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"Wo sind sie?" – 40 Jahre nach Beginn der Pinochet-Diktatur ist das Schicksal vieler verschwundener Oppositioneller ungeklärt.  

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Santiago/Puebla – "Die Justiz und insbesondere der Oberste Gerichtshof haben kapituliert vor ihrer Pflicht, die Grundrechte zu verteidigen und diejenigen zu schützen, die vom Staat verfolgt wurden. Wir bitten die Opfer, ihre Nachkommen und die Gesellschaft um Verzeihung für unsere Taten und Unterlassungen." Mit diesen Worten haben sich 40 Jahre nach dem Putsch von Augusto Pinochet vom 11. September 1973 chilenische Richter am Mittwoch für ihre Versäumnisse während dessen Diktatur entschuldigt.

Die Richter räumten ein, dass das Gremium, bis auf einige wenige Ausnahmen, in dieser Zeit hunderte von gerechtfertigten Anfragen nach Verschwundenen (wegen deren Haft ohne Anklage) unbearbeitet gelassen habe. Auch Straftaten von Beamten seien nicht untersucht worden. Die Weigerung, Folter- und Haftanstalten zu untersuchen, sei eine schwere Pflichtverletzung.

"Unser Gremium war das Einzige, in dem nicht von der Militärdiktatur interveniert wurde, und hätte deshalb sehr viel mehr tun müssen. Wir tragen historische Verantwortung für die systematische, weitreichende und brutale Verletzung der Menschenrechte während der Diktatur", hieß es weiter. Während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) kamen mehr als 3000 Menschen ums Leben oder verschwanden spurlos. Zehntausende wurden gefoltert oder ins Exil gezwungen.

Opfer warten auf Klärung

Die Richter forderten den Obersten Gerichtshof auf, sich ihrer Geste anzuschließen. Dessen Sprecher, Hugo Dolmestch, erklärte, er persönlich müsse nicht um Entschuldigung bitten. Vielleicht befasse sich das Gericht aber mit dem Thema. Die Justiz galt auch nach der Diktatur als Hort autoritären Gedankenguts, Pinochet genoss lange Immunität.

Für die Opfer war es aufgrund des Amnestiegesetzes lange unmöglich, Gerechtigkeit zu fordern. Erst als spanische Richter sich aufgrund der Universalität der Menschenrechte der Fälle annahmen und Pinochet 1998 in London verhaftet wurde, war eine juristische Aufarbeitung möglich.

Vor kurzem erst hatte sich Präsident Sebastián Piñera, an dessen Regierungskoalition auch die pinochetistische UDI-Partei beteiligt ist, entschuldigt und erklärt, auch die stillen Komplizen von damals trügen eine Mitverantwortung. Die Erklärung hatte in seiner Koalition Unbehagen erzeugt.

Für Angehörige der Opfer ist das Kapitel 40 Jahre später nicht beendet. "Die sterblichen Überreste der Verschwundenen wurden nicht gefunden, und die Streitkräfte haben uns immer nur angelogen", erläuterte die Sprecherin der Vereinigung der Angehörigen Verschwundener, Gabriela Zúñiga. (Sandra Weiss /DER STANDARD, 6.9.2013)