Am Ende war es wie immer, wenn die 28 EU-Außenminister mit Catherine Ashton, der Hohen Beauftragten für gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Gasp), zusammentreffen, um über die Haltung zu einer militärischen Aktion zu beraten: Es geht ein tiefer Riss durch die Union.

Man streitet um jeden Satz, jede Formulierung in einer vorbereiteten gemeinsamen Erklärung. Die alten "Kriegsnationen" – voran Frankreich und Großbritannien – drängen auf rasches, entschlossenes Handeln. Eine kleine Gruppe der "Konfliktfreien" mit Österreich ist skeptisch: Das gehe zu weit. Sie pocht auf Uno-Deckung und vorhergehende Beschlüsse im Sicherheitsrat – auch wenn dies wegen des Widerstands Russlands kaum Aussicht auf Erfolg hat. Dazwischen öffnet sich eine große Bandbreite an Meinungen, je nachdem, welche Rolle und welches Verhältnis ein EU-Land sicherheitspolitisch (via Nato) zu den USA hat.

Genauso lief Freitag das Treffen in der litauischen Hauptstadt Vilnius ab, bei dem eigentlich der Ausbau der Gasp besprochen werden sollte. Es war aber komplett von der Krise in Syrien überschattet – wie tags zuvor das Treffen der EU-Verteidigungsminister.

Ein Militärschlag gegen Truppen von Präsident Bashar al-Assad käme einem glatten Bruch des Völkerrechts gleich, hieß es seitens der Österreicher: "Wir sind nach wie vor zurückhaltend". Man wolle den Bericht der Uno-Inspektoren zum mutmaßlichen Giftgaseinsatz gegen Zivilisten durch Assad-Truppen abwarten, erklärte Staatssekretär Reinhold Lopatka, der Außenminister Michael Spindelegger vertrat. Dieser sollte am Samstag anreisen, wenn auch US-Außenminister John Kerry nach Vilnius kommt, um seine Kollegen vom Sinn einer Militäraktion zu überzeugen.

Den Briten William Hague brauchte man nicht mehr zu überzeugen. Er will eine "starke und robuste Antwort" auf den Giftgaseinsatz gegen Zivilisten, bei dem nach US-Angaben mehr als 1400 Menschen gestorben sein sollen – auch wenn sein Land sich an einer Militäraktion nicht beteiligen wird, weil das Parlament dagegen stimmte.

Ins gleiche Horn stieß sein französischer Amtskollege Laurent Fabius. Der Bericht der Uno-Inspektoren werde wenig Neues bringen und auch nur die Frage beantworten, ob es einen Giftgaseinsatz gegeben habe; nicht aber, wer ihn ausgeführt habe. Dass es ein Chemiewaffen-Massaker gegeben habe, "das sagt aber mittlerweile die ganze Welt", erklärte Fabius. Der Uno-Bericht könne nur eine Enttäuschung bringen. Für die "entscheidende Frage", wer der Urheber des Giftgaseinsatzes war, habe Frankreich eigene Beweise, so Fabius.

Berlin: Uno-Bericht abwarten

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nahm – wie so oft – eine Mitteposition ein: Einerseits sei es "plausibel", dass es einen Giftgaseinsatz gegeben habe; auch dass dieser von Assad-Truppen ausgegangen sei. Andererseits gäbe es Länder, die das bezweifelten, sagte er in einer Pressekonferenz. Daher: Man solle die beschleunigte Vorlage des Uno-Berichts abwarten, schloss Westerwelle und betonte, dass Deutschland sich an einer eventuellen Militäraktion nicht beteiligen werde – mit oder ohne Uno-Mandat. Man müsse sich darauf konzentrieren, dass der "politische Prozess" für eine friedliche Lösung in Syrien nicht abgebrochen werde.

Das Schlimmste von allem wäre ein Szenario, wo nichts geschieht, warnte hingegen der Däne Villy Svönda; wenn also Assad sehe, dass er keine Konsequenzen fürchten müsse. Kopenhagen würde einen Angriff auch ohne Uno-Mandat unterstützen.

Dazwischen suchte Ashton die gemeinsame Position der EU. Die Welt sei sich in der Abscheu vor dem Einsatz von Chemiewaffen einig. Bei ihren Diskussionen mit Verantwortlichen weltweit habe niemand behauptet, dass in Syrien keine Chemiewaffen eingesetzt wurden. Gleichwohl könne der Konflikt nur politisch gelöst werden. Wie, das ist die Frage. (Thomas Mayer aus Vilnius, DER STANDARD, 7.9.2013)