Wenn man die Auswertung der Passbeziehungen als Visualisierung zweier Kommunikationsmodelle betrachtet, muss das Fazit lauten, dass am Freitag in München Eloquenz auf Gestotter traf. Das deutsche Team zelebrierte vor allem vor der Pause ein munter-flottes, kollektives Wuchtelschieben, in dem einzig der Dortmunder Schmelzer auf der linken Abwehrposition durch punktuelle Verschlafenheit negativ auffiel, was ihm konsequenterweise auch eine Ersetzung durch Schalkes Revierrivalen Höwedes einbrachte.

Abgesehen davon verteilte sich die angeregte Gruppendiskussion in schöner Regelmäßigkeit auf die Akteure. Ballstafetten wie in einem Trainingsspiel, rücksichtsloses Nachsetzen bei den wenigen Ballverlusten und rotierende Beweglichkeit im Angriffsdrittel schlagen sich in einer beziehungsreichen Schwarmstruktur nieder.

Die Ohnmacht des rot-weiß-roten Teams, eine wirksame Antwort zu formulieren, drückt sich in der zerfransten, ausgedünnten Struktur des Passnetzwerks aus. Vor allem in der ersten Hälfte überwog die Untugend des Ball-nach-vorn-Dreschens, gekoppelt mit der Unfähigkeit, im Mittelfeld zweite Bälle zu erkämpfen.

Erst im Lauf der zweiten Hälfte gelang es ansatzweise, eine sinnvolle reaktive Dynamik zu kreieren. Mit präzisen flachen Pässen in die Spitze wurde die eine oder andere Lücke in die gegnerische Defensive gerissen, was allerdings an der drückenden Überlegenheit der Deutschen wenig änderte. Allzu oft fiel das Team in eine bereits überwunden geglaubte Schwerfälligkeit zurück, was sich vor allem bei der Vorwärtsbewegung in Kontersituationen rächte.

Es erhärtete sich der Eindruck, dass die unter Marcel Koller entwickelten spielerischen Muster maßgeblich auf den Schultern bestimmter Akteure ruhen, die der Teamchef in diesem Spiel leider vorgeben musste - allen voran Julian Baumgartlinger und Zlatko Junuzovic. (Helmut Neundlinger, DER STANDARD, 9.9.2013)

ÖSTERREICH

DIE MEISTEN PÄSSE/PASSVERSUCHE

1. Fuchs–Harnik 14

2. Almer–Harnik 9

2. Alaba–Kavlak 9

4. Weimann–Harnik 8

4. Kavlak–Fuchs 8

4. Harnik–Alaba 8

7. Fuchs–Pogatetz 7

7. Dragovic–Pogatetz 7

7. Pogatetz–Fuchs 7

7. Garics–Harnik 7

7. Pogatetz–Almer 7

12. Almer–Pogatetz 6

12. Arnautovic–Garics 6

12. Kavlak–Alaba 6

12. Pogatetz–Dragovic 6

12. Pogatetz–Alaba 6

12. Almer–Dragovic 6

SCHLÜSSELSPIELER*

1. Harnik 88 (28/60)

2. Alaba 84 (42/42)

3. Fuchs 74 (45/29)

4. Kavlak 72 (38/34)

5. Pogatetz 62 (36/26)

6. Almer 57 (36/21)

6. Weimann 57 (23/34)

8. Dragovic 49 (27/22)

9. Garics 47 (27/20)

* Gegebene und angenommene Pässe

ERFOLGREICHE PÄSSE IN PROZENT

1. Klein 100,0 (5 von 5)

2. Arnautovic 93,3 (14 von 15)

3. Pogatetz 91,7 (33 von 36)

4. Weimann 91,3 ( 21 von 23)

5. Dragovic 88,9 (24 von 27)

6. Kavlak 86,8 (33 von 38)

7. Garics 85,2 (23 von 27)

8. Alaba 81,0 (34 von 42)

 

DEUTSCHLAND

DIE MEISTEN PÄSSE/PASSVERSUCHE

1. Lahm–Müller 20

2. Kroos–Özil 18

3. Lahm–Khedira 17

3. Müller–Lahm 17

5. Lahm–Özil 16

6. Kroos–Reus 15

7. Müller–Özil 14

7. Reus–Özil 14

7. Özil–Reus 14

10. Kroos–Müller 13

10. Reus–Kroos 13

10. Khedira–Kroos 13

13. Özil–Müller 12

13. Mertesacker–Lahm 12

13. Özil–Kroos 12

16. Khedira–Lahm 11

16. Khedira–Müller 11

16. Lahm–Mertesacker 11

SCHLÜSSELSPIELER*

1. Özil 161 (72/89)

2. Kroos 158 (78/80)

3. Lahm 156 (83/73)

4. Müller 140 (64/76)

5. Reus 130 (58/72)

6. Khedira 122 (66/56)

7. Mertesacker 87 (51/36)

8. Boateng 83 (47/36)

* Gegebene und angenommene Pässe

ERFOLGREICHE PÄSSE IN PROZENT

1. Höwedes 100,0 (23 von 23)

2. Mertesacker 98,0 (50 von 51)

3. Kroos 96,2 (75 von 78)

4. Özil 95,8 (69 von 72)

5. Reus 91,4 (53 von 58)

6. Lahm 90,4 (75 von 83)

7. Khedira 89,4 (59 von 66)

8. Boateng 87,2 (41 von 47)

Die Analytiker

FAS.research mit Sitz in Wien und New York war schon bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 sowie bei der EM 2008 im Einsatz und analysierte für den STANDARD auch exklusiv die Spiele der EM 2012.

Der Ansatz

Die Spielzüge werden aufgenommen und codiert. Der Datensatz wird netzwerkanalytisch ausgewertet, das Ergebnis wird interpretiert. In der Grafik werden die Ballwege zu den drei wichtigsten Passpartnern verdeutlicht. Die Kreisgrößen ergeben sich aus den Summen angekommener und abgegebener Pässe.

Team: Ruth Pfosser, Helmut Neundlinger, Wolfgang Streibl und Harald Katzmair