STANDARD: Warum hat eines der bekanntesten balkanischen Aushängeschilder in Hollywood die Heimat verlassen?

Serbedzija: Gegen den Krieg zu sein und sich auf keine Seite stellen zu wollen, machte einen zum Staatsfeind. Ich musste gehen. Dass ich meine Heimat verlor und zum Fremden wurde, war eine der besten Erfahrungen in meinem Leben, weil auf einmal jeder Raum auf der Welt Heimat werden konnte. Ein Land kann man zerstören, die Seele überdauert.

STANDARD: Wohin ging der Weg?

Serbedzija: Nach London; ich tat dort nichts. Eines Tages bot mir der junge New Yorker Regisseur Milco Mancevski eine Rolle an. Er kannte mich aus dem Yu-Kino. Der Film Before the Rain öffnete mir in Amerika die Türen.

STANDARD: Wie hat Sie die Traumfabrik aufgenommen?

Serbedzija: Mir war sofort klar, dass es sich hier um etwas Schreckliches handelt. Es war das genaue Gegenteil von allem, was ich unter Kunst, Theater und Film verstehe. Alle hier würden ihr Leben für ein Engagement geben. Für mich aber ist das Leben wichtiger als der Film.

STANDARD: Trotzdem - ist es schwer, Rollen an Land zu ziehen?

Serbedzija: Mein Freund ist einer der besten Fischer von Pula. Wir fischen oft die ganze Nacht. Das macht mich glücklich. Das Leben hat mich zu einem unabhängigen Menschen gemacht. Wenn ein Filmangebot kommt, schaue ich es mir an. Ich habe gerade ein Angebot von Iggy Pop abgelehnt, weil die Bezahlung einfach lächerlich war. Man tut so, als wäre das ein Independent-Film, und in Wirklichkeit sind der Auftraggeber die Warner-Brothers-Studios.

STANDARD: Also das Geld regiert die Kunst?

Serbedzija: Es gibt dort auch echte Künstler - ich liebe Vanessa Redgrave. Als Filmemacher mag ich Terrence Malick. Er hat mir bisher schon dreimal eine Rolle angeboten. Erst kürzlich musste ich zu meinem Lieblingsregisseur sagen: "Nein danke! Ich bin beschäftigt, weil ich mit meinem Freund am Balkan ein Konzert spiele."

STANDARD: Trauern Sie Jugoslawien nach?

Serbedzija: Wir lebten damals in den 70er- und 80er-Jahren, entgegen dem Bild, das nach außen getragen wurde, in großer Freiheit, und das Land war künstlerisch unheimlich produktiv. Ich wuchs auf und arbeitete, umgeben von guter Musik, guter Kunst und gutem Film. Wir machten damals in der Black Wave Periode mit Regisseuren wie Dusan Makavejev, Zika Pavlovic und Sasa Petrovic die wahrscheinlich interessantesten Filme in der ganzen Welt.

STANDARD: Wer oder was machte Sie zum Schauspieler?

Serbedzija: Was mich am meisten an der Theaterkunst interessiert, ist im Austausch mit jungen Schauspielern Außerordentliches zu kreieren. Das ist mehr als jeder Filmerfolg! Ich habe daher an der Universität von Rijeka eine Schauspielschule eröffnet und wir haben uns heuer über die ersten Abgänger gefreut.

STANDARD: Sie betreiben auch auf der Insel Brijuni das Ulysses-Theater?

Serbedzija: Seit 2001 spielen wir nun dort jeden Sommer vier Mal King Lear. Das sind die einzigen vier Tage im Jahr, in denen ich mich als wahrer Schauspieler fühle - alles andere ist nichts. Da geht es nicht um den Kampf um Erfolg, Geld und Geltungsdrang. (Sabina Zwitter, DER STANDARD, 9.9.2013)