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"Unsere Leute können nicht verantwortlich gemacht werden für Spinnereien, die anonyme Wirrköpfe absondern": Harald Vilimsky.

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STANDARD: Sollte die FPÖ in die Regierung kommen: Was würden Sie denn in der Medienpolitik zuallererst angehen?

Vilimsky: Die Branche muss zunächst selbst Antworten darauf finden, was über den ganzen Globus passiert - eine Transformation von der Ära der Print-Dinosaurier in ein digitales Zeitalter. Ich sehe da zu wenig Mut in der Branche. Ich weiß schon, es gibt wenige, die online positiv bilanzieren. Medien sind auch Geschäftsmodelle, dahinter stehen beinharte kommerzielle Interessen.

STANDARD: Soll heißen?

Vilimsky: Wenn ein Raiffeisen-Manager Styria-Chef wird, legt er Raiffeisen nicht ab - da werden Zahlen gefordert. Unter dem Motto Cut and Grow werden in der Branche die Altgedienten hinausgetreten, und das Prekariat junger Journalisten verbreitert sich. Da stehen oft keine hehren publizistischen Aufgaben mehr im Vordergrund, sondern beinharte ökonomische Interessen.

STANDARD: Ich dachte bisher, dass die FPÖ eine marktwirtschaftlich orientierte Partei ist.

Vilimsky: Natürlich. Aber ich kann als Zeitung nicht auf der einen Seite Kohle scheffeln wollen und auf der anderen Seite postulieren, ich bin die vierte Gewalt mit Leistungen für die Demokratie.

STANDARD: Das ging aber schon ein paar Jahrhunderte ganz gut parallel. Worauf wollen Sie hinaus?

Vilimsky: Die Politik muss sich auf dem Wählermarkt beweisen. Erhält eine Partei nicht ausreichend Unterstützung, ist sie weg. Medien müssen sich im Markt der Leser, Seher, Hörer bewähren. Wenn das Modell nicht mehr funktioniert, muss sich das Medium neu ausrichten, um sich behaupten zu können. Also sehe ich primär eine Bringschuld der Printmedien, sich zu positionieren.

STANDARD: Und die Politik verfolgt das interessiert?

Vilimsky: Die Politik muss strukturell für Chancengleichheit sorgen. Man könnte zum Beispiel die Posttarife massiv senken für Medienanbieter. Man könnte bei der Mehrwertsteuer etwas tun. Man könnte mehr Geld in Journalistenausbildung und -fortbildung hineinpumpen.

STANDARD: Das heißt: Statt Presseförderung den Postvertrieb verbilligen, den die Zeitungen aber ohnehin schon zu wesentlichen Teilen selbst erledigen, die Mehrwertsteuer senken. Beides fördert aber tendenziell die großen, auflagenstarken Medien.

Vilimsky: Die Großen haben aber auch höhere Kosten. Es ist in letzter Konsequenz immer eine Frage, welches ökonomische Modell dahinterliegt. Meist sind es ja keine gemeinwirtschaftlich orientierten Verlage. Wer ein Medium betreibt, macht das im Regelfall als ökonomisches Modell und muss sich damit auch am Lesermarkt behaupten können.

STANDARD: Nun fordert der Zeitungsverband 50 statt zehn Millionen Euro Presseförderung, auch um den Wandel von Print- zu digitalen Medien zu unterstützen.

Vilimsky: Die Mittel zu verfünffachen ist gegenüber dem Steuerzahler nicht argumentierbar.

STANDARD: Mit zehn Millionen Euro werden Sie vermutlich weder die Mehrwertsteuer merklich senken können noch ernsthaft günstigere Posttarife zuwege bringen.

Vilimsky: Den Kuchen gerechter zu verteilen muss den Aufwand jedenfalls nicht verteuern.

STANDARD: Wechseln wir zum größten Medienunternehmen des Landes - der ORF interessiert ja, vornehm formuliert, alle Parteien sehr.

Vilimsky: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss zwingend demokratisch legitimierte Kräfte einbinden. Ich kann nicht Gebührenhoheit haben und irgendwelche Manager nach rein privatwirtschaftlichen Kriterien fuhrwerken lassen.

STANDARD: Ihr Modell für ein ORF-Aufsichtsgremium und -Management?

