Rom - Für den rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilten ehemaligen italienischen Premier Silvio Berlusconi beginnt eine entscheidende Woche. Am Montag tagt in Rom der für Immunitätsfragen zuständige Senatsausschuss, der überprüfen muss, ob im Fall Berlusconis ein im Dezember 2012 verabschiedetes Anti-Korruptionsgesetz gilt. Laut dem Gesetz darf niemand, der zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt wurde, für das italienische Parlament kandidieren oder Abgeordneter sein. Die Bestimmung gelte nicht für Delikte, die vor Inkrafttreten des Gesetzes im Dezember 2012 begangen wurden, erwidern Parlamentarier aus dem Lager Berlusconis.
Fünfzehn zu acht steht das Mehrheitsverhältnis in der Senatskommission gegen Berlusconi. Sie steht unter Aufsicht des Linkspolitikers Dario Stefano, einem bekannten Berlusconi-Gegner.
Letztlich muss aber das Plenum darüber entscheiden, ob Berlusconi nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs Anfang August seinen Senatssitz verliert.
Berlusconi wendet sich an Menschenrechts-Gerichtshof
Um Zeit zu gewinnen, wendet sich Berlusconi jetzt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, weil er seiner Ansicht nach Opfer einer "Justizverfolgung" ist. In einem 33-seitigen Dokument, das dem EGMR eingereicht wurde, erklärte Berlusconi, dass das Anti-Korruptionsgesetz, mit dem er aus dem italienischen Parlament ausgeschlossen werden könne, in mehreren Punkten rechtswidrig sei und seine Menschenrechte verletze.
Berlusconis Parlamentarier drohten wiederholt mit dem Sturz der Regierung von Enrico Letta, sollte die Demokratische Partei (PD) des Premiers für den Ausschluss des Medienzaren aus dem Senat stimmen. Berlusconis Mitte-rechts-Kraft "Volk der Freiheit" (PdL) ist die zweitstärkste Partei im Regierungsbündnis, das die seit drei Monaten amtierende Regierung Letta unterstützt. Die Berlusconi-Vertraute Daniela Santanche warnte vor einem Ausschluss Berlusconis aus dem Senat. Berlusconi sei von Millionen Wählern ins Parlament gebracht worden und habe ein Recht auf seinen Senatsposten.
Der Präsident der Senatskommission Stefano lässt sich von Berlusconis Gang zum EGMR nicht beeindrucken. "Das ändert nicht unsere Prozeduren", sagte Stefano. Er betonte, dass sich Berlusconi vor der Senatskommission verteidigen und erklären könne, warum das Anti-Korruptionsgesetz in seinem Fall nicht greife.
Hausarrest statt Haft
Berlusconi muss aufgrund seines Alters nicht ins Gefängnis. Für Bürger jenseits der 70 mit vergleichsweise kurzen Haftstrafen sieht das italienische Recht Hausarrest vor. Bis Mitte Oktober haben die Rechtsanwälte des Mitte-Rechts-Chefs Zeit, bei Gericht anstelle des Hausarrests gemeinnützige Arbeit zu beantragen. Allerdings hat Berlusconi bereits erklärt, er werde nicht "wie ein normaler Krimineller" Sozialdienst leisten. Somit würde er wohl unter Hausarrest gestellt - in einem Anwesen seiner Wahl. Als wahrscheinlich gilt, dass sich Berlusconi für seine Residenz Palazzo Grazioli im Herzen Roms entscheidet. Von dort aus könne er besser für eine Begnadigung oder für eine Revision des Prozesses kämpfen, hieß es im Umfeld des Medienunternehmers. (APA, 8.9.2013)