier Jahre nach dem Ausscheiden von Ernest Kaltenegger bei 20 Prozent liegt – nirgends vom Fleck. Woran liegt das?

Maron: Das liegt teilweise an den Persönlichkeiten, teilweise daran, dass sie in Wien nie wirklich erfolgreich waren. Andererseits: Warum soll das, was in Graz machbar ist, nicht auch in Wien machbar sein?

derStandard.at: Das Verhältnis zwischen den Kommunisten in Wien und Graz ist nicht das beste. Warum?

Maron: Wie im ganzen Leben und in allen Lebensbereichen gibt es auch hier persönliche Animositäten. Bis jemand über seinen Schatten springt, das dauert.

derStandard.at: Ideologische Unterschiede gibt es keine?

Maron: Ich habe mich am vergangenen Wochenende am Volksstimmefest umgeschaut und bei den Standln 14 verschiedene linke Positionen gefunden. Da frage ich mich, ob die alle einen Huscher haben. Im Prinzip wollen alle den Kapitalismus besiegen. Außer die Sozialdemokratie, die wollte ihn bezähmen, was das bringt, hamma gsehn. Aber sobald sich einer einen Hauch von der reinen Lehre abwendet und ein bissl eine andere Idee hat, wird gespalten und gespalten und gespalten. Das war bei den Christen ja früher nicht anders. Ich glaube, dass nichts, was Marx und Engels im "Kapital" und im "Manifest" geschrieben haben, heute weniger wichtig ist. Diese Haarspalterei ist reine Idiotie. Man muss einen gemeinsamen Nenner finden.

derStandard.at: Und wo liegt der im politischen Alltag?

Maron: Im Großen und Ganzen muss man schauen, wo man am schnellsten helfen und etwas bewirken kann. Die Genossen in der Steiermark haben das vorgemacht: beim Wohnen und beim Sozialen.

derStandard.at: Das Wohnen haben in diesem Wahlkampf auch andere Parteien als großes Thema entdeckt.

Maron: Das wird es auch bleiben, denn ob du unter eine Brücke schläfst oder in einem Wohnbau, ist ein Unterschied.

derStandard.at: In der Steiermark empfiehlt der ehemalige Parteivorsitzende Franz Parteder seinen Genossen, Ihnen die Vorzugsstimme zu geben. Sind Sie so etwas wie der inoffizielle steirische Gegenkandidat zu Mirko Messner?

Maron: Nein. Aber das ist nett von ihm. Ein Großteil der Steirer ist mit mir sowieso einen gemeinsamen Weg gegangen. Ihr Kandidat, der Kurt Luttenberger, bei der Gewerkschaft, und der Parteder war selbst ein begnadetere Liedermacher. Und wir sind viel gemeinsam marschiert – zum Beispiel gegen die Draken. Oder auch schon damals gegen diesen vertrottelten Formel-1-Ring.

derStandard.at: Und Mirko Messner?

Maron: Ich mag den Mirko, er ist ein gescheiter Mensch und nicht populistisch. Ich bin populistisch und beschimpfe die Leute auch direkt.

derStandard.at: Wenn wir uns mit viel Fantasie vorstellen, dass Sie ins Parlament einziehen, für welche Bereiche wären Sie gerne Sprecher der KPÖ?

Maron: Für Bildung. Auf jeden Fall für alles, was die Schule betrifft. Dieses widerliche Gestreite darüber, ob Lehrer mehr oder weniger arbeiten sollen, ist doch nur ein gegeneinander Ausspielen. Man kann der Lehrergewerkschaft nicht alles wegnehmen, was sie sich erkämpft hat. Wir brauchen mehr Lehrer. Überall heißt es: Wir wollen Arbeitsplätze schaffen. Dann sollen sie es dort tun und dort investieren. Natürlich muss ich dafür ein Geld in die Hand nehmen. Im Gesundheitswesen ist es genauso. Natürlich ist das kein Bereich, wo die Wirtschaft sofort etwas verdienen kann. Aber im Endeffekt verdienen wir dort alle auch, denn wenn wir mehr Arbeitsplätze schaffen, steigt die Kaufkraft.

derStandard.at: Und woher soll man das nehmen?

