Seit dem Spatenstich sind fast vier Jahre vergangen. Anfang Oktober wird die Wirtschaftsuniversität im Wiener Prater eröffnet. Diese Woche werden bereits die ersten Vorlesungen abgehalten, noch sind nicht alle Bauarbeiter vom Gelände verschwunden

Die Fahrradständer fehlen noch. Deshalb müssen in der Zwischenzeit die Baugitter beim westlichen Eingang zur neuen Wirtschafts-Uni herhalten, an denen die Studierenden ihre Drahtesel absperren. Seit Montag herrscht Probebetrieb am neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien. Der Umzug vom alten Gebäude im neunten Bezirk - von 1982 an war die WU in Wien-Alsergrund beheimatet - auf das Areal im Wiener Prater in der Leopoldstadt ist bereits über die Bühne gegangen.

Insgesamt wurden an drei Umzugswochenenden im August von mehr als 100 Spediteuren 26.000 Kartons übersiedelt und 22.000 Laufmeter Bücher auf den neuen Campus gebracht.

Foto: Standard/Hendrich

Die Übersiedelung allein kostete gut eine Million Euro. Im Laufe des Septembers folgt nun der Feinschliff, und letzte handwerkliche Handgriffe werden getätigt. Derzeit gibt das am Campus ein interessantes Bild: Bauarbeiter und Studierende sind gleichermaßen vertreten. Die einen inskribieren oder besuchen Vorlesungen der Sommer-Uni, die anderen schrauben, bohren und hämmern, was noch Lärm und Staub am gesamten Campusgelände verursacht.

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"Kann ich Ihnen helfen?", fragt ein Securitymitarbeiter, dessen eigentliche Aufgabe es ist, darauf zu achten, dass die Studierenden nicht den Bereich hinter den Bauzäunen betreten. Der junge Mann in der grau-grünen Uniform ist derzeit aber auch Auskunftsperson: "Verirrt hat sich noch niemand, aber viele finden den Weg in den richtigen Hörsaal noch nicht auf Anhieb."

Kein Wunder - das Areal der neuen WU erstreckt sich über 90.000 Quadratmeter, davon sind 35.000 Quadratmeter bebaut. Das ergibt eine Fläche von zwölf Fußballfeldern.

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Der Neubau kostete 492 Millionen Euro plus zusätzlich 46 Millionen Euro für die Einrichtung, also Möbel und Medientechnik. Statt sieben gibt es künftig fünf Großhörsäle und 53 statt bisher 35 Seminarräume. Das Audimax fasst 650 Personen. Auch dort - im rostfarbenen Teil der neuen Wirtschafts-Uni - werden im September Vorlesungen der Sommer-Uni abgehalten. Der Saal ist rappelvoll, der Vortragende im Skriptum auf Seite 57 angelangt und erklärt den Studierenden den "effektiven Zinssatz".

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An der WU sind derzeit rund 23.000 Studierende eingeschrieben. Eine von ihnen ist die 18-jährige Donna Bozic. Sie hat sich für Wirtschaftsrecht inskribiert, ist dafür lange Schlange gestanden im von der Architektin Zaha Hadid geplanten Library and Learning Center und zeigt sich ganz begeistert vom neuen Campus. "Ich werde nicht deshalb hier studieren, aber es macht schon Spaß, wenn das Lernumfeld schön ist."

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Ähnlich euphorisch ist Rektor Christoph Badelt. Sein Büro befindet sich im orange-gelben Departmentgebäude 3. Er hat seine Umzugskisten noch nicht fertig ausgepackt, lebt sich unbeirrt vom Baulärm aber schön langsam ein. Badelt sieht den Campus als Element der Stadtentwicklung. "Das gesamte Areal hier wird völlig aufgewertet", sagt er zum STANDARD. "Jetzt gibt es zum Teil noch Bauzäune, aber später soll das Gelände ein Teil der Stadt sein. Dahinter steht eine Philosophie: Universität als Teil der Gesellschaft."

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Der gesamte Campus ist 560 Meter lang und zwischen 150 und 210 Meter breit. Auf dem Areal befinden sich Restaurants, ein Biergarten, eine Bäckerei, ein Supermarkt, mehrere Buchhandlungen und ein Kindergarten. Die Einrichtungen sind für die Öffentlichkeit nutzbar. Die Eröffnung der ehemaligen Hochschule für Welthandel mit der neuen Adresse "Welthandelsplatz 1" findet am 4. Oktober statt.

Die Kritik, der neue Campus sei bereits vor dem Start zu klein, weist eine Sprecherin zurück. Das Gebäude sei für 25.000 Studenten konzipiert worden, derzeit sei nur die Hälfte der 23.000 Inskribierten prüfungsaktiv. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 4.9.2013)

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