Vilimsky: Wenn man den Stiftungsrat verkleinern möchte, und dafür bin ich vehement, dann kann man die neun Mandate der Bundesregierung sofort streichen. Aber derzeit geht es eher darum, die Opposition draußen zu halten. Ausschlaggebend für die politische Repräsentation ist die Nationalratswahl. Und nach dem Kräfteverhältnis im Hauptausschuss des Nationalrats ist das Aufsichtsgremium des ORF zu besetzen. Ebenso wichtig ist das föderalistische Prinzip: Die Länder darf man auch nicht hinausdrängen - und ich sage das im Wissen, dass wir keinen Landeshauptmann stellen. Da geht es um Grundsätzliches.

STANDARD: Auch eine Regierungspartei FPÖ würde die ORF-Stiftungsräte der Regierung streichen?

Vilimsky: Was man vor der Wahl fordert, sollte man nach der Wahl beibehalten, ja.

STANDARD: Wie stellt sich denn eine Regierungspartei FPÖ einen künftigen ORF vor?

Vilimsky: Wenn ich die Statistiken sehe, dass der gesellschaftliche und politische und Diskurs im ORF, die Information insgesamt immer weiter abnimmt und die seichte Unterhaltung immer mehr wird: Da habe ich als Politiker kein besonderes Interesse, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Form weiterzuführen. Das ist Privatfernsehen mit Gebührenhoheit.

STANDARD: Sie haben sich gegen eine TV-Abgabe für alle Haushalte wie in Deutschland und der Schweiz ausgesprochen, öfter auch ganz gegen Rundfunkgebühren. Was würden Sie denn tun?

Vilimsky: Die Gebühr kommt aus einer Zeit mit Fernsehmonopol und zwei Kanälen. Damals war klar: Wer einen Fernseher kauft, wird wohl eines der beiden Programme konsumieren. Heute habe ich hunderte Programme, Internetstreaming, digitale Medien. Ich kann den ORF komplett ausblenden - und sein Publikum wird ja laufend weniger. Wer ORF nicht sieht, zahlt ohne Gegenleistung.

STANDARD: Ihr Modell?

Vilimsky: Ich kann öffentlich-rechtliches Fernsehen über das Budget finanzieren, weil ich das für wesentlich halte - oder ich entlasse den ORF in den privaten Markt. Ich würde die Rundfunkgebühr durch eine allgemeine Medienförderung ersetzen, die aufkommensneutral über das jetzige Budget zu finanzieren ist und keine neue Belastung für die Haushalte darstellt. Eine Förderung für Fernsehen, Radio, Print, Online öffentlich-rechtlich und privat, aber pluralistische Qualität und keinen US-Serientrash.

STANDARD: Wenn Sie all das fördern wollen, sind wir nach bisherigen Fördersummen bei 700 Millionen Euro oder mehr.

Vilimsky: Die indirekten Förderungen von Inseraten der Regierung oder öffentlichen Stellen nicht zu vergessen. Ich will mich jetzt nicht auf eine Summe festlegen. Ich sage nur: Wenn Programme kommerziell nicht verwertbar sind, aber alle Interessensegmente der österreichischen Bevölkerung abdecken, müssen Förderungen bereitgestellt werden. Das bedeutet aber auch Verpflichtungen seitens der Medien.

STANDARD: Nämlich?

Vilimsky: Wenn Medien öffentliche Gelder erhalten, müssen sie dieselben Transparenzmaßstäbe an sich anlegen wie für die Politik.

STANDARD: Transparenz worüber?

Vilimsky: Es kann nicht sein, dass Geschäftsführer, Herausgeber, Chefredakteure mehr kassieren als Bundeskanzler und Bundespräsident - und gleichzeitig Presseförderung begehren. Oder Manager öffentlich subventionierter Medienunternehmen vorzeitig gehen und für die Restlaufzeit ihrer Verträge enorme Bezüge kassieren. Diese Informationen muss der Steuerzahler bekommen, wenn man öffentliche Gelder verlangt. Auch Topmoderatoren des ORF sollen ihre Nebentätigkeiten - wie Moderationen, Trainings, Coachings - offenlegen.

STANDARD: Wer soll die Mittel verteilen?

Vilimsky: Das soll eine Kommission machen, die fernab der Politik nach Qualitätskriterien versucht zu bewerten, wer öffentlich-rechtliche Inhalte anbietet. US-Serien auf ORF 1 werden nicht dazuzählen.

STANDARD: Wer sagt, wer in der Kommission sitzt?

