Bregenz - Aufgerüttelt durch hohe Suizidraten, besonders in den Tourismusgebieten, begann man in Vorarlberg vor 25 Jahren die Selbstmorddaten genau zu erheben. Die Statistik, jährlich von den Psychiatern Reinhard Haller und Albert Lingg als Suizidbericht präsentiert, sollte Aufschluss über Risikogruppen und Präventionsmöglichkeiten geben.
Die aks Gesundheit GmbH, eine sozialmedizinische Einrichtung, präsentierte mit dem Suizidbericht 2012 am Freitag eine Analyse der Registerdaten seit 1988. Als erfreulich bezeichneten die Experten, dass sich die Zahl der Selbstmorde seit 1988 halbiert hat.
Salzburg hat höchste Selbstmordrate
Im Vorjahr wurden in Vorarlberg 42 Suizide (ganz Österreich: 1275) verzeichnet. Aussagekräftiger als die absoluten Zahlen sei jedoch die Selbstmordrate, sagte Psychiater Albert Lingg. Die Zahl der Suizide auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner liege in Vorarlberg mit 11,3 unter dem gesamtösterreichischen Schnitt von 15,1.
Das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO ist, eine Rate unter 15 zu erreichen. Die höchste Selbstmordrate in Österreich hat Salzburg mit 19,6, gefolgt von der Steiermark mit 19,3. Vorarlberg hat die niedrigste Rate.
Männer stärker gefährdet
Reinhard Haller führt die sinkenden Zahlen auf die verbesserte psychosoziale Versorgung, die bessere Diagnostik und Behandlung depressiver Erkrankungen zurück. Eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau sei jedoch nur möglich, wenn die Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen steige. Denn rund 80 Prozent der Suizide werden vorher angekündigt, meist im engen Beziehungsumfeld, in der Partnerschaft oder im Freundeskreis, ergab die Analyse des Registers. 76 Prozent der Suizide werden von Männern begangen, besonders gefährdet ist die Altersgruppe zwischen 45 und 54 Jahren.
Den Unterschied im Geschlechtervergleich erklären sich die Experten mit der größeren Bereitschaft der Frauen, Hilfe zu suchen und anzunehmen, und Kurzschlusshandlungen der Männer. Bei 56 Prozent der Männer und 69 Prozent der Frauen war eine psychische Erkrankung bekannt. Druck im Beruf oder Beziehungskrisen nennen die Psychiater als Hauptgründe. Arbeitslosigkeit, niedrige Bildung, Singledasein sind weitere Risikofaktoren.
Lingg forderte einen Ausbau der Krisendienste, um Risikogruppen wie Menschen in Beziehungs- oder Orientierungskrisen und Menschen mit Drogenproblemen oder Traumatisierten rascher helfen und damit Suizide verhindern zu können. (jub, DER STANDARD, 7./8.9.2013)