Leo Hemetsberger, Philosoph und Unternehmensberater.

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Es gibt doch nichts Schöneres als seinem Leben Sinn durch eine erfüllende Tätigkeit zu geben. Kein Wunder, dass philosophische Veröffentlichungen wie Richard David Prechts "Wer bin ich, und wenn ja wieviele?", Wilhelm Schmids "Dem Leben Sinn geben" und Peter Sloterdijks "Du musst dein Leben ändern" dazu den Nerv unserer Zeit treffen. Und was,  wenn man sich beruflich mit den Sinnfragen selbst auseinandersetzen kann? Damit meine ich nicht die philosophische Disziplin mit ihrer Sprödigkeit, sondern das weite Feld der Kunst und Kultur. Die so aufgeworfenen Fragen lösen Resonanzen bei allen Beteiligten aus und geben uns Hinweise auf Antworten  zur Conditio Humana.

Dilemma im westlichen Wertekanon

Wir sind einerseits als unverwechselbare, einzigartige Individuen aufgerufen, eine exemplarische Existenz zu verwirklichen, andererseits wird beklagt, dass es im realkapitalistischen System immer weniger Möglichkeiten gibt, das zu tun. Man kann sich  arrangieren, indem man kantisch geforderte Pflichten zur Neigung verinnerlicht. Nur werden so viele Entwicklungen, die aus kreativem Verhalten entstehen, schwierig (da klingt auch Schumpeters schöpferische Zerstörung an).

Um aus der paradoxen Situation, dass das Hamsterrad von innen wie eine Karriereleiter aussieht, die aber meist keine ist, herauszukommen, schielen Mutige unter den fleißigen Radlern, die eine solide Ausbildung im Wirtschaftskontext haben, immer wieder auf einen Bereich. Er ist mit dem Nimbus des Geheimnisvollen, manchmal fast Sakralen umgeben und verheißt im Gegensatz zum gewohnten Einerlei von Kostenrechnung, Deckungsbeitrag und dem bunten Marketinggeheule Spannung. Man will sich aus dem sinnentleerenden Abarbeiten effizienter Prozesse, will sich aus dem stählernen Gehäuse der durchgängigen Rationalisierung (Max Weber) befreien und lieber ein bisschen Peter Pan sein. Deshalb will man Kulturmanager werden.

Kulturmanager, was ist das überhaupt?

Es gibt mittlerweile reichlich Literatur, die sich mit dem Berufsbild des Kulturmanagers auseinandersetzt. Der Beruf hat sich als eigenständiger erst im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts herausgebildet, wie es sich heutzutage gehört inklusive umfangreichem Anforderungsprofil. Da wird bis in die tiefsten Persönlichkeitsstrukturen hinein analysiert, wer diesem mit überzogenen Vorstellungen aufgeladenen Jobprofil entsprechen könne. Die so abgeleiteten Voraussetzungen stehen dabei nicht nur in einem eklatanten Widerspruch zu den Gehältern, die in der Branche bezahlt werden, sondern auch zum Selbstverständnis jener Menschen, die wirklich dort arbeiten.

Qualitative Persönlichkeitskonzepte als Anforderungsprofile für Jobs sind unethisch. Menschen, im ganzen Umfang dieses wunderbaren Begriffs, werden so einem äußeren Zweck unterworfen. Als Ergebnis schält sich ein an den vielfältigen Aufgaben im Kulturmanagement orientiertes Titanenbild heraus, dem nachstreben solle, wer „erfolgreich“ sein möchte. Von welcher Kanzel kommt diese Predigt? Ist das nicht eine billige Kopie dessen, was im Wirtschaftskontext praktiziert wird?

Die eierlegende Wollmilchsau...

Das Arbeitsfeld für Kulturmanager ist so weitläufig, ich kann dazu nur ein pragmatisches Postulat skizzieren: Wer günstige Umstände vorfindet (Glück hat) oder herstellt (aktiv netzwerkt), im Verhalten (professionelles Handeln) klare Prioritäten setzt (etwas erreichen wollen heißt, sich fachlich zu beschränken), dabei den Boden nicht unter den Füßen verliert (zahlen- und zielorientiert arbeitet), sich entsprechend seiner Fähigkeiten (Stärken vertiefend) einsetzt oder einsetzen lässt und von Seiten der persönlichen Werte und Haltung im Arbeitsalltag (ohne Fleiß kein Preis) kongruent bleibt (wer für etwas steht, polarisiert) wird von der Umgebung aufmerksam wahrgenommen werden und sich leichter im gewünschten Bereich etablieren.  Dies gilt sicher nicht nur für angehende Kulturmanager, erhält durch das spezielle Feld eine eigene Färbung.

Weil der Kaiser nackt ist

Der Kunst- und Kultur Bereich ist sehr diversifiziert, man sollte die Codes kennen, die in entsprechenden Bereichen etabliert sind, damit man ernst genommen wird und dort Fuß fassen kann. Das persönliche Beziehungsgeflecht ist essentiell, oft halten und entwickeln sich Seilschaften zwischen Künstlern, Produktionsleitung/Galeristen und Intendanzen etc. über Jahrzehnte und das ist auch gut so. Das heißt nicht, dass man die viel beschworene Ochsentour vom Volontariat/Praktikum über die projektbezogene Kooperation unter prekären Bedingungen bis endlich zum fixen Dienstvertrag, den man sich erkämpfen muss, absolviert, und deshalb möglichst früh damit beginnen soll. Es schadet aber nicht. Am Netzwerken wird man nicht vorbei kommen. Man soll sich sehen lassen, Veranstaltungen besuchen, Leute (auch berühmte, die beißen nicht) ansprechen, sich bemühen in Erinnerung zu bleiben und hoffen, dass der gute Ruf einem vorauseilt. In anderen Bereichen nennt man das Empfehlungsmarketing. Ich kenne erfolgreiche Quereinsteigerinnen. Apropos Genderaspekt, wieso arbeiten in diesem Bereich mehr Frauen als Männer?

Der Rahmen macht das Bild

Trotz jahrelanger Trommelei, dass Unternehmen als Sponsoren die Kulturagenden übernehmen, damit alles viel besser werde, hat sich an der Grundstruktur des Kulturbereichs in Österreich nicht viel geändert. Überwiegend wird er durch die öffentliche Hand und über Vereine finanziert. Man ist den ideologischen Initiativen der Nullerjahre nachgekommen, indem es Kürzungen der öffentlichen Budgets gab. Dann aber war ab 2008 Krise, und auch die kulturaffinsten Sponsoren reduzierten ihre Beiträge drastisch. Wer blieb übrig - die Kulturschaffenden und ihr Management. Aber diese sind ohnehin ans prekäre Leben gewöhnt und es gibt ja auch die Künstleraltersheime für einen würdigen Spätlebensabend. Eigentlich wird aber gefälligst auf den Brettern, die die Welt bedeuten oder vor der Staffelei gestorben. Gäbe es den durch das Kunstfördergesetz festgeschriebenen öffentlichen Auftrag nicht, wäre die Lage, man sehe sich im europäischen Ausland um, noch trostloser. (Leo Hemetsberger, derStandard.at, 17.9.2013)