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Frankfurts oberster Währungshüter Mario Draghi wollte am Donnerstag die Euphorie der Finanzmärkte einbremsen.

Foto: AP/Probst

Frankfurt/Wien - Die Europäische Zentralbank will das zarte Pflänzchen Wachstum nicht wegen steigender Zinsen absterben lassen. Das hat EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag klar gemacht. Sollten die Zinssätze am Geldmarkt "untragbar" werden, sei eine weitere Senkung der Leitzinsen nicht auszuschließen. Diese Woche aber haben die Währungshüter diese bei 0,5 Prozent belassen. Zwar hat die Eurozone die eineinhalb Jahre dauernde Rezession hinter sich gelassen und zuletzt ein paar positive Impulse aus der Industrie bekommen. Die Ökonomen der Europäischen Zentralbank haben die Wachstumsprognose für 2013 aufgebessert, statt 0,6 wird die Wirtschaftsleistung der Eurozone demnach nur um 0,4 Prozent schrumpfen.

Allerdings wurde im Gegenzug die Aussicht für 2014 etwas zurückgenommen. Von einer soliden Expansion kann mit einem Plus von gerade einmal einem Prozent nicht die Rede sein. "Der Aufschwung ist noch sehr unausgereift" , sagte Draghi und betonte, dass die EZB-Ratsmitglieder weiter "alarmiert" seien, etwa wegen der Lage in Syrien. Der Euro hat daraufhin gegen den US-Dollar leicht abgewertet. "September bleibt daher ein Monat mit einigen Risiken, von Wirtschaftsdaten bis hin zu geopolitischen Risiken, die die Volatilität an den Finanzmärkten erhöhen können", warnt Scott Thiel vom größten Vermögensverwalter der Welt, Blackrock.

Aufwärtstrend bei Anleihen- und Geldmarktzinsen

Ein Risiko für die schwache Wirtschaft ist für Mario Draghi der Aufwärtstrend bei den Anleihen- und Geldmarktzinsen. Am Donnerstag sind die zehnjährigen Anleihenrenditen für Deutschland erstmals seit März 2012 über die Marke von zwei Prozent gestiegen, 0,8 Prozentpunkte höher als im Mai. Und das, obwohl die EZB erst jüngst ihre Politik der "Forward Guidance" einführte, das Versprechen, dass sie die Zinsen "so lange wie nötig" niedrig hält.

"Draghi hat zwar nicht gesagt, was die EZB gegen den Renditenanstieg tun könnte, aber eine Senkung der Leitzinsen wäre der erste mögliche Schritt", glaubt Christian Schulz, Ökonom bei der Berenberg Bank. Dass sich die EZB den Geldmarkt "genauer" ansehen möchte, ist für Schulz "eine indirekte Drohung, notfalls mehr Geld in die Märkte zu pumpen, wenn die Zinsen zu schnell steigen."

Das könnte wieder über langlaufende Kredite (LTROs) gehen, wie etwa 2011 und 2012. Diese, als "Dicke Bertha" bezeichnete Maßnahme hat die Banken mit mehr als 1000 Milliarden Euro an frischer Liquidität geflutet und die Geldmarktzinsen absinken lassen. Nach der Rückzahlung vieler der langfristigen Ausleihungen sind zuletzt aber die Renditen wieder gestiegen. Gute Nachrichten gibt es dafür von den südeuropäischen Kapitalmärkten (siehe Grafik). Die Risikoaufschläge für Spanien und Italien sind in den letzten Monaten klar zurückgekommen und haben sich in den vergangenen zwölf Monaten fast halbiert. Dazu konnte Spanien so günstig zehnjährige Anleihen platzieren wie seit September 2010 nicht mehr.

Transparentere Entscheidung

Der Trend zu einer transparenteren EZB hat sich am Donnerstag weiter verstärkt. Erstmals hat Mario Draghi tiefere Einblicke in die Meinungen der Ratsmitglieder gewährt. In den kommenden Wochen soll der EZB-Rat erarbeiten, ob die Frankfurter Währungshüter - etwa wie die US-Geldpolitiker - Protokolle ihrer Sitzungen veröffentlichen sollen. (Lukas Sustala, DER STANDARD; 6.9.2013)