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Zwar galt der Wahlkampf als offen, doch Sympathisanten von Oppositionskandidat Alexej Nawalny wurden dennoch immer wieder vorübergehend festgenommen. 

Foto: APA/EPA /Yuri Kochetkov

Amtsinhaber Sergej Sobjanin ist siegessicher und lässt der Opposition mehr Freiheiten als anderswo. Am Ergebnis ändert das aber nichts.

Zum Abschluss des Wahlkampfs wurde es noch einmal richtig laut: Während im Olimpiski-Stadion bekannte Volksmusiker und Chansonniers ausgewählte Gäste von Bürgermeister Sergej Sobjanin unterhielten, rief der Oppositionskandidat Alexej Nawalny seine Anhänger zu einem Rock- und Rap-Konzert unter freiem Himmel. Der Musikgeschmack steht für die unterschiedliche Art der Wahlkampfführung. Während der Amtsinhaber mit dem Image des gütigen Stadtvaters zu punkten suchte, ging sein Kontrahent mit aggressiver Kritik am Kreml-Protegé und dessen Politik auf Stimmenfang.

Ungewöhnlich offen konnte die Opposition während des Wahlkampfs agitieren. Selbst im Moskauer Stadtfernsehen wurde den fünf Herausforderern – neben Nawalny treten Sergej Mitrochin (Jabloko), Iwan Melnikow (KPRF), Michail Degtjarjew (LDPR) und Nikolai Lewitschew (Gerechtes Russland) an, machten allerdings einen eher unmotivierten Wahlkampf – limitiert Zeit für politische Debatten zur Verfügung gestellt. Sobjanin nahm an den Runden freilich nicht teil.

Mehr als 10.000 Wahlbeobachter aus allen Lagern achten am Sonntag darauf, dass die Stimmen richtig ausgezählt werden. Massenhafte Fälschungen werde es nicht geben, ist Nikolai Petrow vom Carnegie-Zentrum überzeugt.

Die Wahl in Moskau ist also fair – so fair wie ein 100-Meter-Lauf, bei dem einer der Läufer mit 30 Metern Vorsprung startet, dann aber allen Teilnehmern erlaubt ist, so schnell zu laufen, wie sie können. Der Vorsprung gehört Sobjanin und gründet keineswegs allein auf seinem Amtsinhaber-Bonus, sondern auch auf einer Reihe bürokratischer Finessen.

Schon mit dem überraschenden Rücktrittsgesuch an Präsident Wladimir Putin und den vorgezogenen Neuwahlen hat Sobjanin seinen womöglich gefährlichsten Widersacher, Milliardär Michail Prochorow, ausgeschaltet. Ein neues Gesetz untersagt es russischen Politikern, Besitz im Ausland zu haben. Prochorow, stolzer Besitzer des NBA-Clubs Brooklyn Nets, hätte es selbst beim besten Willen nicht geschafft, rechtzeitig alles zu verkaufen.

Nawalny macht laut Experten einen geschickten Wahlkampf. Doch viele Liberale stößt sein Nationalismus ab, und gemäßigten Oppositionellen ist er wiederum zu radikal. Diese Wahrnehmung wird durch die Staatsmedien verstärkt, die ihn als Skandalpolitiker präsentieren. Das umstrittene Urteil im Betrugsprozess gegen Nawalny während des Wahlkampfs kam da zupass.

Omnipräsenter Sobjanin

Zudem behält Sobjanin medial die Hoheit: Im Fernsehen ist er omnipräsent. Vielen Moskauer Pensionisten – die eifrigsten Wähler in Russland – flatterte zuletzt ein kostenloses Abo Sobjanin-naher Zeitungen ins Haus. Und die Post stellte 2,4 Millionen persönlicher Wahlaufrufe Sobjanins an die Moskauer zu. Zur gleichen Zeit scheuchte die Stadtverwaltung hunderte usbekische Hausmeister umher, um Wahlplakate der Opposition zu beseitigen.

Das Ergebnis steht daher laut Meinungsforschern schon lange fest: Sobjanin gewinnt. Zwar schmilzt sein Vorsprung, doch in den meisten Umfragen kommt er auf gut 60 Prozent – genug für einen klaren Sieg in der ersten Runde. Die betonte Laissez-faire-Haltung der Obrigkeit gegenüber der Opposition soll diesem Sieg nur noch mehr Glanz verleihen.

Zugleich verdeckt der relativ freie Wahlkampf in Moskau die Restriktionen in anderen Regionen. Hier geht die regionale Führung höchst unsanft mit Gegnern um. Bestes Beispiel ist die Region Jaroslawl, wo die Behörden sogar den kremlkritischen Bürgermeister Jewgeni Urlaschow wegen angeblicher Korruption festnehmen ließen, nachdem dessen Wahlchancen im Regionalparlament als gefährlich erschienen.

Mit extrem harten Bandagen wird auch in der Ural-Hauptstadt Jekaterinburg gekämpft. Jewgeni Roisman, Leiter des Fonds "Stadt ohne Drogen" und einer der bekanntesten Oppositionspolitiker Russlands, ist seit Monaten im Visier der Behörden: Zunächst wurde wegen der Tätigkeit seines Fonds ermittelt, später gab es Durchsuchungen in seiner Firma. Der imageschädigende Vorwurf lautet wie üblich: Korruption. (André Ballin aus Moskau /DER STANDARD, 7.9.2013)