Innsbruck - Die Landesmusikschule in Kramsach, einer Gemeinde zwischen Kufstein und Wattens, wird nicht länger nach Sepp Tanzer benannt. Ein entsprechender Antrag von Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) wurde am Dienstag von der Tiroler Landesregierung beschlossen.

Der Komponist Tanzer war in der NS-Zeit Gaumusikdirektor für Tirol und Vorarlberg, nach dem Untergang des Dritten Reichs erhielt er ein dreijähriges Auftrittsverbot. Das Land Tirol regiert damit auf Proteste von Komponisten und Musikwissenschaftlern, darunter Johannes Maria Staud und Kurt Drexel.

Der Tiroler Publizist Markus Wilhelm hatte auf seiner Seite dietiwag.org unter dem Titel "Warum fördert und protegiert die Tiroler Volkspartei Nazikomponisten?" darauf hingewiesen, dass die Musikschule erst vor fünf Jahren, am 28. Februar 2008, bei einem Festakt in "Sepp-Tanzer-Landesmusikschule Kramsach" umbenannt wurde. Die Schule stellte Tanzer auf ihrer Homepage als "einen der bedeutendsten österreichischen Komponisten für Blasmusik" vor; dessen NS-Vergangenheit aber erwähnte man mit keinem Wort.

Namensgebung "sehr problematisch"

DER STANDARD berichtete darüber groß in der Ausgabe vom 27. August. Kulturlandesrätin Beate Palfrader (VP) bekannte, dass die Rolle Tanzers in der NS-Zeit Anfang 2008 "ohne Weiteres zu erheben gewesen" wäre. Sie halte die Namensgebung, die vor ihrer Zeit erfolgte (Palfrader ist erst seit Juli 2008 Landesrätin), "für sehr problematisch".

Auf die Frage des STANDARD, wie nun zu reagieren sei (etwa mit einer neuerlichen Umbenennung), antwortete Palfrader, dass sie die Entscheidung von einem Gutachten abhängig machen wolle, das 2012 beim Historiker Michael Wedekind in Auftrag gegeben wurde und Anfang Oktober vorliegen soll. Es beschäftigt sich mit dem Stand der Forschung über die Entwicklung der organisierten Tiroler Volkskultur "mit besonderem Fokus auf die Volksmusik und die Entwicklung im Nationalsozialismus".

Doch dann entschloss sich Palfrader, gleich zu handeln. Denn Wedekind wird sich in seinem Gutachten nicht explizit mit Sepp Tanzer auseinandersetzen. Die Umbenennung ist ein unkomplizierter Formalakt, da es 2008 keinen Regierungsbeschluss gab. Laut Palfrader passierte die Umbenennung damals "auf Initiative des Blasmusikverbands". Wer die treibende Kraft war, sei heute angeblich nicht herauszubekommen.

Rückbenennung einvernehmlich mit Gemeinde

Im Beschluss der Landesregierung heißt es, dass bei der Namensgebung 2008 "die besondere Bedeutung Sepp Tanzers als in Österreich nach 1945 wirkendem Komponisten für Blasmusik und sein Verdienst um das Tiroler Blasmusikwesen im Vordergrund" gestanden seien, "seine Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus wurde dabei außer Acht gelassen". Hinzu komme, dass "eine wissenschaftlich fundierte und in den Ergebnissen allgemein anerkannte Aufarbeitung der Involvierung der Exponenten der Tiroler Volkskultur in das System und die Ideologie des Nationalsozialismus nicht vorliegt". Trotz des in den vergangenen Jahrzehnten großen Engagements der Wissenschaft und der Politik um die Aufarbeitung und das Wachhalten der Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Regimes könne "von einer allgemeinen 'Bewältigung' jener Zeit und ihres Erbes in Tirol, wie auch im übrigen Österreich, noch nicht gesprochen werden".

Angesichts einer Situation, die "wissenschaftlich von beachtlichen Forschungslücken und kulturell doch auch noch stark vom Vergessen geprägt zu sein scheint", erachtet die Tiroler Landesregierung die aktuelle Namensgebung der Landesmusikschule Kramsach "als ein problematisches Zeichen, das zu Missverständnissen und zu falschen Deutungen Anlass geben" könne. Die Rückbenennung in "Landesmusikschule Kramsach" erfolgt im Einvernehmen mit der Standortgemeinde. Die Übermalung des Schriftzugs "Sepp Tanzer" soll bereits in Auftrag gegeben worden sein. (Thomas Trenkler, derStandard.at, 4.9.2013)