Maron: Na, zum Beispiel von einer Erbschaftssteuer. Die ÖVP sagt: Leistung muss sich lohnen. Ich sage: Erben ist keine Leistung. Und das Schlimmste, was die SPÖ je gemacht hat, waren überhaupt die Stiftungen. Und dann ist da der Herr Spindelegger bei der ÖVP, der sich dauernd entfesseln will. Ich rate ihm, einen Kurs bei einem Entfesselungskünstler zu machen. Wie hat der berühmte geheißen?

derStandard.at: Houdini. Aber der ist tot.

Maron: Ja, genau. Aber zu so einer Houdini-Schule, da sollte er hingehen.

derStandard.at: Zurück zu Ihrer Partei. Die Frage müssen sich österreichische Kommunisten immer wieder gefallen lassen: Warum ändern Sie Ihren Namen nicht?

Maron: Wozu? Die katholische Kirche ändert ihren Namen auch nicht. Was ist in ihrem Namen nicht alles passiert!

derStandard.at: Die Kirche ist aber keine Partei.

Maron: Die KPÖ selbst hat zudem nie an irgendeinem Verbrechen teilgenommen. Und wenn sich manche in der KPÖ von Verbrechen, die in kommunistischen Staaten passiert sind, nicht distanziert haben, dann kann ich das persönlich heute auch keinem mehr beweisen. Wo Menschen sind, passieren Fehler. Das ist in jeder Partei so. Aber am Widerstand gegen die Nazis hat die KPÖ teilgenommen wie sonst niemand. Wenn man den KPÖ-Widerstandskämpfern nur einen Bruchteil der medialen Aufmerksamkeit widmen würde, die ein Franz Jägerstätter bekommen hat, der diese Aufmerksamkeit natürlich eh verdient hat, dann täte einiges anders ausschauen.

derStandard.at: Sie haben in den 1990ern an der ORF-Comedyreihe "Tohuwabohu" mitgewirkt, da war der Humor teilweise recht deftig. Wäre so eine Sendung heute noch denkbar?

Maron: Nein. Helmut Zenker (der Regisseur der Sendung, Anm.) wollte beim Humor keine Gruppe ausgrenzen. Wir haben hemmungslos alles gemacht. Wenn zum Beispiel einer so wie ich selbst im Rollstuhl sitzt, dann kann er auch Witze über Behinderte machen. Das wäre heute aber in der Form nicht mehr möglich. Einerseits wegen der Selbstzensur in den Köpfen, außerdem schielen alle nach der Quote. Die Quote kann aber auch kein Bildungsauftrag sein.

Warum gibt es zum Beispiel keine Sprachkurse mehr? Ich habe mir meine Grundkenntnisse im Russischen im Fernsehen bei der Frau Schüller erworben. Warum machen wir keine Deutsch-Türkisch-Kurse im Fernsehen? Die Leute, die immer von verpflichtenden Deutschkursen reden, sollen einmal schauen, dass Menschen, ohne zahlen zu müssen, die Möglichkeit dazu haben.

derStandard.at: Apropos deftiger Humor. Bei Ihrem Konzert am Volksstimmefest konnte man sich wieder einmal davon überzeugen, dass sie ganz gerne Fäkalausdrücke aller Art verwenden. Würden Sie das im Parlament auch so machen? Da würde es Ordnungsrufe regnen.

Maron: Das ist schon möglich, aber ich verwende nicht die Sprache der Herrschenden, sondern die der Beherrschten. Wenn etwas eine Sauerei ist, dann soll man das auch beim Namen nennen. (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 4.9.2013)