Manche Kroatien-Urlauber suchen mit Mühe Buchten wie jene vor Unije. Andere finden sie nur, weil sie zu früh die Fähre verlassen.

Foto: TV der Stadt Mali Losinj

Um sieben Uhr früh schlurft Bürgermeister Robert Nikolic in Badeschlapfen hinunter zum Kai. An diesem Tag trägt er bunte Shorts und eine Baseballkappe. Er begrüßt die Dorfbewohner, die auf einer Bank am Anleger sitzen und zuschauen, wie Brot, Bier und Toilettenpapier ausgeladen werden. Einmal täglich bringt die Fähre das Notwendigste vom kroatischen Festland. Nur manchmal spuckt sie auch Touristen aus.

Die meisten von ihnen kommen versehentlich. Sie wollten eigentlich auf die Insel Susak, wissen oft aber nicht, dass die Fähre vorher noch einen Zwischenstopp auf Unije einlegt. Wer schon mal da ist, trinkt einen Kaffee unter der blauen Markise des Strandcafés und schaut sich danach um auf der Insel, denn das nächste Schiff fährt erst am Abend zurück.

Unije ist Teil eines Archipels von 13 Inseln in der Kvarner Bucht. Auf der Karte sieht das Eiland aus wie ein umgedrehter Revolver: Der Schaft ist zerfranst von drei Buchten, die Mündung zeigt auf die Nachbarinsel Srakane. Am Abzug liegt der Hauptort Unije. Nur 90 Einwohnern leben hier das ganze Jahr über.

Zwei Autos - ein Unfall

Am alten Leuchtturm sonnen sich so viele Geckos wie anderswo Urlauber. Trifft man neben Ziegen und Feldhasen doch einen Menschen, kommt man schnell ins Gespräch. "Ganz früher einmal gab es zwei Autos", erzählt eine junge Frau, deren Vater auf Unije ein Ferienhaus hat. Er ist einer von nur knapp tausend Menschen, die ausschließlich den Sommer auf der Insel verbringen. "Doch dann fuhren diese beiden ineinander - also schaffte man Autos hier ganz schnell wieder ab", erzählt sie.

Gerne würde Bürgermeister Nikolic die Teilzeitbewohner dazu bewegen, auch im Winter zu bleiben. Schließlich ist die Insel seit 3000 Jahren besiedelt. Seine eigenen Wurzeln auf diesem Flecken Erde reichen 600 Jahre zurück. "Doch viele Menschen sind nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigriert", erzählt er. Wie seine Umgebung strahlt er große Ruhe aus. Dabei hat er doch überraschend viel zu tun.

Nikolic ist der Geschäftsführer einer Müllentsorgungsfirma. Aber lieber organisiert er Meisterschaften im traditionellen Speerfischen und arbeitet ehrenamtlich als Mitglied der internationalen Slow-Food-Organisation, die sich für den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln einsetzt. Eine solche Entwicklung ist ihm auch im Tourismus wichtig: "Wir haben auf der Insel kein Hotel, aber 150 Gästebetten. Das ist die absolute Obergrenze", meint er. Vielleicht wirkt Unije-Ort gerade deshalb wie aus der Zeit gefallen.

Biofeld ohne Label

Die flachen, breiten Häuser sind wie ein Amphitheater zum Meer hin ausgerichtet. In ihren Gärten wachsen Tomaten, Karotten, Zucchini - alles bio, auch ohne Label. Wegen des tonhaltigen Sandsteins und 2500 Sonnenstunden im Jahr ist die Insel äußerst fruchtbar, früher wurden Oliven und Wein angebaut. Ihr alter Name Nia leitet sich vom griechischen Heneios ab, was so viel wie Feld bedeutet. Trotzdem muss heute vieles mit dem Schiff hergebracht werden.

"Als die Fähre im Winter wegen schlechten Wetters 20 Tage lang nicht kam, haben wir unser eigenes Brot gebacken", erzählt der Bürgermeister. Nur für Notfälle gibt es einen kleinen Flughafen. Eine dreisitzige Propellermaschine steuert von hier aus die Nachbarinsel Losinj an. Früher sind die Kinder damit noch in die Schule geflogen. Heute lernen die sieben Schüler per Videokonferenz.

Wer auf Unije unterwegs ist - egal in welche Richtung - sollte Wasser und Proviant mitnehmen, eine Einkehrmöglichkeit gibt es nicht außerhalb des Orts. Obendrein ist es schöner, sich beim Picknick auf einen Hügel zu setzen, den Blick auf das Meer zu genießen und sich dabei vom Wind die Haare föhnen zu lassen. Das Wasser ist hier sehr sauber, und die feinkiesigen Buchten hat man oft ganz für sich allein, obwohl sie ein angenehmes Bad bis spät in den Herbst hinein zulassen.

Erst am Abend trifft man wieder Menschen in den drei Restaurants am Meer. Jedes bietet die gleichen Gerichte zu gleichen Preisen an. Gegen halb acht tuckert die Fähre herbei und saugt die Gestrandeten wieder ein. Die wenigen, die bleiben, verabschieden ihren Besuch und winken dem Schiff hinterher - eine Viertelstunde lang. Auf Unije hat man noch Zeit dafür. (Monika Hippe, Album, DER STANDARD, 7.9.2013)