Recruitainment - das klingt unterhaltsamer, als es ist. Seit rund zehn Jahren entwickelt sich dieser Trend des Auswahlverfahrens zu einer nicht unerheblichen Nebensäule des Employer-Branding. Besonders große Unternehmen versuchen geeignete Kandidaten über diese Mischform aus Entertainment und Recruiting zu gewinnen. Unilever, L'Oréal, Tchibo und viele andere haben sich für ihre Suche nach jungen Talenten ein eigenes Konzept erarbeiten lassen. Die Preisgestaltung scheint nach oben hin offen zu sein - manche geben Summen zwischen zwei- und 40.000 Euro an, andere beginnen bei 100.000 Euro, je nachdem, welche Features das Spiel haben soll.
Michael Bilina, in der Allianz für Recruiting und Employer-Branding zuständig, wird im Rahmen des ARS-Kongresses HR-Trendmanagement Anfang Oktober zum Thema referieren. Die großen Erfolgsgeschichten, die auch in den Medien zitiert werden, sagt er, seien meist jene, die über ein erfolgreiches Ausfiltern bei extrem hohen Bewerberzahlen sprechen. Es gebe aber auch Beispiele, die dazu führten, dass die Ausfallquoten von Einzuschulenden geringer wurden. Wie etwa beim französischen Postdienstleister Formaposte. Rund ein Viertel der Auszubildenden schmissen den Job in der Probezeit, was das Unternehmen letztlich so viel Geld kostete, dass man auf das heute angebotene Recruitainment-Tool "Facteur Academy" zurückgriff. Die Ausfallsquote konnte damit auf acht Prozent reduziert werden. Bilina: "Man hat dadurch einfach auch die Möglichkeit, den Job und das Unternehmen genauer kennenzulernen." Denn nur wer durch das Online-Spiel kommt, kann sich dann auch online bewerben.
Wann ist es genug?
Bei einer Anzahl von rund 5000 Bewerbungen pro Jahr - wie etwa für Positionen für junge Führungskräfte - wird deutlich, dass ein erstes Ausleseverfahren via Computertest - denn nichts anderes verbirgt sich hinter diesen Tools - durchaus Sinn machen kann. Andererseits aber scheinen die Aufwendungen im Kampf um die jungen Talente damit auch einen gewissen Höhepunkt erreicht zu haben. Es stellt sich die Frage, wann - im Rahmen der Bemühungen um die (meist) Jungen - die Grenzen der eigenen Authentizität als Unternehmen überschritten sind. Michael Bilina sieht das Thema Recruitainment breiter: "Das ist mehr als nur das Online-Spiel", sagt er. Man denke nur an Inhouse-Veranstaltungen, im Zuge derer potenzielle Mitarbeiter und junge Talente Einblicke in die Arbeitsweisen und -welten der jeweiligen Unternehmen bekommen, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren. Es gibt - abseits dieses Trends - nach wie vor viele und sehr bewährte Wege, mit dem potenziellen Arbeitgeber in Beziehung zu treten, so Bilina weiter, und zählt vom Facebook-Auftritt bis hin zur Präsenz auf Job- und Karrieremessen Beispiele auf, die "durchaus ein hohes Maß an Unterhaltung bieten". Es sei immer die Frage, inwieweit sich Unternehmen - ganz allgemein - von solchen Trends, so sinnvoll sie auch an mancher Stelle sein mögen, treiben lassen. "Es ist wichtig, auch als Unternehmen authentisch zu sein und zu bleiben", so Bilina. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 7./8.9.2013)