Die Ausbreitung des Hashtags #SchauHin konnte im Laufe des Wochenendes jeder mitverfolgen, der oder die zufällig auf Twitter oder Facebook war. Immer mehr Erfahrungsberichte über Rassismus überschwemmten viele Timelines im deutschsprachigen Raum. Denn genau das war es, was die Initiatorin und ehemalige "taz"-Kolumnistin Kübra Gümüsay mit ihrem Hashtag erreichen wollte. Sie wollte eine Diskussion über den alltäglichen Rassismus in Deutschland auslösen, fernab von "wo die Glatzen glänzen und die Springerstiefel stampfen".

Wenn afrikanische und türkische Personen in 80 Prozent der Münchner Clubs abgewiesen werden - http://t.co/NYUM4AmtGl #SchauHin

— Freddy2805 (@Freddy2805) September 6, 2013

 

Gümüsay schreibt in ihrem Artikel zu #SchauHin, in dem sie ihre Motive erläutert, dass der perfekte Zeitpunkt eigentlich die Debatte über den ehemaligen Berliner SPD-Finanzsenator und Buchautor Thilo Sarrazin gewesen wäre. Sie bemängelt an der Diskussion über Sarrazin und seinen umstrittenen Bestseller "Deutschland schafft sich ab", dass man mittlerweile gar dazu übergegangen sei, die Stellen zu diskutieren, in denen Sarrazin recht haben könnte. Daher sehe sie eine Debatte über den Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft als notwendig an. Sie profitierte dabei von den Erfahrungen im Zuge der #Aufschrei-Debatte, die alltäglichen Sexismus aufgezeigt hatte, mit dem Frauen zu kämpfen haben.

 

Alltagsrassismus ist eigentlich oft das, was man nicht in Worte fassen kann. Erlebnisse, die in keinen Tweet passen. #schauhin

— Kübra Gümüşay (@kuebra) September 7, 2013

 

Nicht nur Zustimmung

Während sich die Debatte im Laufe des Wochenendes in den sozialen Netzwerken ausbreitete und sich der Twitter-Hashtag zeitweise zum Trending Topic mauserte, gab es durchaus auch kritische Stimmen, die die aufkeimende Debatte als haltlose Empörungsoffensive empfanden. Der Chefredakteur des deutschen Online-Magazins "Das Milieu", Tariq Chaudhry, ein deutscher Muslim mit indischen Wurzeln, befürchtete etwa, dass sich "einige eingeklinkt haben, die mehr lamentieren als agieren".  

Auch der Autor und Journalist Eren Güvercin sieht die #SchauHin-Debatte kritisch. "Eine Opferhaltung ist eine negative Haltung. Ich agiere lieber, statt nur zu reagieren", sagt er im Gespräch mit daStandard.at. Die Gefahr, dass sich in dieser neuen Form einer alten Debatte lediglich Ohmacht ausdrückt und nicht etwa konkrete Aktionen oder gar eine Besserung der Situation einkehrt, treibt die meisten muslimischen Kritiker an. Die allerdings auf Unverständnis zu stoßen scheinen. "Wenn man diese Kampagne kritisiert, wird man schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, dass man Rassismus verharmlose, und das, obwohl man seit Jahren versucht, durch seine journalistische Arbeit bestimmten Stereotypen entgegenzuwirken", so Güvercin.

Doch Güvercin will festhalten, dass er nicht etwa die "Intention der Initiatorin" hinterfrage, sondern lediglich für mehr Reflexion eintritt. So müsste man eben auch auf rassistisches oder diskriminierendes Verhalten türkeistämmiger und/oder muslimischer Menschen eingehen. Wie mit Sarrazins Thesen vonseiten deutscher Muslime umzugehen sei, beschäftigt somit auch in dieser Debatte. Während Gümüsay das Gefühl hat, die deutsche Öffentlichkeit verharmlose die Thesen Sarrazins und erschwere somit den Kampf gegen den Alltagsrassismus, problematisiert Güvercin eine reflexartige Haltung und zu wenig Reflexion durch die deutschen MuslimInnen.

Derzeit trudeln auf Twitter immer mehr Erfahrungsberichte unter #SchauHin ein, ein eigener Twitter-Account wurde ebenfalls eingerichtet. Auch Mainstream-Medien wie Stern.de oder Frankfuter Rundschau habe die Debatte bereits aufgegriffen. (Rusen Timur Aksak, daStandard.at, 9.9.2013)