Vilimsky: Wer oder wie viele, darauf will ich mich jetzt nicht festlegen. Die Kommission soll ein breites Spektrum der österreichischen Bevölkerung abdecken, ohne dass politische Parteien oder Regierungen darauf Zugriff haben. Wie ein optimales Modell aussieht, sollen Medienprofessoren vorschlagen. "Malcolm mittendrin" ist jedenfalls nicht förderungswürdig, ein Beitrag über eine österreichische Region oder die Interessen eines gesellschaftlichen Spektrums sehr wohl. Wenn man fördert, dann muss es um Qualität gehen. Derzeit läuft alles in Richtung Boulevardisierung, die Zeitungen werden immer marktschreierischer.

STANDARD: Wenn wir schon bei der Boulevardisierung sind - die müsste Ihrer Partei doch entgegenkommen: Die FPÖ setzt doch gerade auf sehr plakative, sehr populistische, sehr einfache Lösungen, die mit dem Boulevard sehr gut harmonieren.

Vilimsky: Wenn Politiker in der Medienlandschaft mehr Raum hätten, inhaltlichen Diskurs zu führen, wäre die Politik nicht gezwungen, die Formeln so zu vereinfachen, damit Medien sie akzeptieren.

STANDARD: Sie plakatieren diese - vorsichtig formuliert - sehr einfachen Sprüche. Da brauchen Sie keine Redaktion passieren.

Vilimsky: Sie reden von Plakaten, ich von Berichterstattung. Medien neigen vor allem in den vergangenen Jahren zur Simplifizierung von Informationen, zur Verschlagwortung. Dass sich die Politik daran orientiert, ist normal.

STANDARD: Dass es ohne Boulevard keine Plakate wie "Daham statt Islam" gegeben hätte, fällt jetzt doch schwer zu glauben. Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass sich Ihre Partei für einen differenzierteren politischen Diskurs einsetzt. Sie appellieren doch mit Ihren Plakaten populistisch ans simple Gemüt, an tiefe Reflexe.

Vilimsky: Was wir tun, ist, auf Plakaten Dinge in bildhafter Sprache plakativ umzusetzen. Das ist Werbung. Auf der anderen Seite sollte es in Medien einen breiten Raum für sachliche Diskurse geben - der aber immer weniger abgebildet wird. Was bleibt, ist das Bildhafte, Plakative. Insofern finde ich den Vorwurf ungerecht.

STANDARD: Wenn wir bei der Sachlichkeit sind: Was Ihr Parteichef dem ORF-Redakteur Eduard Moschitz bei Aufnahmen für die ORF-Doku "Schauplatz: Am rechten Rand" vorgeworfen hat, erschien mir als Beobachter auch nicht ganz sachlich - jedenfalls ließ sich "Heil Hitler" oder "Sieg Heil" bei den Ermittlungen nicht auf Band finden. Die Ermittlungen sprachen bisher jedenfalls doch eher für Moschitz' Darstellung.

Vilimsky: Ich glaube unseren Leuten, die das wahrgenommen haben. Der ORF fährt zu unserer Veranstaltung mit Leuten, die der ORF als extremistisch bezeichnet, stattet sie vorher aus, damit ein Bild entsteht, wie es nicht der Realität entspricht.

STANDARD: Die Protagonisten haben sehr wohl gesagt, dass sie noch am ehesten mit Ihrer Fraktion sympathisieren - auch wenn Sie ihnen noch zu wenig rechts waren.

Vilimsky: Zwei junge Burschen, die im extremen sozialen Abseits stehen. Da kommt ein ORF-Redakteur, der eine Geschichte mit ihnen machen möchte, der wahrscheinlich auch Geld bereithält. Da hat der ORF eine Realität konstruiert - ob und wie immer diese zwei Wörter da gefallen sind. Das ist für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vertretbar.

STANDARD: Gegen die sehr weit rechte Onlineplattform unzensuriert.at hat die Parlamentspräsidentin eine Anzeige erstattet, weil in einem Posting "Breivikisierung" vorgeschlagen wurde. Sie haben da unzensuriert.at verteidigt.

Vilimsky: DER STANDARD hat dasselbe Problem wie unzensuriert.at und auch andere Medien - man kann nicht steuern, was einzelne Personen posten. Das zu überwachen, tun sich große Unternehmen wohl leichter als eine Drei- oder Vier-Personen-Mannschaft wie bei unzensuriert.at. Wenn ich mir Portale von österreichischen Tageszeitungen ansehe, gibt es diese irren Poster auf allen Ebenen. Man weiß auch nie, welche Postings als Provokation politischer Gegner geschrieben werden. Wenn uns so etwas auffällt, löschen wir es natürlich sofort. Bei uns wird ein Posting als Teil des Inhalts definiert - was nicht stimmt. Mir wird bei Diskussionen auch vorgeworfen, dass unter meinen Facebook-Freunden oder Twitter-Followern da und dort ein extremistischer oder sonst wie verwirrter Geist ist, ich kann nicht jeden Fake-Account sofort enttarnen. Dieses Problem hat jeder. Und wenn man unzensuriert.at kritisiert, dann aufgrund der Inhalte der Redakteure und bitte nicht wegen Postings von Anonymen.

