Wien - 2300 Gemeindebauten mit insgesamt 220.000 Wohnungen sind heute im Eigentum der Stadt Wien. Rund eine halbe Million Menschen, also nahezu jeder vierte Wiener, lebt in Gemeindewohnungen. 15 bis 20 Prozent beträgt der Anteil der Zugewanderten in den Gemeindebauten. Zählt man alle eingebürgerten Österreicher der ersten Generation mit, beläuft sich der Zuwanderungsanteil auf knapp 40 Prozent.

Die Wahlbeteiligung, die bei den Gemeinderatswahlen 2010 bei 63,39 Prozent lag, wurde in vielen Gemeindebauten deutlich unterschritten. Im Matteottihof im 5. Wiener Gemeindebezirk Margareten etwa lag die Wahlbeteiligung bei nur 40,56 Prozent - wobei die Wahlberechtigten dieses Hofes etwa die Hälfte der gesamten Wahlberechtigten des Sprengels ausmachten. Die Gründe für die Depolitisierung sind vielfältig. Immerhin fünf Prozent aller 220.000 Gemeindewohnungen in Wien waren 2003 von Räumungsklagen wegen nicht bezahlten Mietzinses betroffen.

Luxussteuer im Roten Wien

Begonnen hat die Stadt ihre Bautätigkeit in der Ersten Republik. Als das Rote Wien 1920 als Bundesland Steuerhoheit erhielt, führte Finanzstadtrat Hugo Breitner sowohl eine Wohnbau- als auch eine Luxussteuer ein, um den kommunalen Wohnbau zu finanzieren.

Bis zum Bürgerkriegsjahr 1934 entstanden 382 Gemeindebauten mit insgesamt 65.000 kleinen, aber praktisch geschnittenen Wohnungen. 199 Architekten hatten das Ziel, nicht nur leistbaren Wohnraum zu schaffen, sondern den Proletariern Wiens ein neues Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl zu vermitteln.

Wie es um deren Zugehörigkeitsgefühl heute bestellt ist, erforschte Sieglinde Rosenberger mit dem Kunst- und Kultursoziologen Florian Bettel und der Politologin Julia Mourão Permoser in dem Buch "living rooms - Politik der Zugehörigkeiten im Wiener Gemeindebau". (Springer-Verlag Wien, 2012). (stui, DER STANDARD, 6.9.2013)