Bild nicht mehr verfügbar.

Mit Tetris am Compter lässt sich angeblich kein Hirnjogging betreiben.

Foto: APA/Mark Lennihan

I M I A A X N I L M. K A L E I G A N. H I H R T P O C S. Nein, das ist kein Verschlüsselungscode, sondern die Übung 1 auf einem Hirnjogging-Portal im Internet. Der Buchstabensalat ergibt Namen: Maximilian, Angelika und Christoph. In fortgeschrittenen Übungen kann man sein Gedächtnis mit Farben-Memory trainieren, Textaufgaben oder Bilderrätsel lösen. Aber funktioniert Hirntraining tatsächlich?

Ja, das fanden kürzlich Forscher aus Japan heraus. Sie haben eine Studie mit 32 Jugendlichen gemacht, die ihr Hirn entweder mit dem Computer-Hirntraining Brain Age oder mit dem Puzzlespiel Tetris trainieren sollten. 15 Minuten pro Tag während fünf Tagen pro Woche saßen die im Durchschnitt 20-Jährigen vor dem PC. Abends schrieben sie ihre Höchstleistung auf. Vor und nach der vierwöchigen Studie maßen die Forscher die Hirnleistung der jungen Leute mit Tests.

Brain Age steigerte Gedächtnis, die Geschwindigkeit, mit der das Hirn Informationen verarbeitet und die sogenannten exekutiven Funktionen, also wie man das eigene Verhalten analysiert und Entscheidungen trifft. Mit Tetris verbesserte sich das räumliche Vorstellungsvermögen und die Aufmerksamkeit. Computerspiele sind einfache Mittel, die Hirnleistungen zu steigern, schließt Ryuta Kawashima von der Tohoku-Universität in Japan. Doch ob der Neurowissenschafter objektiv bei seiner Studie vorgegangen ist, darf man bezweifeln: Kawashima hat Brain Age erfunden.

Begrenzte Effizienz

"Hirnjogging hat nicht den Effekt, den sich viele davon versprechen", sagt Ilse Kryspin-Exner, Leiterin des Lehrstuhls für Klinische Psychologie an der Uni Wien. Alles, was wir intensiv üben, hinterlässt Spuren im Gehirn. Dabei verändern sich Nervenzellen. Das ist so, als würde sich die Hardware eines Computers an den Benutzer anpassen (siehe Interview). Zwar haben dutzende Studien gezeigt, dass man mit Übungen seine Hirnleistung in allen Altersstufen steigern kann. "Ich zweifele aber, ob das auch zu Transfereffekten führt", sagt Jäncke. "Also dass auch andere als die trainierten Hirnfunktionen besser werden."

Bei einem nahen Transfer würde Hirntraining lediglich die Funktion verbessern, die den trainierten sehr ähnlich seien, erklärt Jäncke. Ein Musiker lernt zum Beispiel nicht nur Töne und Melodien zu unterscheiden, sondern später auch gesprochene Vokale oder Laute. Bei einem Ferntransfer werden Funktionen beeinflusst, die wenig mit der trainierten gemeinsam haben. Lernt ein Musiker erst, Töne besser wahrzunehmen, und später würde sich bei ihm auch das Gedächtnis verbessern, wäre das ein Ferntransfer. In manchen Studien funktionierte der Nahtransfer. So sollten in einer von Jänckes Untersuchungen Probanden mit Computer-Hirntraining verschiedene Gedächtnistests machen - etwa sich Zahlenfolgen merken. Nach dem Training konnten sich die Probanden nicht nur Zahlen, sondern auch Wörter besser merken, weil die Hirnleistungen ähnlich sind.

Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen

Der Ferntransfer scheint jedoch nicht zu funktionieren. Wissenschaftler aus Cleveland und Malaysia ließen 93 Studenten Gedächtnistests am PC machen. Sie wurden zwar bei den Tests besser, ihre Intelligenz steigerte das jedoch nicht. Auch eine Studie aus Großbritannien mit 11.430 Teilnehmern zeigte, dass man mit Computer-Hirntrainings zwar einzelne Hirnleistungen verbessern kann, aber jene Leistungen, die nicht trainiert wurden, besserten sich nicht. Generelle Denkvermögen ließ sich also nicht steigern.

Viel besser als Hirnjogging ist etwas zu üben, das man im Alltag anwenden kann, rät Jäncke: zum Beispiel Musizieren oder Sprachen lernen. "Wenn man sich nach einem Gehirnjogging irgendwelche Zahlen oder unsinnige Zeichen besser merken kann, finde ich das ziemlich nutzlos." Wertvolle Dienste könnten die Programme jedoch leisten, wenn die Hirnfunktion gestört ist, etwa nach einem Schlaganfall oder einer Schädelverletzung.

"Um im Alter geistig fit zu bleiben, bringen körperliche Bewegung, soziale Kontakte und geistiges Training viel mehr als einförmige Übungen am Computer", ist Ilse Kryspin-Exner überzeugt, auf das Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen kommt es an.

Viel Input

Das heißt: Input verschiedenster Art und am besten solcher, der Freude macht - Lesen, Schach spielen oder einen Tanzkurs starten - auf die Abwechslung, die man dem Hirn bietet, kommt es an. "Wichtig ist darüber hinaus, dass man Krankheiten behandelt, die die Hirndurchblutung stören, zum Beispiel Bluthochdruck", sagt Jäncke. "Die Zeit für Hirnjogging am Computer kann man sich sparen." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 9.9.2013)