STANDARD: Die Inhalte von unzensuriert.at sind für Sie untadelig?

Vilimsky: Selbstverständlich. Ich weiß nicht, was Sie stört, aber ich verfolge nicht jeden Artikel.

STANDARD: Apropos Facebook: Gab es da nicht auch eine Anzeige wegen einer antisemitischen Karikatur auf Heinz-Christian Straches Facebook-Seite?

Vilimsky: Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt. Das war wirklich absurd. Die neuen Montblanc-Manschettenknöpfe schauen genauso aus wie die sternförmigen auf der Karikatur. Und es gehört viel böse Fantasie dazu, aus der Nasenform einen Juden zu identifizieren. Überhaupt auf einem kleinen iPhone-Display. Unser Obmann betreut seinen Facebook-Account selbst, das ist ein Teil seines Erfolges mit an die 140.000 Fans. Er hat das auch sehr rasch und unmissverständlich klargestellt. Ich sehe bei uns keinen Antisemitismus.

STANDARD: Zuletzt wurde bekannt, dass FPÖ-Funktionäre in der Facebook-Gruppe "Wir stehen zur FPÖ" waren, in der verhetzende Aussagen und Tötungsaufforderungen gepostet wurden.

Vilimsky: Alle politische Parteien und Medien haben ein gemeinsames Problem. In vielen Foren treiben sich jede Menge Wirrköpfe und Provokateure herum, meist mit falschen Identitäten und Fake-Profilen. Wenn das Strafrecht verletzt wird oder Drohungen enthalten sind, leiten wir alles umgehend an die Verfassungsschutzbehörden weiter, die aber oft machtlos sind, weil es ja anonyme Postings sind. Bei Facebook-Gruppen ist es besonders schlimm, weil man zu Gruppen ohne sein Wissen hinzugefügt werden kann. Ich gehe davon aus, dass die meisten inkriminierten Postings von Provokateuren des gegnerischen Spektrums kommen. Unsere Leute können doch nicht verantwortlich gemacht werden für Spinnereien, die irgendwelche anonymen Wirrköpfe absondern.

STANDARD: Ihre Forderung über OTS-Aussendung, Armin Wolf habe in einem Nachrichtenstudio nichts verloren, klingt ein bisschen nach Jörg Haiders Aussage: Wenn wir was zu reden haben, wird ein anderer Wind in den Redaktionsstuben wehen.

Vilimsky: Es muss sich niemand Sorgen machen, wenn wir was zu reden hätten, dass die Redaktionsstuben sich verändern. Überziehen und überdehnen politischer Forderungen ist ein Mittel, um politischen Diskurs überhaupt in Gang zu bringen. Wolf hat getwittert, dass Schlepper noch Fluchthelfer genannt wurden, als sie Menschen etwa aus der DDR in den Westen schleusten. Der Vergleich, diese Verharmlosung der internationalen Schlepperindustrie war nicht in Ordnung. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Wer im politischen Diskurs mitmacht, darf sich nicht wundern, wenn der Wind rauer wird. Armin Wolf schont auch keinen seiner Gegner.

STANDARD: Mit dem Jeder-gegen-jeden-Prinzip der TV-Konfrontationen sind Sie zufrieden?

Vilimsky: Natürlich! Das Zuseher-Interesse ist ja auch entsprechend hoch. Und wenn Spitzenkandidaten eingeladen sind und dann kneifen beziehungsweise nicht kommen, dann sollte man das auch mit leeren Sesseln klarmachen. Ich würde mir noch mehr Diskussionen wünschen, vor allem auch zu den einzelnen politischen Sachbereichen. Meinetwegen auf ORF 3 oder zu späterer Stunde auf ORF 2.

STANDARD: Haben Sie Koalitionsbedingungen in der Medienpolitik für den Fall des Falles?

Vilimsky: In der ORF-Arbeitsgruppe hat sich für mich rot-schwarzes Einvernehmen in Sachen ORF gezeigt - es droht maximal eine rot-schwarz-grüne Variante. Für uns bleiben Fairness und Objektivierung bei der Förderung die wichtigsten Themen der Medienpolitik. (Harald Fidler, DER STANDARD, Langfassung, 5.9.2013)