Das Große Hasenmaul ist nicht nur Jäger, sondern auch Fischer. Nur wenige Fledermausspezies sind dazu in der Lage.

Foto: Marco Tschapka / Uni Ulm

Ulm - Mit der evolutionären Strategie, sich den Luftraum mit den überwiegend tagaktiven Vögeln zeitlich aufzuteilen, sind die fliegenden Säugetiere gut gefahren: Ziemlich genau ein Fünftel aller heute lebenden Säugetierarten sind Fledermäuse oder Flughunde. 

Da passt es auch ins Bild, wenn einzelne Spezies Jagdmethoden anwenden, wie man sie von Vögeln kennt, bei Fledermäusen aber nicht unbedingt erwartet. Denn nicht alle Fledermausspezies jagen im Flug nach Insekten. Auf ein Beispiel verweist die Universität Ulm, nämlich das Große Hasenmaul (Noctilio Leporinus). Diese in den südamerikanischen Tropen vorkommende Fledermausart jagt nicht nur in der Luft nach Insekten, sondern fängt auch kleinere Fische.

Spezielle Anpassung

Alles, was unter der Wasseroberfläche ist, bleibt dem Echoortungssinn normalerweise verborgen. Das Große Hasenmaul verfügt jedoch über eine hochspezialisierte Echoortung, die die Ultraschallreflektionen von Wasserspritzern und Kräuselwellen erfasst, wie sie Fische an der Wasseroberfläche hinterlassen, wenn sie kurz aus dem Wasser springen.

Wissenschaftler vom Institut für Experimentelle Ökologie der Uni Ulm haben dieses Jagdverhalten in zwei mehrwöchigen Forschungsaufenthalten zwischen 2009 und 2010 in Panama untersucht und mittels Hochgeschwindigkeitskameras und Ultraschallaufnahmegeräten dokumentiert. "Wir haben dafür einen speziellen Flugkäfig eingerichtet, samt Teich in der Mitte", erläutert die Biologin Kirstin Übernickel. Das zwölf Mal fünf Meter große und zwei Meter hohe Konstrukt, das der Fledermaus auch einen abgedunkelten Ruheplatz bot, diente den Fledermäusen für zwei Wochen als vorübergehendes Jagdrevier. 

Simulierte Beute

Im Mittelpunkt des Interesses stand die Jagd der Fledermäuse über dem Wasser. Um auf der Wasseroberfläche treibende Insekten zu simulieren, wurden kleine Fischstückchen als Köder so präpariert, dass sie nur wenige Millimeter aus dem Wasser herausragten. "Schwieriger war die Nachahmung der Unterwasserbeute, die gelegentlich an die Oberfläche kommt und dort nur vorübergehende Spuren hinterlässt, die für die Fledermäuse nur kurzfristig per Echoortung zu erfassen sind", sagt Übernickel. Die Biologen verwendeten zur Simulierung eines Fisches eine mobile Schlauchpumpen-Konstruktion, die kleine Wasserschwalle erzeugt und im Wasser per Fernsteuerung zu betreiben ist.

Es zeigte sich: Sucht die Fledermaus nach Beute, die die Wasseroberfläche nur kurz berührt hat und wieder verschwindet, ändert sie ihre üblichen Ortungsrufe, wie sie bei der Jagd in der Luft eingesetzt werden. Gerade in der Endphase der Annäherung werden die Rufe länger und langsamer ausgestoßen. "Diese Fledermäuse haben wahrscheinlich nicht nur ein außergewöhnliches räumliches Vorstellungsvermögen, sondern sie besitzen auch die Gabe der erfahrungsbasierten Situationsauswertung", sagt Übernickel.

Anhand der Echosignale, die von Wasserspritzern und Kräuselwellen reflektiert werden, berechnet das Große Hasenmaul die wahrscheinliche Position seiner schwimmenden Beute. Mit seinen mit Krallen versehenen Zehen taucht es ins Wasser und durchkämmt dann die Wasseroberfläche. Verzehrt wird die Beute entweder gleich vor Ort oder später am Ruheplatz. (red, derStandard.at, 7. 9. 2013)